Louisville . Gerade ging der Rechtsstreit um das Lied “Happy Birthday“ durch die Medien - da wird das Manuskript in einer Abstellkammer entdeckt!

Eigentlich wollte James Procell nur aufräumen. Seit Jahren wusste der Direktor der Musikbibliothek der University of Louisville in Kentucky von dem Ordner mit der Aufschrift „Mildred Hill“ und darin wähnte er Zeitungsausschnitte. Die Kindergärtnerin, 1859 in Louisville geboren, hatte mit ihrer Schwester ein paar Songs geschrieben - und die Urfassung von einem fand Procell auf vergilbten Seiten in dem Ordner. „Ich konnte es erst nicht fassen“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. „Aber ich hielt wirklich das 120 Jahre alte Manuskript von "Happy Birthday" in der Hand.“

„Happy Birthday To You“ ist das vielleicht meistgesungene Lied der Menschheit, vor jedem „Ave Maria“ und „Freude schöner Götterfunken“ und auch vor allen Elvis- und Beatles-Songs. Es vergeht keine Sekunde, in der es nicht irgendwo auf der Erde gesungen wird und im Weltall erklang es auch schon. Und Marylin Monroes dahingehauchtes „Happy Birthday, Mr. President“ für John F. Kennedy war 1962 ein Skandal und ist heute ein Stück Kulturgeschichte.

„Erste Fassung“

„Es ist das einzige Manuskript, das wir kennen, und es ist ein sehr, sehr frühes, von Anfang der 1890er Jahre“, sagt Procell. „Und es ist die Handschrift von Mildred Hill.“ Die hatte für ihre Kinder im Kindergarten ein paar einfache Songs geschrieben, in dem 45-seitigen Manuskript sind etwa 30. Und mit dabei: „Good Morning To You“.

„Das war die erste Fassung“, erklärt der Bibliothekar. „Später wurde daraus der Geburtstagsgruß.“ Die niedergeschriebene Melodie ist aber nicht ganz die, die man heute kennt. „Wir vermuten, dass sie das Lied bei den Kindern ausprobierte und dann etwas anpasste, damit es von den Kleinen besser gesungen werden konnte.“

Rechte bei Warner

Die Rechte für den Song liegen bei Warner, der an Lizenzgebühren 5000 Dollar kassiert - pro Tag. Jeder darf das Lied zwar singen, wird es aber als CD, Klingelton oder einem Spielzeug vermarktet, klingelt bei dem Musikriesen die Kasse. In den USA wird gerade ein gerichtlicher Streit geführt, ob das überhaupt rechtens ist bei einem solch alten Lied. Der Fund von Kentucky wird den Prozess aber kaum beeinflussen.

Der Ordner war der Bibliothek schon in den 1950er Jahren hinterlassen worden, aber offenbar hatte nie jemand richtig reingeschaut. Die erste Seite des Manuskripts fehlt auch, weshalb Fragen unbeantwortet bleiben. „Auf jeden Fall ist das aber ein kulturgeschichtlicher Schatz“, sagt der sonst nüchterne Bibliothekar feierlich. Im nächsten Jahr ist der 100. Todestag Hills. „Das traurige ist“, sagt Procell, „dass sie keine Ahnung hatte, dass ihr kleines Kindergartenlied einmal der vielleicht meistgesungene Song der Welt wird.“

"Happy Birthday" - eines der lukrativsten Lieder der Welt

Irgendwo auf der Welt singt immer gerade jemand „Happy Birthday“ – auf Englisch, Finnisch, Arabisch, Japanisch oder Deutsch. Sogar ins Klingonische, die erfundene Sprache der Außerirdischen im „Star Trek“-Universum, ist das Lied schon übersetzt worden. Aber egal, wie weit es verbreitet sein mag, es befindet sich im Besitz des US-Labels Warner Music Group. Zwar darf man „Happy Birthday“ bei der Geburtstagsfeier Zuhause kostenlos singen. Aber sobald das öffentlich oder zu kommerziellen Zwecken geschieht, gilt das Urheberrecht, und es muss gezahlt werden – an Warner Music.

Die Firma nimmt jedes Jahr rund zwei Millionen Dollar an Lizenzgebühren ein. Mit 5000 Dollar am Tag gilt „Happy Birthday“ als eins der lukrativsten Lieder der Welt. Spielzeughersteller, Klingeltonprogrammierer, Restaurantketten und sogar die Pfadfinder haben zwischen 500 und Zehntausende Dollar für die Lizenz gezahlt. Wegen der hohen Kosten vermeiden viele Filmemacher und Theaterleute das Lied lieber ganz.

„Das ist schon immer so ein Witz in der Filmindustrie gewesen“, erklärt Filmemacherin Jennifer Nelson der Deutschen Presse-Agentur. „Da warnt dich dein Chef: Nimm das Geburtstagslied nicht auf, sonst musst du dafür zahlen!“ Die in New York ansässige Regisseurin drehte gerade einen Dokumentarfilm über die Herkunft von „Happy Birthday to You“ – und hatte 1500 Dollar für die Nutzerlizenz gezahlt, als sie einen Artikel des Rechtswissenschaftlers Robert Brauneis fand, der das Urheberrecht für ungültig befand.

Gehört der Song der ganzen Welt?

2013 entschied sie sich, mit zwei anderen Künstlern vor Gericht zu ziehen: einer Musikerin, die eine Lizenz brauchte, um „Happy Birthday to You“ auf einem Live-Album aufzunehmen, und ein Regisseur, der nach einem Film von einer Rechnung über 3000 Dollar überrascht wurde. Das Künstlertrio behauptet, dass „Happy Birthday to You“ der ganzen Welt gehört, nicht einer Firma. „Es ist so ein großer Teil unseres Lebens,“ sagt Nelson. „Der Gedanke, dass du dafür zahlen sollst, oder dass es irgendjemandem gehört, ist einfach nicht o.k.“

Zunächst argumentierten die Drei, dass eine 1963 vorgenommene Erneuerung des ursprünglichen Urheberrechts von 1935 ungültig war. Dann fanden sie vor einem Monat den möglicherweise schlagenden Beweis. In einem Liederbuch von 1922 war „Happy Birthday to You“ ohne urheberrechtlichen Schutz veröffentlicht worden. Nach US-Recht waren damit alle späteren Ansprüche ungültig.

Auf eine Anfrage hat Warner bisher nicht geantwortet. Doch schon in der Vergangenheit betonte die Firma den Medien gegenüber immer wieder, das vor Jahrzehnten erworbene Urheberrecht sei gültig. In den USA galt der Schutz des geistigen Eigentums damals aber nur für 70 Jahre. Werke aus den 20er-Jahren sind deshalb jedem frei zugänglich.

Ursprünglich "Godd Morning to You"

Die Ursprünge von „Happy Birthday to You“ gehen auf die von Deutschen beeinflusste Kindergartenbewegung in den USA vor mehr als einem Jahrhundert zurück. 1893 komponierte die Musikerin Mildred Hill aus Kentucky zusammen mit ihrer Schwester, der Kindergärtnerin Patty, das Lied, das ursprünglich „Good Morning to You“ („Ich wünsche dir einen Guten Morgen“) hieß. Mit seiner einfachen Melodie, die Kinder leicht behalten und jeden Morgen singen konnten, sollte es im Unterricht als Lernmittel genutzt werden. Weil er nur aus sechs Wörtern bestand, konnte man den Text leicht zu verschiedenen Anlässen wie Feiertagen und Geburtstagen verändern, wie Brauneis herausfand.

Populär gemacht wurde das Lied schließlich auf einer Geburtstagsfeier in Louisville, im US-Staat Kentucky, wo die Gäste der Deutsch-Amerikanerin Lisette Hast ein Ständchen mit dem „Happy Birthday“-Text brachten. Das behauptet zumindest die offizielle Geschichte des „Little Loomhouse“, einem historischen Weberhaus aus dem 19. Jahrhundert, wo die Feier stattfand. Wenige Jahrzehnte später war das Geburtstagsständchen fester Teil der amerikanischen Kultur. Es wurde für das erste singende Telegramm genutzt und als erstes Lied im All gesungen. Missionare aus Kentucky brachten es erst nach Europa, von wo es sich dann auf der ganzen Welt verbreitete, erklärt Nelson. „Es ist das Lied aller Menschen.“

Die Filmemacherin hofft auf eine Entscheidung des US-Gerichts bis zum Jahresende. In Deutschland hat sich die Sache bald ohnehin erledigt. Laut der Verwertungsgesellschaft Gema ist „Happy Birthday to You“ hier nur noch bis Ende 2016 geschützt.