Kairo/Frankfurt. So lange die Ursache nicht geklärt ist, ändern einige Airlines die Routen. Behörden finden zweiten Flugdatenschreiber.

Nach dem Absturz eines voll besetzten russischen Urlaubsfliegers auf der Sinai-Halbinsel wurde nun auch der zweiten Flugdatenschreiber gefunden. Die erste Black Box war etliche Stunden zuvor bereits entdeckt worden. Die Auswertung der Daten dauert an. Bei dem Absturz sind 224 Menschen getötet worden, darunter 24 Kinder. Niemand habe überlebt, erklärten die russische Botschaft in Kairo und ägyptische Behörden.

Der Airbus auf dem Weg nach St. Petersburg war kurz nach dem Start im Badeort Scharm el Scheich vom Radar verschwunden. Die meisten Fluggäste waren russische Urlauber. Die Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) behauptet, für den Absturz verantwortlich zu sein. Die ägyptischen Behörden dagegen gehen nach Angaben aus Sicherheitskreisen von einem technischen Defekt aus, ein Terroranschlag wurde ausgeschlossen.

Lufthansa und Air France ziehen Konsequenzen aus der Katastrophe und umfliegen das Gebiet. So lange die Absturzursache nicht geklärt sei, werde die ägyptische Halbinsel aus Sicherheitsgründen umflogen, sagte eine Lufthansa-Sprecherin und bestätigte damit einen Bericht der Tageszeitung „Die Welt“. Auch die französische Fluggesellschaft Air France fliegt vorerst nicht mehr über das Gebiet. Dieser Luftraum werde vorsorglich vermieden, bestätigte am Sonnabend eine Sprecherin von Air France. Die Zone werde „bis auf Weiteres“ umflogen, sagte sie.

Der Kontakt zu dem verunglückten Airbus sei bereits 23 Minuten nach dem Start abgerissen, erklärte das ägyptische Luftfahrtministerium am Sonnabend. Gerüchte, wonach der Pilot versucht haben soll, in Al-Arisch im Norden des Sinai notzulanden, wurden von offizieller Seite zunächst nicht bestätigt. Das Flugzeug war in einer Unruhe-Region zerschellt, in der auch Anhänger des IS operieren. Rettungskräfte fanden Trümmerteile des Airbus 321 in der Gebirgsregion nahe dem Al-Arisch-Flughafen, wie die ägyptische Flugunfallbehörde mitteilte.

Die Behauptung des IS, für den Absturz von Flug KGL 9268 verantwortlich zu sein, stößt bei Beobachtern und Experten auf Skepsis. Die Maschine sei bereits zu hoch geflogen, um von den Waffen getroffen zu werden, die den Extremisten dort bekannterweise zur Verfügung stünden, twitterte etwa Nahost-Experte Charles Lister von der US-Denkfabrik Brookings. Eine Bombe im Flugzeug erwähnt die IS-nahe Internetseite in dem angeblichen Bekennerschreiben nicht.

24 Kinder kamen ums Leben

Laut Agentur Interfax befanden sich an Bord 217 Passagiere und 7 Besatzungsmitglieder. Bei dem Unglück kamen den Behörden zufolge 24 Kinder ums Leben. Die meisten Opfer seien Russen, einige andere Passagiere stammten vermutlich aus der Ukraine und aus Weißrussland, hieß es. Ministerpräsident Dmitri Medwedew nannte den Tod der 224 Menschen einen „nicht gutzumachenden Verlust“. Die Regierung in Moskau erklärte diesen Sonntag zum Tag der Trauer.

Psychologen betreuten die Hinterbliebenen am Flughafen von St. Petersburg, wo der Airbus um die Mittagszeit hätte landen sollen. Die Behörden zufolge sollen die Angehörigen an der Unglücksstelle auf der Sinai-Halbinsel Abschied nehmen können. Ein Großteil der Region ist wegen Terrorgefahr allerdings Sperrgebiet.

Die russische Fluggesellschaft Kolavia als Besitzer der Unglücksmaschine schloss menschliches Versagen als Grund für den Unfall aus. Mit 12.000 Flugstunden sei der Pilot sehr erfahren gewesen. Die Maschine habe über alle nötigen Zertifikate verfügt, sagte ein Sprecher. Der mehr als 18 Jahre alte Airbus hatte Moskauer Medien zufolge seit 1997 mehrere Besitzer, unter anderem im Libanon. Flug 9268 wurde vom Subunternehmen MetroJet durchgeführt.

Flugschreiber wird ausgewertet

Die russische Justiz ordnete Ermittlungen an. Flugschreiber und Stimmenrekorder würden nach Bergung in Moskau ausgewertet, hieß es. Der russische Katastrophenschutz bereitete den Abflug von fünf Maschinen mit Bergungsmannschaften vor.

Außenminister Frank-Walter Steinmeier übermittelte der russischen Bevölkerung sein Beileid: „Unsere Gedanken sind jetzt bei all denen, die durch dieses tragische Unglück so plötzlich ihre Liebsten verloren haben“, sagte er in Berlin. „Ich möchte in diesen schweren Stunden der ganzen russischen Bevölkerung mein aufrichtiges Beileid aussprechen.“

Der russische Wetterdienst Rosgidrometa teilte mit, in der Region hätten keine schwierigen Flugbedingungen geherrscht. „Es gibt etwas Bewölkung, die Sicht beträgt sechs bis acht Kilometer“, sagte ein Mitarbeiter.

Branchenberichten zufolge besuchten im vergangenen Jahr etwa drei Millionen Russen Ägypten - dies sei die größte ausländische Gruppe gewesen, hieß es. Reisebüros locken mit günstigen Pauschalangeboten und dem guten politischen Verhältnis zwischen Kairo und Moskau. Da westliche Touristen wegen mehrerer Terroranschläge und der derzeitigen autoritären Regierung das Land meiden, sind russische Gäste für die ägyptische Tourismusbranche von großer Bedeutung.