Hat der IS eine Bombe an Bord der abgestürzten Maschine geschmuggelt? Aus Sicherheitskreisen heißt es: ja. Offiziell ist das nicht.
Ein Bombenanschlag der Extremistengruppe Islamischer Staat (IS) ist europäischen und amerikanischen Sicherheitsexperten zufolge wahrscheinlich die Ursache für den Absturz der russischen Passagiermaschine auf der Sinai-Halbinsel vom Sonnabend. Die vorhandenen Spuren deuteten darauf hin, dass der IS eine Bombe an Bord der Maschine geschmuggelt habe, erfuhr die Nachrichtenagentur Reuters aus Sicherheitskreisen.
Bei dem Absturz des Passagierflugzeuges kurz nach dem Start vom Urlaubsort Scharm el-Scheich am Roten Meer waren alle 224 Menschen an Bord getötet worden.
US-Regierung hält sich mit Vermutungen zurück
Einem CNN-Bericht zufolge schließen auch die US-Geheimdienste einen Anschlag nicht aus. „Es gibt ein eindeutiges Gefühl, dass es ein Sprengkörper war, der im Gepäck oder anderswo im Flugzeug versteckt wurde“, zitierte der Sender einen namentlich nicht genannten Vertreter der US-Regierung. Es gebe aber bislang keine belastbaren oder bestätigten Geheimdienstberichte für eine spezifische Bedrohung vor dem Absturz.
Die US-Regierung vermied es, die Vermutung der Geheimdienste öffentlich zu nähren. „Es wäre zum jetzigen Zeitpunkt nicht hilfreich, unsere eigenen Ansichten oder Meinungen in die Ermittlungen einfließen zu lassen“, sagte Außenamtssprecher John Kirby. Mitarbeitern der Regierung würde von Reisen auf die Sinai-Halbinsel aus Sicherheitsgründen zwar abgeraten. Diese Empfehlung beruhe aber auf keinen neuen Informationen, sondern auf bereits bekannten Bedrohungen.
Experten untersuchen Flugzeugabsturz
„Sprengkörper ist signifikante Möglichkeit“
Die britische Regierung war da weniger zurückhaltend. Außenminister Philip Hammond erklärte, er gehe nach der Auswertung verschiedener Quellen davon aus, dass eine Bombe an Bord die Flugzeugkatastrophe ausgelöst haben könnte. Ein Sprengkörper sei eine „signifikante Möglichkeit“ als Ursache, sagte Hammond am Mittwochabend in London. Die Regierung hatte alle Flüge von Scharm el-Scheich nach Großbritannien vorerst gestoppt. Auch Irland ließ vorerst keine Flugzeuge mehr von und nach Scharm el-Scheich fliegen. Aus Deutschland wurden zunächst keine Einschränkungen des Luftverkehrs bekannt.
Die Maschine war über der Sinai-Halbinsel abgestürzt. Die Region ist seit Monaten Schauplatz erbitterter Auseinandersetzungen zwischen ägyptischen Sicherheitskräften und aufständischer Islamisten. Es ist das schwerste Unglück in der Geschichte der russischen Luftfahrt.
Russland will Suche am Unglücksort einstellen
Russland will die Suche nach weiteren sterblichen Überresten der 224 Opfer am Unglücksort am Donnerstagabend einstellen. „Wir haben bisher 33 von 40 Quadratkilometern geprüft“, sagte Zivilschutzchef Wladimir Putschkow am Donnerstagmorgen. Zur besseren Übersicht über das Trümmerfeld würden auch Drohnen sowie Weltraum-Satelliten eingesetzt. Mehrere Bergungsteams mit insgesamt 82 Helfern aus Russland seien auf der Sinai-Halbinsel im Dienst. Die Untersuchungen am Wrack, die Aufschluss über die Ursache der Katastrophe geben sollen, würden auf unbestimmte Zeit fortgesetzt, sagte Putschkow.
Russland trauert um 224 Tote bei Absturz auf dem Sinai
Zum jüngsten Verdacht der Behörden in London und Washington, dass ein Sprengsatz den Absturz am Samstag verursacht haben könnte, äußerte sich die Führung in Moskau zunächst nicht. Ein namentlich nicht genannter Experte sagte der russischen Zeitung „Kommersant“, er halte die von Ägypten geäußerte Theorie eines explodierten Triebwerks für unwahrscheinlich. „Die Detonation wäre vermutlich nicht so stark, um die Maschine zum Absturz zu bringen“, sagte er dem Blatt.
Mindestens 9000 Briten sitzen in Ägypten fest
Nach dem Stopp aller Flüge zwischen Großbritannien und Scharm el Scheich sitzen nach Angaben des britischen Verbands der Reiseanbieter mindestens 9000 Briten in der ägyptischen Urlaubsregion fest. „Aber es wird auch eine Anzahl Urlauber geben, die unabhängig gereist sind“, heißt es in der Mitteilung des Verbandes Abta in der Nacht zum Donnerstag. Am Vorabend hatten Medien von 15 000 und sogar 20 000 Briten in der Region berichtet.
Die Fluggesellschaften Easyjet, Thomson Airways, Thomas Cook und British Airways haben nach eigenen Angaben ihre Flüge zu dem Flughafen gestrichen oder aufgeschoben. Am Mittwochabend hatte der britische Außenminister von allen nicht notwendigen Reisen zu dem oder über den Flughafen abgeraten, allerdings nicht vom Urlaub in der Region am Roten Meer allgemein.
Flugschreiber wird derzeit ausgewertet
Ägyptens Außenminister Samih Schukri sagte auf die Frage, ob er einen Terroranschlag für möglich halte, das müsse die Untersuchung klären. Vorschnelle Urteile oder Maßnahmen könnten negative Auswirkungen auf eine große Zahl von Ägyptern haben, die von der Tourismusindustrie lebten.
Russisches Flugzeug auf dem Sinai abgestürzt
In Ägypten werden derzeit die Flugschreiber ausgewertet. Wie das Ministerium für zivile Luftfahrt mitteilte, konnten die Informationen vom Datenrekorder sichergestellt werden. Der Stimmenrekorder, der Tonaufnahmen der Gespräche von Pilot und Copilot sowie weitere Geräusche im Cockpit speichert, sei jedoch zum Teil beschädigt, hieß es. Russland bestätigte die Angaben, wonach der Stimmenrekorder des Airbus A321 beschädigt sei. Hingegen seien die Informationen vom Flugschreiber an Ermittler weitergegeben worden, teilte eine Untersuchungskommission der Agentur Interfax zufolge in Moskau mit. Hier müsse noch einiges getan werden, bevor die Daten extrahiert werden könnten. Bergungsteams weiteten die Suche am Unglücksort deutlich aus. (dpa/Reuters)