Moneta . Fühlte sich Vester Flanagan missverstanden? Was im Kopf des Todesschützen vorging, bleibt sein düsteres Geheimnis.

So wirklich rund lief es für Vester Flanagan in seiner Karriere als TV-Journalist nicht. Die ständigen Wechsel von einem Arbeitgeber zum nächsten lassen weniger auf eine Karriere als Durchstarter als auf krampfhafte Mühen eines Querkopfs schließen, der im Umgang nicht immer leicht gewesen sein soll. Die meisten US-Sender verlies Flanagan nach einigen Jahren wieder - oft nicht auf gutem Fuß mit Kollegen und Vorgesetzten. Solch ein Streit kostete nun die zwei Journalisten des Senders WDBJ7 in Virginia das Leben.

Nett, wenn auch teils etwas albern und abgehoben sei er während seiner zwei Jahre beim Sender WTOC in Savannah (Georgia) gewesen, erinnert sich Anchorfrau Dawn Baker. Doch der bei San Francisco aufgewachsene Hochschulabsolvent habe sich gegen Vorgesetzten gesträubt und fragwürdigen Journalismus betrieben.

"Eigenartiges Verhalten"

Auf Sendung sei Flanagan, der sich dem Fernsehpublikum später als Bryce Williams vorstellte, ein guter Reporter gewesen, meint TV-Direktor Don Shafer. Er hatte Flanagan im Jahr 2000 in Florida eingestellt. Schon bald seien die Dinge „etwas seltsam“ geworden: Noch im selben Jahr kündigte Shafer dem neuen Mitarbeiter wegen „eigenartigen Verhaltens“. Immer wieder soll es zum Streit mit Kollegen gekommen sein. „Wir mussten ihn loswerden“, sagt Shafer.

Was immer bei dem Sender vorfiel, wollte der Afroamerikaner nicht auf sich sitzen lassen. In einer Klage warf er mehreren Ex-Mitarbeitern rassistische Bemerkungen vor, unter anderem soll ein Producer ihn einen „Affen“ genannt haben. Der Streit wurde außergerichtlich beigelegt. Als er 2012 bei WDBJ7 startete, winkten ein Jahresgehalt von 36 000 Dollar und ein spannender, herausfordernder Posten.

"Er vertrug keine Kritik"

Doch wegen mangelnder Kritikfähigkeit und möglicherweise auch einer Portion Selbstüberschätzung lag er auch mit seinen neuen Kollegen bald über Kreuz. „Er vertrug keine Kritik und nahm sie persönlich“, sagt seine Ex-Mitarbeiterin LaRell Reynolds. Nach nur zwei Monaten wurde in seiner Personalakte festgehalten, dass seine Kollegen sich durch ihn „bedroht und unwohl“ fühlen. Weitere zwei Monate später wurde ihm wegen aggressiven Auftretens mit der Kündigung gedroht.

Auch mit seinen journalistischen Leistungen ging es bergab, schlechte Bewertungen seiner Vorgesetzten füllten seine Akte. Ende 2012 war in einem Papier von „zu wenig tiefgründiger Berichterstattung, schwacher Leistung auf Sendung“ sowie schlechtem Zeitmanagement die Rede. Statt kritisch zu denken, übernehme er Pressemitteilungen ungefiltert in seine Berichte und habe immer wieder Probleme mit Kameraleuten. Dass er dünnhäutig auf Kritik reagierte, machte die Sache nur schlimmer.

Abschied mit ausgestrecktem Mittelfinger

Dann kam die Kündigung. Gegen die wehrte er sich so vehement, dass er schließlich von der Polizei aus der Redaktion geführt werden musste. Die Szene war so dramatisch, das der am Mittwoch getötete Adam Ward eine Kamera nahm und den Gekündigten filmte. Der verabschiedete sich von seinen Kollegen mit dem ausgestreckten Mittelfinger und reichte erneut Klage wegen angeblichem Rassimsus ein - erneut ohne Erfolg.

War der 41-jährige Todesschütze von Virginia überheblich, strebte er gar deshalb vor die Kameralinse? Hatte er daher Fotos von sich selbst am Kühlschrank kleben, in einem sonst spärlich eingerichteten Apartment für 600 Dollar im Monat? Eine „Attitüde“ habe er gehabt, sagt ein Nachbar. Anwohner hätten sich beschwert, wie er morgens im Mustang davonbrauste. Sie hätten ihn einen „jerk“ genannt - einen Idioten, einen Trottel.