Moskau/Kairo. Nach dem Absturz eines russischen Urlauber-Fliegers mit 224 Toten geht die Suche nach der Ursache weiter

Die in Ägypten abgestürzte russische Passagiermaschine ist laut Moskauer Behörden vermutlich während des Flugs auseinandergebrochen. „Die Zerstörung ist in der Luft geschehen. Aber es ist zu früh für Schlussfolgerungen“, sagte Viktor Sorotschenko von der Untersuchungskommission am Sonntag. Auf der Sinaihalbinsel seien die Trümmer des Airbus A321 auf einer Fläche von 20 Quadratkilometern verstreut.

Bei dem Unglück waren 224 Menschen gestorben, darunter sieben Besatzungsmitglieder. Das Flugzeug, ein Airbus A321, war nach dem Start in Scharm al-Scheich am Samstag vom Radar verschwunden. Die meisten Fluggäste der Maschine nach St. Petersburg waren russische Urlauber.

Bergungskräfte suchten am Sonntag in dem Trümmergebiet weiter nach Leichen. 163 Tote, darunter ein dreijähriges Kind, das acht Kilometer von dem Wrack entfernt lag, wurden nach Kairo geflogen und dort in einer Leichenhalle aufgebahrt.

Die Regierungen in Kairo und Moskau traten derweil Spekulationen entgegen, die Zivilmaschine könnte von Terroristen abgeschossen worden sein. Am Samstag hatte der „Islamische Staat“ in einer Internetbotschaft behauptet, das Flugzeug mit „über 200 russischen Kreuzrittern“ sei von „den Soldaten des Kalifates“ über dem Sinai zerstört worden.

Ägyptens Premier Scherif Ismail versicherte, die Terroristen auf dem Sinai besäßen keine Raketen, die einem Flugzeug in 9450 Meter Höhe gefährlich werden könnten. Auch Russland nannte einen angeblichen Abschuss über Ägypten unwahrscheinlich.

Die großen Fluggesellschaften wie Lufthansa, Air France-KLM und Emirates wiesen ihre Piloten dennoch an, vorerst nicht mehr den Sinai zu überqueren. Die amerikanische Luftaufsicht hatte bereits im Frühjahr allen US-Gesellschaften empfohlen, über dem Gebiet eine Mindestflughöhe von 8000 Metern einzuhalten. Die bergige und zerklüftete Absturzregion Jabal Halal etwa 100 Kilometer südlich der Provinzhauptstadt al-Arisch gilt als Rückzugsgebiet für Terroristen.

Erste Berichte, wonach der Pilot der Flugsicherung ein technisches Problem meldete und um Erlaubnis für eine Notlandung bat, wurden vom ägyptischen Luftfahrtminister Mohamed Hossam Kamal später dementiert. Nach seinen Worten war der Funkverkehr mit dem Boden völlig normal, bis er plötzlich abbrach.

Stimmenrekorder und auch der zweite Flugschreiber wurden inzwischen geborgen und sollen so schnell wie möglich ausgewertet werden. Bekannt ist, dass die Maschine schlagartig an Geschwindigkeit verlor und innerhalb von Minuten aus ihrer Reiseflughöhe zu Boden gestürzt ist.

Zum Zeitpunkt des Unglücks herrschte über dem Sinai gutes Wetter. Die russische Nachrichtenagentur RIA Novosti berichtete, die Besatzung habe letzte Woche über Schwierigkeiten mit einem Triebwerk geklagt.

Die Frau des Kopiloten erklärte gegenüber russischen Medien, ihr Mann habe vor Abflug am Telefon gesagt, der technische Zustand des 18 Jahre alten Airbus lasse sehr zu wünschen übrig. Die Unglücksmaschine gehörte der kleinen russischen Fluggesellschaft Kogalymavia, die ihren Sitz in der sibirischen Stadt Tjumen hat.

Für den ägyptischen Tourismus könnte der Absturz einen weiteren schweren Rückschlag auslösen. Die russischen Badegäste waren im vergangenen Jahr 2014 mit gut drei Millionen Menschen die größte Gruppe unter den ausländischen Urlaubern. Dagegen stagniert die Zahl der westlichen Touristen wegen mehrerer Terroranschläge und der derzeitigen autoritären Regierung im Land. Reisebüros in Russland locken mit extrem günstigen Pauschalangeboten. Eine Woche Ägypten mit Flug und Vollpension ist für russische Kunden bereits für 400 bis 500 Euro zu haben.

In der Unruheregion Nordsinai herrscht nächtliche Ausgangssperre

Während Strände und Feriengebiete im Süden des Sinai gut gesichert sind, verüben im Norden der Halbinsel selbst ernannte Gotteskrieger, die sich zum „Islamischen Staat“ zählen, nahezu täglich schwere Anschläge auf Polizisten und Soldaten. In der Unruheregion Nordsinai herrscht seit Oktober 2014 Kriegsrecht mit nächtlicher Ausgangssperre.

In Russland herrschte am Sonntag Staatstrauer, die Fahnen am Kreml hingen auf halbmast. Dass dennoch Menschen im Stadtzentrum von Sankt Petersburg ausgelassen Halloween feierten, stieß auf öffentliche Empörung. Auch das Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche entsetzte sich über die Halloween-Party und betete, dass „unser Staat ausreichend Festigkeit zeigt, um solche Erscheinungen künftig zu verbieten“.