Palo Alto. Die Yahoo-Chefin bringt Zwillinge zur Welt – und heizt die Debatte um eine historische Ungerechtigkeit an

„Zack und ich sind glücklich, euch mitzuteilen, dass unsere eineiigen Zwillingsmädchen auf die Welt gekommen sind.“ Ein kurzer Gruß in die Welt via hauseignem Kurznachrichtendienst Tumblr am Donnerstag musste reichen. Ansonsten läuft für die Vorstandsvorsitzende des Megainternetunternehmens Yahoo Marissa Mayer, 40, weiter alles wie angekündigt. Die Multimillionärin und Mutter des zweijährigen Macallister wird drei Wochen nach ihrer Zwillingsgeburt wieder im Büro sitzen. Für Meyer, die nach ihrer ersten Geburt veranlassen ließ, dass ein Kinderzimmer gleich neben ihrem Büro gebaut wurde, wirkt es wie ein Akt des Feminismus und der Selbstbestimmung.

Doch für Millionen amerikanischer Frauen ist der Arbeitsethos einer der laut „Forbes“-Magazins mächtigsten Frauen der Welt ein Schlag ins Gesicht. Denn laut einer Studie der Internationalen Arbeitsorganisation der Vereinten Nationen von 2014 sind die USA das einzige Industrieland weltweit, das keinen bezahlten Mutterschutz garantiert. Ein Thema, das nicht nur den aktuellen Wahlkampf der demokratischen Kandidaten wie Bernie Sanders und Hillary Clinton dominiert, sondern auch Aktivisten, Dokumentarfilmer und Prominente auf den Plan ruft.

So rechnet die renommierte Dokumentarfilmerin Ky Dickens in dem Trailer zu ihrem Film „Zero Weeks“ („Null Wochen“) vor, dass zwar die drei Staaten New Jersey, Rhode Island und Kalifornien bereits bezahlten Mutterschutz gewähren, dass dies jedoch nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein sei.

„Nur 30 Prozent aller amerikanischen Frauen haben überhaupt Zugang zu bezahltem Mutterschutz und das, weil sie entweder für ein bestimmtes Unternehmen arbeiten oder in einem der drei Staaten leben“, so Dickens. Für die nicht privilegierten 70 Prozent greift der sogenannte Family and Medical Leave Act aus dem Jahre 1993, laut dem jeder Mutter zwölf Wochen unbezahlter Mutterschutz zustehen. „Tatsache ist aber“, so Dickens, „die meisten Familien können nicht einmal in die Gunst dieser Reglung kommen.“

Fakt ist: Nur Unternehmen, die mehr als 50 Mitarbeiter beschäftigen, müssen das Gesetz umsetzen. Weiter muss die Mitarbeiterin mindestens ein Jahr von dem Arbeitnehmer angestellt sein und das in Vollzeit. Das bedeute, sagt Dickens, die für ihre Doku Kongressmitglieder und Schriftsteller zusammenbrachte, dass rein rechnerisch nur zwei von zehn Amerikanerinnen Zugang zu unbezahltem Mutterschutz haben.

„Das ist eine Krise für den Mittelstand, die Unterschicht und für alle in diesem Land, die arbeiten und jemanden lieben“, so die Filmemacherin. Unterstützung bekommt Dickens unter anderem von der trauernden Mutter Amber Scorah. Der tragische Fall ihres drei Monate alten Sohnes Karl machte im Juli dieses Jahres Schlagzeilen, jetzt ging die Autorin von Kinderlernbüchern mit ihrem Mann Lee Towndrow und einer Initiative an die Öffentlichkeit. In einem Artikel im Blog der „New York Times“ schildert Scorah den Todestag ihres Babys. Karl starb an seinem ersten Tag, an dem er eine private Krippe im New Yorker Stadtteil Soho, die allerdings keine staatliche Genehmigung hatte, besuchte. Als sie ihn um 12.30 Uhr nach wenigen Stunden abholen wollte, fand sie ihren Sohn Karl mit einer Erzieherin vor, die versuchte, ihn wiederzubeleben. Ein Rettungswagen war schon unterwegs, doch es war zu spät. Karl hatte blaue Lippen, starb vermutlich an plötzlichem Kindstod. In ihrem „New York Times“-Artikel schreibt die Wahl-New-Yorkerin Scorah: „Das hier ist kein Text über Kindersicherheit in der Krippe.“ Doch ihr Kind sei in der Fürsorge eines Fremden gestorben, also hätte sie bei ihm sein sollen. „Unsere Kultur hat mir das abverlangt“, sagt Scorah. Keine Mutter solle nicht die Wahl haben, ob sie ihr drei Monate altes Kind abgibt, auch wenn es sich für sie nicht richtig anfühlt. Hätte sie ihren Job nach drei Monaten nicht wieder angetreten, hätte sie ihn und damit auch ihre Krankenversicherung verloren, erklärt sie. Elternzeit gibt es in den USA generell nicht.

Marc Zuckerbergs Elternzeit gleicht einem gesellschaftlichen Umbruch

Auf ihrer Webseite Forkarl.com engagiert sich Amber Scorah für bezahlten Mutterschutz. Unterdessen postete Facebook-Chef Marc Zuckerberg, 31, am Donnerstag einen Gruß aus seinem zweimonatigen Vaterschaftsurlaub. Das Foto zeigt ihn und seine Frau Patricia Chan mit ihrer neugeborenen Tochter Maxima. Der Elternzeitplan der Familie Chan/Zuckerberg erregte in Amerika Aufsehen, kam für viele Kommentatoren einer Zeitwende gleich. Einer der rund 42 Millionen Facebook-Fans Zuckerbergs kommentierte auf sein Foto: „Es ist süß, wie alle Eltern dazu neigen, jeden mit Neuigkeiten über den Nachwuchs überzuinformieren.“ Glücklich die, die es können.