BERLIN. Macaulay Culkin ist mit einer Webserie zurück in seiner alten Rolle. Über Kinderstars zwischen Fluch und Segen

Nennen Sie einen Kinderstar! Den meisten fällt dabei „Kevin“ ein. Eigentlicher Name: Macaulay Culkin. Die Komödie „Kevin – Allein zu Haus“ war 1990 der Sensationserfolg. Macaulay spielte einen Jungen, der von seiner in den Weihnachtsurlaub aufbrechenden Familie daheim vergessen wird. Der damals zehnjährige Macaulay wurde zum Superstar. Kevin ist 1991 auf einmal der beliebteste Vorname Deutschlands. Jetzt, 25 Jahre später, kehrt Macaulay für die erste Episode der Webserie „Dryvrs“ in seine Rolle zurück.

Zotteliges Haar, fahles Gesicht, Kippe: Kevin ist inzwischen ein abgehalfterter Aushilfstaxifahrer, der nicht einmal einen Führerschein hat. Und er ist traumatisiert von seinen Erlebnissen von 1990. „Ich musste mein Haus gegen zwei psychopathische Einbrecher verteidigen. Ich war doch noch ein Kind!“, erklärt er seinem Fahrgast. Doch die Erlebnisse hatten auch ihr Gutes: Gangster mit einer Lichterkette zu fesseln, das hat er immer noch drauf.

Mit der Minirolle nimmt der 35-Jährige selbstironisch Bezug auf seinen eigenen Absturz. Denn nach dem Höhenflug – es folgten ein Video mit Michael Jackson („Black and White“) und eine „Kevin“-Fortsetzung – kommt der Fall. Mit 14 geht er in Rente – er will nicht wieder drehen. Und er überwirft sich mit seinen Eltern, von denen er sich finanziell ausgebeutet sieht. Kevin ist plötzlich wirklich allein zu Haus. Danach? Blitzhochzeit mit 18, Festnahme wegen Drogenbesitzes mit 24. Er spielt wieder, doch die Presse interessiert sich mehr für Fotos, auf denen er abgemagert durch die Straßen schlurft.

Nach frühem Ruhm und tiefem Rutsch gelingt anderen ein Comeback. So wie Drew Barrymore, 40, aus „E.T.“ (1982). Der Kinderstar tingelt durch die Partyszene. Alle finden es niedlich, wenn die Kleine einen Schwips hat. Mit 10 raucht sie den ersten Joint, mit 12 schnupft sie Kokain. Das reiche, arme Mädchen verwahrlost: „Ich hatte mit 14 keine Ahnung, wie man eine Wohnung sauber hält. Überall war Schimmel, es war ein Desaster“, erinnert sie sich.

Doch Mitte der 90er gelingt ihr ein Comeback, zunächst in Undergroundfilmen. 1998 dann der Kassenknüller „Eine Hochzeit zum Verlieben“. Heute gehört Barrymore zu den teuersten Hollywoodstars und ist auch als Produzentin erfolgreich.

Inger Nilsson wollte nicht mehr Pippi Langstrumpf sein

Doch nicht jeder Kinderstar stürzt ab. Michael Thiel ist psychologischer Berater der Castingshow „The Voice of Germany“ (ProSieben), bei dem Donnerstag die erst 17-jährige Schülerin Jamie-Lee Kriewitz aus Hannover gewann. „Früher Ruhm ist nicht per se schädlich. Kinder lieben Schauspiel, Gesang oder Tanz, und es ist auch Aufgabe der Eltern, Begabungen zu erkennen und zu fördern.“ So seien die meisten Eltern der jungen Talente entgegen dem Klischee der Eislaufmutti auch gar nicht besonders ehrgeizig. Wichtig sei permanente Bodenhaftung durch ein stabiles Umfeld. Die Fähigkeit zum Bedürfnisaufschub ist jedoch für eine gesunde psychische Kindesentwicklung entscheidend. „Das ist manchmal schwer, wenn eine erwachsene Entourage jeden Wunsch von den Lippen abliest“, sagt Thiel.

Eine bewusste Entscheidung gegen das Rampenlicht traf Inger Nilsson, heute 56 Jahre alt, die in den 70er-Jahren in Astrid-Lindgren-Verfilmungen die unbesiegbare Pippi Langstrumpf spielte. Sie arbeitete als Sekretärin und Krankenschwester, schauspielerte kaum noch. „Die Rolle hat mich verändert, weil ich immer dafür kämpfen musste, Inger zu sein. Das ist der große Kampf meines Lebens. Jedem zu erklären, dass ich vor allem Inger bin“, sagte sie dem „Stern“.

Auch Thomas Ohrner, 50, stieg aus der Schauspielerei aus. 1979 hatte er die Titelrolle der straßenfegenden, ersten ZDF-Weihnachtsserie „Timm Thaler“ über den Jungen, der sein Lächeln an den Teufel verkaufte. Ohrner moderierte lieber, etwa die Show „Lass Dich überraschen“. 2007 bis 2010 die Rückkehr ins Schauspielgeschäft: Er spielt in der ARD-Soap „Verbotene Liebe“.

Über seine Zeit als Kinderstar will er nach Aussage seiner Agentin nicht reden. Aktuelle Projekte? „Ein bisschen Radio“, sagt seine Agentin. „Timm Thaler“ wird nun wieder für einen Jungschauspieler Ruhm bedeuten: Gerade wurde ein Kino-Remake abgedreht, das Ende 2016 starten soll. Dann ist es der zwölfjährige Arved Friese („Der Nanny“), der den Pakt mit dem Teufel eingeht.