Belgrad/Brüssel. Attentäter setzen eher auf Schusswaffen als auf Bomben.Der illegale Handel mit Sturmgewehren floriert. Polizei ist weitgehend machtlos.

Eine Kalaschnikow in Brüssel? Kein Problem, sagt „Nemac“, der Serbe. Für ein paar hundert Euro bekomme man die Waffe und dazu einen Transport per Pkw oder Lastwagen vom Balkan nach Belgien. Der ehemalige Soldat der jugoslawischen Armee erzählt in einer unauffälligen Autobahn-Raststätte bei Belgrad, er selbst schmuggle keine Waffen. Er kenne aber Leute, die Gewehre, wie sie bei den Anschlägen von Paris benutzt worden seien, liefern könnten.

Über Jahrzehnte waren Bomben bevorzugte Waffen von Extremisten in Europa. Die Attentate französischer und belgischer Islamisten haben jedoch das Problem des Waffenschmuggels im Herzen Europas in den Fokus rücken lassen. Seit Jahren schon ist er eine Domäne von Banden aus der Balkanregion, die Kriminelle in Westeuropa beliefern.

Wo genau die Attentäter von Paris ihre Waffen bekamen, ist noch unklar. Zumindest von einigen ist inzwischen aber bekannt, dass sie in den 80er Jahren in Belgrad hergestellt und an die jugoslawische Armee geliefert wurden. Immer mehr finden offenbar den Weg in die Hände von Extremisten.

„Es gibt viele Ecken und Verstecke in einem Auto oder einem Laster, wo man zerlegte Waffen verstecken kann“, sagt Nemac, dessen Spitzname „der Deutsche“ bedeutet. Beispielsweise im Tank. Sein Partner Milan holt eine Preisliste hervor: Bis zu 700 Euro für ein Sturmgewehr vom Typ AK-47 (Kalaschnikow) aus jugoslawischer Fertigung. Albanische Modelle oder chinesische aus der Zeit der maoistischen Regierung in Tirana sind billiger. „Waffen mit Schalldämpfern kosten mehr, auch kleine Maschinenpistolen, die man leichter verstecken kann“, sagt er. „Pistolen sind ziemlich billig, etwa 150 Euro das Stück.“

Von der Bombe zum Sturmgewehr

Die terroristische Bedrohung komme aus der Grauzone zwischen Terrorismus und schwerer Kriminalität, sagte Rob Wainwright, Chef der Polizeibehörde Europol. Er warnte erst kürzlich, dass mit weiteren Anschlägen gerechnet werden müsse, bei denen Waffen benutzt würden, die aus kriminellen Netzwerken des Balkans in die Hände von Islamisten gelangten.

Die jüngsten Fälle zeigen die Tendenz: Im Mai des vergangenen Jahres erschoss ein aus Syrien zurückgekehrter Franzose mit einer Kalaschnikow vier Menschen im Jüdischen Museum von Brüssel. Auch beim Überfall auf die Redaktion von „Charlie Hebdo“ und einen Supermarkt in Paris im Januar kamen solche Sturmgewehre zum Einsatz. Der Mann, der im August offenbar in einem Thalys-Zug von Brüssel nach Paris ein Massaker anrichten wollte, hatte ebenfalls eine Kalaschnikow. Zuletzt schossen die Angreifer in der Pariser Konzerthalle Bataclan mit solchen Sturmgewehren um sich.

Die Politik reagiert mit einer Verschärfung der Waffengesetze. Der Besitz und der Verbleib von Waffen soll intensiver kontrolliert werden. Automatische Waffen sind für Privatpersonen ohnehin verboten. Doch legale Waffen sind offenkundig kaum das Problem, und den Waffenschmuggel kann man nach Ansicht von Nemac und Milan damit nicht in den Griff bekommen. Ein serbischer Polizist, der sich mit der Bekämpfung des Schmuggels befasst, verweist resigniert auf die große Menge an Waffen, die illegal gehandelt werden. Diese kommen zumeist aus alten Militärbeständen.

Mit acht Kalaschnikows im Auto nach Paris

Eine Woche vor den Pariser Anschlägen hatte Serbien mitgeteilt, dass Sicherheitskräfte des Landes zusammen mit französischen Kollegen einen Waffenhändlerring ausgehoben hätten. Kaum jemand nahm davon Notiz. Fast zur selben Zeit stoppten deutsche Polizisten ein Auto, dessen Fahrer aus Montenegro stammt. Sie fanden in dem Wagen acht Kalaschnikows, mehrere Faustfeuerwaffen und Sprengstoff. Im Navigationssystem des Autos war Paris als Ziel eingegeben. Die genauen Hintergründe sind unklar.

Diese Fälle sind nach Ansicht von Experten nur ein kleiner Ausschnitt. Die Leichtigkeit, mit der illegale Waffen in die EU kommen und dort im grenzenlosen Schengen-Raum kursieren, stellt die Behörden vor immense Probleme. Und während es schon unmöglich scheint, diesen Sumpf auszutrocknen, erwachsen mit neuer Technik neue Probleme. Längst lassen sich Waffen mit 3D-Druckern herstellen. Frankreich fordert bereits ein EU-weites Verbot der dazu notwendigen Programme.