Lohfelden. Erst ein Wasserschaden, rund 18 Monate nach ihrem Tod, macht auf das traurige Schicksal einer 87-Jährigen aufmerksam.

Mitten im Ort hat die alte Dame gelebt - und war doch ganz allein. Bis zu ihrem Tod soll sie ihre Tage völlig zurückgezogen in Lohfelden bei Kassel verbracht haben. Dass die Leiche erst nach rund eineinhalb Jahren entdeckt worden ist, schockiert die kleine Gemeinde. „Wir machen viel für ältere Menschen“, sagt der stellvertretende Bürgermeister und Erste Beigeordnete, Klaus Steffek (SPD), am Mittwoch. Die Frau habe aber offenbar keinerlei Kontakte gepflegt. Sie sei auch nie zu angebotenen Veranstaltungen gekommen, sonst wäre vielleicht ihr Fehlen bemerkt worden.

Die endgültige Identifizierung der Toten ist noch nicht abgeschlossen, die Ermittler gehen aber davon aus, dass es sich um eine 87-Jährige handelt. Die Seniorin, die keine Angehörige hatte, lag nach ersten Erkenntnissen 15 bis 18 Monate tot in ihrem Bett. Die skelettierte Leiche wurde Ende November gefunden, wie erst am Dienstagabend bekanntgeworden ist. Ein Wasserschaden beim Nachbarn brachte das Schicksal der Frau ans Licht - ein Schlüsseldienst musste deswegen ihre Wohnung öffnen.

Hinweise gab es aber bereits früher

Hinweise, dass etwas nicht stimmt, gab es allerdings schon früher: So stapelte sich etwa die - wenn auch rare - Post der Frau im Treppenhaus des Mehrfamilienhauses. Dem Briefträger bleibe nichts anderes übrig, als die Sendungen weiterhin zuzustellen, alles andere wäre Postunterdrückung, sagt ein Postsprecher. Ob der Austräger einen Verdacht geschöpft habe und in irgendeiner Weise tätig geworden sei, wisse er nicht.

Ein Nachbar berichtet derweil, dass er die Frau nie zu Gesicht bekommen habe. Der Mann wohnt nach eigenen Angaben seit gut zehn Jahren im Fachwerkhaus nebenan. „Die kannte wahrscheinlich niemand.“ Der Vermieter der Wohnung habe einem Bekannten erzählt, dass die Frau nie das Haus verlassen habe. Ohne Ankündigung habe sie nie die Tür geöffnet. Einem weiteren Mann von nebenan tut der Fall einfach nur leid. „Ich kannte sie nicht, habe sie nie gesehen“, fügt er hinzu.

Auf dem Parkplatz eines nahe gelegenen Textilmarktes zeigt sich eine Lohfeldenerin schockiert: „Ich kann es einfach nicht verstehen. Da wohnen doch so viele Leute drin.“ Man müsse doch auch gerochen haben, dass dort eine Leiche liege. Dann erzählt sie noch: In einem anderen Ortsteil sei vor zig Jahren schon einmal jemand erst nach einiger Zeit tot aufgefunden worden. Es verstöre sie am meisten, dass man „nicht mehr aufeinander acht gibt“. Eine weitere Passantin sagt, sie sei zwar erst kürzlich umgezogen, kenne aber alle ihre Nachbarn.

Der erschütternde Fall zeige „ein Stück weit, dass man nebeneinanderher statt miteinander lebt“, meint auch Beigeordneter Steffek. Sogar in einem gewachsenen Ortsteil wie Lohfelden-Ochshausen, wo die Wohnung der 87-Jährigen liegt. Den anonymen Tod kenne man ja aus den Großstädten, aber jetzt halte er auch Einzug in den Randgemeinden, sagt Steffek. Lohfelden werde nun für eine würdevolle, anonyme Beisetzung der Frau sorgen.