Prominente, von denen man noch nie gehört hat. Gehässige Moderatoren, die in der Sache völlig recht haben, wenn sie sich über die Wichtigtuerei, den Narzissmus, die Dummschwätzerei und die Sozialphobien jener Möchtegerns lustig machen. Die unkomfortable Unterbringung dieser Chaos-Kombattanten. In Australien. Auf dem Gelände einer Farm. Grün hier.

Übungen und Aufgaben, die so zivilisationsfern wie möglich sind: Nur wer geschickt ist und schnell, besteht die sportiven. Nur wer einen Gaumen aus Stahl hat, besteht die ekelhaften. Wer etwas Richtiges essen will, muss erst das Falsche runterwürgen. Wir reden hier vom „Dschungelcamp“, das seit 2004 die Lieblingssendung aller verqueren Humanisten ist, denn man muss die Menschen sehr lieben, wenn man sie auch nach „Ich bin ein Star – holt mich hier raus!“, wie der moderne TV-Klassiker offiziell heißt, für eine ernstzunehmende Gattung hält.

Dschungelcamp-Historie


Neun Staffeln von „Ich bin ein Star - Holt mich hier raus!“ hat RTL schon gesendet. Vieles wiederholt sich, hängen bleibt das Außergewöhnliche. Eine Dschungelcamp-Historie:


D wie Debüt - Als das Dschungelcamp 2004 für die Zuschauer in Deutschland in die erste Runde geht, ist der Aufschrei groß. Ekelprüfungen und der latente Voyeurismus stoßen Kritikern auf. Die Kölner Staatsanwaltschaft ermittelt sogar wegen Tierquälerei und Körperverletzung. Feuilletonisten arbeiten sich an der Show ab, die - wie zum Trotz - im Schnitt rund 7 Millionen Menschen sehen. Eine Quote von fast einem Drittel ist der Anfang der Erfolgsgeschichte.


S wie „Schluck es runter“ - Selbst der Befehlston bringt der späteren Dschungelkönigin Désirée Nick nichts: In einer gemeinsamen Essensprüfung mit Nadja abd el Farrag faucht sie die Moderatorin und Sängerin zwar an - doch die würgt und verspielt einen Stern. Die können - mal vom Publikum, mal von den anderen Teilnehmern - ausgewählte Stars in jeder Folge erspielen, um dafür zusätzliche Essensrationen wie Früchte oder Fleisch für die Gruppe zu bekommen.


C wie Castingstars - Mit Sänger Ross Anthony siegt in der dritten Staffel der Kandidat einer Castingshow. Damit steht er beispielhaft für die zahlreichen Teilnehmer von publikumswirksamen Musiker-, Model- und Musen-Suchen - oder wie man die Damenwahl des „Bachelors“ auch bezeichnen will -, die eine zweite Karrierechance in Australien bekommen. Anthony ist auch nicht der einzige aus dieser Riege, der die Konkurrenz aussticht: Ex-„Bachelor“-Kandidatin Melanie Müller und Ex-„DSDS“-Kandidat Joey Heindle folgen Jahre später auf dem Thron.


H wie Hüllen - Bei einer Rund-um-die-Uhr-Überwachung lässt jeder Camper zwangsläufig einmal die Hüllen fallen. Die einen - mehr oder weniger absichtlich und in Szene gesetzt - beim Baden im campeigenen Teich oder unterm Mini-Wasserfall. Andere eher im übertragenen Sinne beim heimeligen Plausch am Lagerfeuer. In Staffel vier ist es die Schauspielerin und spätere Staffelsiegerin Ingrid van Bergen, die ganz offen über den Totschlag an ihrem Mann redet. Es sind solche Szenen, in denen die Camper die ganzen Kameras zu vergessen scheinen und aus dem Nähkästchen plaudern, die viele Fans faszinieren


U wie Unbill – Es wirkt wie eine Gruppenverschwörung gegen Model Sarah Knappik: Nach heftiger Diskussion über eine angeblich inszenierte Liebesgeschichte für die im Blätterwald mehr schlecht als recht versteckten Kameras fordern fünf der Urwaldbewohner, die junge Blonde soll das Camp verlassen. Schauspieler Mathieu Carrière fleht sie gar auf Knien an. Tags drauf packt sie tatsächlich ihre Sachen und verlässt Staffel fünf auf eigenen Wunsch.


N wie Nass - Dauerregen setzt das Camp in der sechsten Staffel so sehr unter Wasser wie bei keinem anderen Mal. Der kleine idyllische Bach flutet zwischenzeitlich die Lagerstätte der eingeflogenen C-Prominenz. Immer mal wieder steht sogar eine Evakuierung im Raum.


G wie Gaskocher - Zum ersten Mal müssen sich die Camper in der siebten Staffel nicht um das Lagerfeuer kümmern und es 24 Stunden am Tag am Brennen halten - inklusive Holzsammeln und Nachtwachen im Duett, die in mancher Staffel zu intimen Vier-Augen-Gesprächen führten. Wegen Hitze, Trockenheit und Waldbrandgefahr lodern keine Flammen, stattdessen brutzeln die Promis Reis und Bohnen auf einem Gaskocher. Nach dem Tod von Dirk Bach startet zudem Daniel Hartwich in der siebten Staffel als Moderator an der Seite von Sonja Zietlow.


E wie Entscheidungswirrwarr - Als einer von vielen rief Schlagerstar Michael Wendler „Ich bin ein Star - Holt mich hier raus“ - der Satz, mit dem die Promis ihre Zeit im Dschungeldickicht vorzeitig abbrechen können. Doch als erster machte der Wendler in der achten Staffel die Kehrtwende und wollte wieder ins Camp. RTL ignorierte das Flehen.


L wie Langeweile - Die jüngste Staffel rund um „Buchstabenfee“ Maren Gilzer geriet wegen des Kuschelkurses unter den Teilnehmern in die Kritik. Die „B.Z.“ stellte sogar die tägliche Berichterstattung über die Sendung ein. Wäre Moderator Walter Freiwald nicht auf Krawall gebürstet gewesen, hätte der eine oder andere Camper die Zeit im Dschungel wohl glatt auf seiner Pritsche verschlafen.

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Was genau ist noch mal der Grund, neben der bösen Komik Sonja Zietlows, Daniel Hartwichs und ihrer Texter, weshalb wir die Personality-Show schätzen? Die oft als soziales Experiment beschrieben worden ist, aber eigentlich vor allem eine fiese Entblößung publicitysüchtiger Verlierer ist?

Richtig: Weil wir Menschen kennenlernen. Mit all ihren Deformierungen. Wir sehen sie lachen, lästern, scheitern. Die Deutsche Presse-Agentur hat ein Interview mit der in Hamburg tätigen Medienwissenschaftlerin Prof. Dr. Kristin Bleicher, 55, geführt, das „Dschungelcamp“ verdient hochwissenschaftliche Analyse. Essenz des Gesprächs: Vom „Dschungelcamp“ profitiert RTL. Die Stars profitieren nicht.

Die Kandidaten

Das sind die Teilnehmer im Dschungelcamp 2016

Jürgen Milski wurde erst eine Woche vor Start des Dschungelcamps als Teilnehmer bekanntgegeben. Der Kölner (52) hat bereits bei anderen Reality-TV-Formaten mitgemacht. Bekannt wurde er durch seinen Auftritt in der ersten Staffel von „Big Brother“. Milski arbeitet seitdem als Moderator und Sänger.
Jürgen Milski wurde erst eine Woche vor Start des Dschungelcamps als Teilnehmer bekanntgegeben. Der Kölner (52) hat bereits bei anderen Reality-TV-Formaten mitgemacht. Bekannt wurde er durch seinen Auftritt in der ersten Staffel von „Big Brother“. Milski arbeitet seitdem als Moderator und Sänger. © dpa | Henning Kaiser
Brigitte Nielsen (52) war schon einmal im Dschungel und wurde sogar zur Dschungel-Königin gewählt. In einer Ausscheidungs-Sendung trat Nielsen gegen andere ehemalige Dschungel-Bewohner teil und setzte sich durch. Deshalb darf sie noch einmal nach Australien.
Brigitte Nielsen (52) war schon einmal im Dschungel und wurde sogar zur Dschungel-Königin gewählt. In einer Ausscheidungs-Sendung trat Nielsen gegen andere ehemalige Dschungel-Bewohner teil und setzte sich durch. Deshalb darf sie noch einmal nach Australien. © imago | imago
Am 15. Januar startet die nächste Ausgabe des Dschungelcamps auf RTL. Bei der offiziellen Vorstellung der Kandidaten gab es nicht nur wegen Jürgen Milski einige Überraschungen. So konnte Sänger Gunter Gabriel (73) für eine Teilnahme gewonnen werden.
Am 15. Januar startet die nächste Ausgabe des Dschungelcamps auf RTL. Bei der offiziellen Vorstellung der Kandidaten gab es nicht nur wegen Jürgen Milski einige Überraschungen. So konnte Sänger Gunter Gabriel (73) für eine Teilnahme gewonnen werden. © imago/Future Image | imago stock&people
Thorsten Legat (47) ist ehemaliger Fußballprofi. Nicht nur beim Promi-Boxen, sondern auch auf Pressekonferenzen hat er seine Schlagkraft bewiesen. Bei seinem aktuellen Engagement als Trainer beim FC Remscheid produziert der Ex-Kicker Schlagzeilen am Fließband.
Thorsten Legat (47) ist ehemaliger Fußballprofi. Nicht nur beim Promi-Boxen, sondern auch auf Pressekonferenzen hat er seine Schlagkraft bewiesen. Bei seinem aktuellen Engagement als Trainer beim FC Remscheid produziert der Ex-Kicker Schlagzeilen am Fließband. © imago/Future Image | imago stock&people
Sophia Wollersheim (28) ist die Frau von Bert Wollersheim, der wohl bekanntesten Rotlicht-Größe Deutschlands. Beide waren in einer eigenen Doku-Soap zu sehen. Nun versucht sich Sophia Wollersheim auch als Sängerin, wie hier bei einem Auftritt in Paguera auf Mallorca.
Sophia Wollersheim (28) ist die Frau von Bert Wollersheim, der wohl bekanntesten Rotlicht-Größe Deutschlands. Beide waren in einer eigenen Doku-Soap zu sehen. Nun versucht sich Sophia Wollersheim auch als Sängerin, wie hier bei einem Auftritt in Paguera auf Mallorca. © imago/Reichwein | imago stock&people
Ricky Harris (53) gilt als eine der Überraschungen bei der Besetzung im Dschungelcamp. Harris hat im deutschen Fernsehen eine eigene Talkshow moderiert, war jedoch in den vergangenen Jahren nicht mehr so häufig im Fernsehen zu sehen.
Ricky Harris (53) gilt als eine der Überraschungen bei der Besetzung im Dschungelcamp. Harris hat im deutschen Fernsehen eine eigene Talkshow moderiert, war jedoch in den vergangenen Jahren nicht mehr so häufig im Fernsehen zu sehen. © imago stock&people | imago stock&people
Die Schauspielerin Jenny Elvers (43) ist ebenfalls auf der Kandidaten-Liste. Sie hat in den vergangenen Jahren mit fragwürdigen TV-Auftritten immer wieder für Diskussionen gesorgt – eine gute Vorraussetzung für den Fernseh-Dschungel.
Die Schauspielerin Jenny Elvers (43) ist ebenfalls auf der Kandidaten-Liste. Sie hat in den vergangenen Jahren mit fragwürdigen TV-Auftritten immer wieder für Diskussionen gesorgt – eine gute Vorraussetzung für den Fernseh-Dschungel. © dpa | Stephanie Pilick
Menderes Bagci (31) ist so etwas wie das Maskottchen der Casting-Show „Deutschland sucht den Superstar“. Er ist unzählige Male dort aufgetreten. Eine Runde weiter ist er allerdings nur gekommen als die Jury Mitleid mit ihm zeigte.
Menderes Bagci (31) ist so etwas wie das Maskottchen der Casting-Show „Deutschland sucht den Superstar“. Er ist unzählige Male dort aufgetreten. Eine Runde weiter ist er allerdings nur gekommen als die Jury Mitleid mit ihm zeigte. © imago/Revierfoto | imago stock&people
Nathalie Volk (18) hat im Jahr 2014 bei „Germany’s Next Top Model“ teilgenommen. Seitdem ist das Model vor allem im Ausland tätig und sehr aktiv in den sozialen Netzwerken. Dort folgen ihr Hunderttausende Menschen.
Nathalie Volk (18) hat im Jahr 2014 bei „Germany’s Next Top Model“ teilgenommen. Seitdem ist das Model vor allem im Ausland tätig und sehr aktiv in den sozialen Netzwerken. Dort folgen ihr Hunderttausende Menschen. © imago | imago
Der Schauspieler Rolf Zacher (74) gibt sich bei Premieren meist im feinen Gewand. Im Dschungel wird er darauf verzichten müssen. Zacher wandelt in seinen Rollen zwischen ernsten Bösewichten und komischen Figuren. Im australischen Wald wird sich zeigen, welche Rolle er dort spielt.
Der Schauspieler Rolf Zacher (74) gibt sich bei Premieren meist im feinen Gewand. Im Dschungel wird er darauf verzichten müssen. Zacher wandelt in seinen Rollen zwischen ernsten Bösewichten und komischen Figuren. Im australischen Wald wird sich zeigen, welche Rolle er dort spielt. © imago stock&people | imago stock&people
Die RTL-Moderatorin Helena Fürst (41) ist bekannt aus den Serien „Kämpferin aus Leidenschaft“ und „Anwältin der Armen“. Fürst behandelt dabei vor allem kritische Fälle im Verbraucherschutzrecht.
Die RTL-Moderatorin Helena Fürst (41) ist bekannt aus den Serien „Kämpferin aus Leidenschaft“ und „Anwältin der Armen“. Fürst behandelt dabei vor allem kritische Fälle im Verbraucherschutzrecht. © imago stock&people | imago stock&people
David Ortega Arenas (30) ist der letzte in der Reihe der Dschungelcamp-Teilnehmer. Er ist durch die RTL-II-Serie „Köln 50667“ bekannt geworden. Mittlerweile wendet er viel Energie dafür auf, sich halbnackt auf Facebook zu präsentieren.
David Ortega Arenas (30) ist der letzte in der Reihe der Dschungelcamp-Teilnehmer. Er ist durch die RTL-II-Serie „Köln 50667“ bekannt geworden. Mittlerweile wendet er viel Energie dafür auf, sich halbnackt auf Facebook zu präsentieren. © dpa | David Ortega
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Ist es am Ende vielleicht sogar so, dass es bei Regen feuchter ist als bei Trockenheit?

Das Showbusiness, im Spätkapitalismus eine brettharte Konkurrenzveranstaltung, ist ein ewiges „Dschungelcamp“ – nur mit langweiligeren Prüfungen. In der diesjährigen, der zehnten Ausgabe, lassen sich wieder die prüfen, die es so richtig nötig haben, weil sie keiner mehr bucht. Oder die, die einfach eine schöne Gage bekommen, wenn sie sich im entwürdigendem Outfit dem Fernsehpublikum zeigen. Man braucht, zum Gelingen der Unternehmung, Freaks, Schönlinge, wenig altersweise Lautsprecher, mindestens ein Paar große Brüste und ganz allgemein einen übergreifenden Willen zur Schamlosigkeit.

So ein Ensemble will gut gecastet sein. Brigitte Nielsen darf noch einmal mitmachen, die Dänin war ja schon einmal dabei und wurde 2012 sogar Dschungelkönigin. Sie kann’s nicht lassen, hält sie die Flora und Fauna Australiens vielleicht sogar wirklich für ihr Königreich? Ihr Fußvolk besteht 2016 aus Menschen, die Namen wie David Ortega Arenas oder eben gleich Natalie Volk tragen. Beide haben einschlägige Kommerzsender-Erfahrung, beste Vorraussetzung also, um sich vor der Kamera zu blamieren. Der Ex-Fußballer und blendende Rhetoriker – unvergessen sein grammatikalisch eigenwilliges Platitüden-Festival beim Dienstantritt als Trainer beim unterklassigen FC Remscheid – Torsten Legat hat auch Bock auf die Herausforderung „Dschungelcamp“. Bevor es ernst wird, äußerte er sich gleich mal abwertend („Das sind zwei riesige Lufttüten. Für mich sind die echt zu groß!“) über das Erscheinungsbild der mehrfach Vorbau-getunten Sophia Wollersheim.

Wem der Name übrigens ein Begriff ist, der liest „Bild“ und kennt auch Bert Wollersheim, den Puff-Impresario aus NRW. „Dschungelcamp“ ist, wenn erwachsene Menschen, angestachelt von der diabolischen RTL-Belegschaft, schon vor Sendestart alle guten Manieren fahren lassen. Zuletzt war die Show ja auch mal ein bisschen lahm, weil die Kandidaten keinen Bock auf Beef und keine Lust auf Laberei hatten.

Das scheint in diesem Jahr anders zu sein: Jetzt nimmt sich eine Bildschirm-Schrumpfexistenz wie „Jürgen“ Milski (als er noch bei „Big Brother“ war, brauchte er keinen Nachnamen) gleich mal die bedauernswerte Jenny Elvers (ach, Jenny) vor – „haben sie der vor dem Interview wieder zwei Mon Chéri gegeben“, ätzte er.

Die Alkohol-Diskussionen und Suff-Sprüche malt man sich jetzt schon in den ekeligsten Farben aus. Es geht um den mutwilligen Würdeverlust. Es wird witzig werden. Es wird Geniertsein hervorrufen, wenn einen jemand beim „Dschungelcamp“-Glotzen ertappt. Man kann halt nicht einfach so wegzappen. Rolf Zacher, Gunter Gabriel, besonders ihr zwei, aber auch alle anderen, haltet die Ohren steif! Wird schon.

Wenn dereinst das „Dschungelcamp“ längst Geschichte ist und die Welt eine bessere, wird jemand auf die Idee kommen, eine Rakete ins All zu schießen. Es wird dort schönere Aufgaben für die Prüflinge geben als hier auf Erden. Sie werden die Milchstraße schlürfen oder Sterne fangen. Und nur wer ganz doll nervt, der muss Alien­hoden verspeisen.

„Ich bin ein Star – holt mich hier aus!“ Fr 15.1., 21.15 Uhr, RTL

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