Istanbul. Selbstmordanschlag bei der Hagia Sophia. Acht Deutsche getötet. Bundeskabinett trifft sich am Abend zur Sondersitzung.

In dem bei Touristen beliebten Altstadtviertel Sultanahmet in der türkischen Millionenmetropole Istanbul ist es am Dienstag zu einer schweren Explosion gekommen. Bei der berühmten Hagia Sophia hat sich um 10.15 Uhr ein Selbstmordattentäter in die Luft gesprengt. Zehn Menschen starben, 15 wurden verletzt. Laut Außenminister Frank-Walter Steinmeier sind unter den Todesopfern acht Deutsche, neun Bundesbürger wurden teils schwer verletzt. Das habe Steinmeier in einem Telefonat mit seinem türkischen Amtskollegen erfahren.

Ein weiteres Todesopfer könnte aus Peru stammen. Perus Außenministerin Ana María Sánchez hatte auf einer Pressekonferenz erklärt, unter den zehn Toten sei auch ein Peruaner, der anscheinend als Tourist in die Türkei gereist sei. Am Abend relativierte das peruanische Außenministerium diese früheren Angaben. Dafür gebe es bislang keine Bestätigung, teilte das Ministerium am Dienstagnachmittag (Ortszeit) in Lima mit.

Die türkische Polizei habe dem peruanischen Honorarkonsul in Istanbul mitgeteilt, dass zwei Leichen noch nicht identifiziert worden seien, hieß es nun. Die weiteren acht Todesopfer des Selbstmordattentats im historischen Zentrum Istanbuls sind Deutsche.

Einige der Todesopfer waren mit einem Berliner Reiseunternehmen in Instanbul. Eine Pauschalreise. Von Istanbul aus sollte es weiter nach Dubai gehen. „Die schrecklichen Ereignisse des heutigen Tages machen uns tief betroffen“, sagte der Geschäftsführer der Lebenslust Touristik GmbH Berlin, Marco Scherer, laut einer Mitteilung am Dienstagabend. Zwei Mitarbeiter des Unternehmens sind auf dem Weg nach Istanbul. Auch ein Seelsorger soll für die Überlebenden der Gruppe eingesetzt werden. Es ist noch unklar, woher die Opfer stammen.

Attentäter war ein 28 Jahre alter Syrer

Insgesamt waren 33 Menschen mit dem Veranstalter in der Stadt. Zwei Vertreter der Geschäftsführung seien auf dem Weg nach Istanbul zu der Reisegruppe, hieß es weiter. Für Angehörige wurde eine Hotline mit der Nummer 030 880013039 eingerichtet. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) wird an diesem Mittwoch in die Türkei reisen. Der Minister wolle in Istanbul seinen türkischen Amtskollegen Efkan Ala treffen und sich ein Bild von der Lage machen, sagte eine Sprecherin des Innenressorts am Dienstagabend in Berlin.

Bei dem Attentäter handelt es sich laut des türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu um einen Syrer, der der Extremistenmiliz IS angehört. Der 28-Jährige sei vermutlich erst kürzlich in die Türkei eingereist. Er gehöre nicht zu den Personen, die die Türkei zur Beobachtung ausgeschrieben habe.

Das Bundeskabinett kommt noch am Abend wegen des Terroranschlags bei einem Sondertreffen zusammen. Das kündigte Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) an und sagte: "Seit vielen Jahren hat uns Deutsche der Terror nicht mehr so schwer getroffen wie heute in Istanbul“. Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte bei einer öffentlichen Ansprache, dass der Anschlag in Istanbul in einer Reihe stehe mit denen Terrorakten von Paris, Kopenhagen und Tunis. Die Terroristen bezeichnete die Kanzlerin als "Feinde aller Menschlichkeit" und sprach den Angehörigen ihr Mitgefühl aus.

USA sichern der Türkei Unterstützung zu

Die USA betonten, sie stünden weiter fest an der Seite der Türkei. "Dieser abscheuliche Angriff in Istanbuls historischem Herzen hat Türken und ausländische Touristen gleichermaßen getroffen", erklärte der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates Ned Price in Washington. Frankreichs Präsident François Hollande sprach von einem "abscheulichen Terroranschlag". "Dieser Akt schändlicher Gewalt muss mehr denn je unsere gemeinsame Entschlossenheit stärken, den Terrorismus zu bekämpfen." Frankreich war im vergangenen Jahr von einer Serie von Terroranschlägen und versuchten Attacken betroffen.

Das Auswärtige Amt in Berlin richtete nach Angaben Merkels einen Krisenstab ein. Nach dem Anschlag verhängte die türkische Regierung eine Nachrichtensperre. Zur Begründung teilte die Medienaufsicht RTÜK mit, ein solcher Schritt sei laut Gesetz möglich, wenn er der "nationalen Sicherheit" diene. Eine dpa-Reporterin wurde von Polizisten daran gehindert, in der Umgebung des Anschlagsortes Fotos zu machen. Die dpa-Reporterin berichtete vor Ort von zahlreichen Polizisten sowie Rettungskräften.

Tote keine Reisenden von Tui, Alltours, Studiosus, Thomas Cook und DER

Ein Vertreter einer Reiseagentur sagte der Nachrichtenagentur Reuters, eine deutsche Reisegruppe habe sich zum Zeitpunkt der Explosion in der Nähe aufgehalten. Es gebe aber keine Informationen darüber, ob jemand aus der Gruppe unter den Opfern sei. Sprecher der Reiseveranstalter Tui, Alltours und Studiosus schlossen bereits aus, dass ihre Reisenden unter den Opfern seien. Auch Gäste der Veranstalter Thomas Cook und DER sind nach Angaben der Unternehmen offenbar nicht betroffen.

Berlin warnte Reisende umgehend dringend davor, Menschenansammlungen in Istanbul vorläufig zu meiden. Deutsche sind die größte Urlaubergruppe in der Türkei. Einige Anbieter haben bereits bekanntgegeben, dass Kunden ihre Reise stornieren können.

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"Wir ergreifen Maßnahmen gegen eine zweite Explosion", sagte ein Polizist am Nachmittag am Ort des Geschehens. Der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoglu berief ein Dringlichkeitstreffen ein, an dem der Innenminister und die Chefs der Sicherheitsdienste teilnehmen sollten.

Regierung verhängt Nachrichtensperre

Wenige Stunden nach dem mutmaßlichen Anschlag hatte die Regierung eine Nachrichtensperre verhängt. Zur Begründung teilte die Medienaufsicht RTÜK mit, ein solcher Schritt sei laut Gesetz möglich, wenn er der „nationalen Sicherheit“ diene.

Eine dpa-Reporterin wurde an der Absperrung daran gehindert, Fotos vom Ort der Detonation zu machen. Die Polizisten verlangten ihren Presseausweis, um ihn zu überprüfen. Eine Moderatorin von CNN Türk sagte, wegen der Nachrichtensperre könne der Sender nur noch eingeschränkt berichten.

Anschlag schon vor einem Jahr

Auf dem Sultan-Ahmet-Platz hatte sich vor einem Jahr eine Frau in die Luft gesprengt. Sie riss einen Polizisten mit in den Tod, ein weiterer wurde verletzt. Die Attentäterin hatte nach offiziellen Angaben Verbindungen zur Extremistenmiliz Islamischer Staat (IS).

Das Sultanahmet-Viertel in Istanbul


Der Stadtteil Sultanahmet in Istanbul gilt als eines der beliebtesten Ausflugsziele in der Türkei für Touristen aus aller Welt.


Benannt ist er nach Ahmet I., der als Sultan von 1603 bis 1617 über das Osmanische Reich herrschte.


Das Altstadtviertel liegt auf einer Halbinsel im europäischen Teil Istanbuls. Hier befand sich auch das Zentrum des historischen Konstantinopels.


In der Nähe des zentralen Sultanahmet-Platzes stehen mit der Blauen Moschee, der Hagia Sophia und dem Topkapi-Palast die bekanntesten Sehenswürdigkeiten der Stadt.


Auf dem Platz steht auch der Deutsche Brunnen, der im Andenken an einen Besuch des deutschen Kaisers Wilhelm II. in Istanbul im Jahre 1898 errichtet wurde.


1985 erklärte die Unesco das Viertel zum Weltkulturerbe.

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Seit Ende des Waffenstillstandes zwischen der Regierung und der verbotenen Kurdischen Arbeiterpartei PKK vor einigen Monaten hat es mehrere Anschläge in türkischen Städten gegeben.