Washington.

Der am vergangenen Freitag erneut gefangen genommene mexikanische Drogenbaron Joaquín „El Chapo“ Guzmán soll im vergangenen Sommer bei seiner spektakulären Flucht aus einem Hochsicherheitsgefängnis in Mexiko indirekt technische Hilfe aus Deutschland gehabt haben. Das schreibt der Hollywood-Schauspieler Sean Penn in einer Aufsehen erregenden Reportage für das Magazin „Rolling Stone“.

Der zweifache Oscar-Preisträger, bekannt aus Filmen wie „Dead Man Walking“ und durch sein politisches Engagement für die Erdbeben-Opfer in Haiti, schildert darin, wie er gemeinsam mit einer mexikanischen Schauspielerin im Oktober nach wochenlanger Anbahnung über Mittelsmänner in einem geheimen Versteck in Mexiko mit dem berüchtigten Chef des Sinaloa-Kartells ein siebenstündiges Interview führen konnte.

Mexikanische Sicherheitsbehörden behaupteten, Penns Kontakt zu dem Gangster sei der Schlüssel zur Ergreifung „El Chapos“ (der Kurze) am Freitag nach einem schweren Feuergefecht in Los Mochis führte. Um die Authentizität des Treffens zu belegen, veröffentlichte das Magazin auf seiner Internetseite ein Foto, das Penn und „El Chapo“ beim Handschlag zeigt – und ein Video, in dem der meistgesuchte Verbrecher der Welt in blauem Hemd und mit Baseball-Käppi bereitwillig Auskunft gibt. Laut „Rolling Stone“ wurde der Bericht vor der Veröffentlichung von Guzmán eingesehen und ohne Beanstandungen freigegeben.

Die Flucht Guzmáns aus dem Altiplano-Hochsicherheitsgefängnis im Juli 2015 war wegen der dahinter stehenden Raffinesse Thema in den Medien weltweit. Ein Video der Wärter zeigte damals, wie „El Chapo“ plötzlich in der Dusche seiner Zelle verschwand. Später fanden die Sicherheitskräfte dort ein Loch, das zu einem 1,6 Kilometer langen Tunnel führte. Der Fluchtweg war mit elektrischem Licht, Lüftung und einem Moped auf Schienen ausgerüstet. Bau-Experten schätzten die Kosten für den Tunnel auf fünf Millionen Dollar.

Guzmán soll ein höflicher und zurückhaltender Mann sein

Bei seiner Begegnung mit „El Chapo“ erfuhr Sean Penn nach eigenen Worten, dass mehrere Ingenieure des Drogen-Königs 2015 für drei Monate nach Deutschland geflogen wurden, um sich dort bei Tunnelbau-Experten mit den speziellen Grundwasser-Bedingungen unterhalb der Haftanstalt Altiplano vertraut zu machen. Bei welcher Firma oder wissenschaftlichen Einrichtung diese Fortbildung stattgefunden haben soll, sagte Penn nicht.

Zustande kam der seltene Kontakt – „El Chapo“ hatte vorher noch nie ein Interview gewährt – durch Kate del Castillo. In der in Mexiko populären Seifen-Oper „Die Königin des Südens“ spielte sie lange selbst eine Drogen-Händlerin. Über Twitter sicherte sie sich die Gunst „El Chapos“, indem sie sich gegen korrupte Politiker in Mexiko aussprach und den Kartell-Boss aufforderte, künftig mit „Liebe“ statt mit Drogen zu handeln. „El Chapo“ ließ ihr später dafür Blumen schicken.

Penn berichtet, dass nach der Inhaftierung Guzmáns 2014 in Altiplano diverse Hollywood-Studios an die Anwälte des Groß-Gangsters herangetreten seien, um die Film-Rechte über das bewegte Leben des aus tiefster Armut zu einem Privatvermögen von über einer Milliarde Dollar gekommenen Mannes zu erlangen. „El Chapo“ habe darüber nur mit besagter Kate del Castillo reden wollen. Bei der von Dutzenden bewaffneten Leibwächtern beschützten Begegnung mit dem Drogenbaron stieß Sean Penn nach eigener Beschreibung auf einen höflichen, zurückhaltenden Mann.

Anders als in vielen Medien anhand dokumentiert, hält sich „El Chapo“ nicht für gewalttätig. „Ich verteidige mich nur. Ich machen keinen Ärger.“ Außerdem sei er selbst clean. Drogen will „El Chapo“ zuletzt vor 20 Jahren angefasst haben.
Seinem milliardenschweren Geschäft sagte er unverändert blendende Zukunftsaussichten voraus. Auf der ganzen Welt, unabhängig von Religion oder politischem System, seien seine Produkte erwünscht.

Drohnen verfolgten das Treffen von „El Chapo“ und Sean Penn

Penn beschreibt in dem langen Selbsterfahrungsbericht, mehrfach sein Gefühl, dass die mexikanische Regierung und die US-Drogenfahndung DEA die Begegnung mit „El Chapo“ via Drohnen und Abhörtechniken mitverfolgen. Äußerungen der mexikanischen Generalstaatsanwältin Arely Gómez erhärten diesen Verdacht.
Der Wunsch des Drogenbosses, sein Leben verfilmen zu lassen und darum mit Produzenten und Schauspielern in Kontakt zu treten, sei ein zentraler Teil der Ermittlungen gewesen, sagte sie. So gesehen ist Sean Penn, ob freiwillig oder nicht, einer der erfolgreichsten amerikanischen Drogenfahnder aller Zeiten. Falls „El Chapo“ im Sommer tatsächlich an die USA ausgeliefert werden sollte, wo Staatsanwälte seit Jahren daran arbeiten, den Mann lebenslang hinter Gitter zu bringen, könnte es erneut zu einer Begegnung der beiden Männer kommen. Dann im Gerichtssaal.