Moneta. Offenbar zog ein frustrierter Ex-Kollege die Waffe - und hielt den Vorfall auf einem Video fest. Es gibt erste Hinweise auf das Motiv.

Das Frühstücksfernsehen startet gerade in den Tag, als Zuschauer in Virginia die Todesschüsse auf zwei Menschen live am Bildschirm mitverfolgen. Für einen Beitrag des Lokalsenders WDBJ7 schwenkt der Kameramann über ein Einkaufszentrum im kleinen Ort Moneta, eine Frau beantwortet Fragen zum Thema Tourismus. „Sprechen Sie darüber, warum es wichtig ist, diese Unternehmensführer mit ins Boot zu holen“, sagt Reporterin Alison Parker. Die Interviewte: „Die Menschen hier sollen sagen, dass...“ Dann fallen Schüsse, die Frauen gehen schreiend zu Boden. Kurz darauf ist das Fernsehteam tot.

Angeblich soll es ein frustrierter, ehemaliger Angestellter des Senders sein, der mindestens achtmal auf die 24-jährige Journalistin Parker und den drei Jahre älteren Filmer Adam Ward feuert. Als sei der Vorfall nicht erschreckend genug, taucht kurze Zeit später ein Video im Internet auf, möglicherweise mit einer Helmkamera aufgenommen. Wieder sind die beiden Frauen beim Interview zu sehen, diesmal aus anderer Perspektive. Der Filmer nähert sich lautlos von hinten, schließlich taucht eine Pistole im Bild auf. „Die Menschen hier sollen sagen, dass...“ Dann drückt der Schütze den Abzug.

Bald kursiert der Name eines Journalisten, der bei WDBJ7 im Einsatz war - bis der Sender ihn kündigte. „Für viele war er ein sehr schwieriger Mitarbeiter“, sagt Geschäftsführer Jeff Marks gegenüber „Fox News“. Er spricht von „Wut“ und von Streitereien mit Parker und Ward. Möglicherweise war Rassismus im Spiel. Der mutmaßliche Schütze ist Fotos zufolge Afroamerikaner, das erschossene TV-Duo ist weiß. In einem Manifest sagt der mutmaßliche Schütze auch dem weißen Schützen des offenbar rassistisch motivierten Kirchenmassakers in Charleston, Dylann Roof, den Kampf an.

39 Journalisten kamen dieses Jahr weltweit ums Leben, resümiert das New Yorker „Committee to Protect Journalists“ (CPJ) nach der Tat. Anders als in Krisengebieten wie Syrien und dem Südsudan sind solche tödlichen Angriffe in den USA allerdings äußerst selten - seit 1992 sind dem CPJ nur Todesfälle von fünf Journalisten bekannt.

Doch die sogenannten Shootings sind in den USA trauriger Alltag. Kaum ein Monat vergeht ohne Berichte über Schüsse - an Schulen, Colleges und Universitäten, in Kinos, auf Parkplätzen und vor Einkaufszentren. Manchmal entpuppen sich diese Berichte als falsch, manchmal gibt es mehrere Verletzte oder Tote. Dann folgt eine Debatte über die laxen Waffengesetze, unzureichende Sicherheitsmaßnahmen oder die teils überforderte Polizei - bis das Ganze von vorn beginnt.

Auch für Tausende US-Journalisten zählen die blutigen Vorfälle zum Tagesgeschäft. Meist beginnt die Berichterstattung mit ein paar knappen Zeilen im Netz, mit dem Tweet eines Lokalsenders oder mit einem kurzen Statement der Polizei. Erst nach und nach kommen Details ans Licht. Am Ende der Geschichte stehen unschuldige Opfer: Zivilisten, Angestellte, Angehörige des Militärs, Eltern, Kinder - doch aus Sicht der Reporter immer „die anderen“.

Auch deshalb sitzt der Schock beim Sender WDBJ7 tief. Als das Bild direkt nach dem Vorfall zu Nachrichtensprecherin Kimberly McBroom wechselt, starrt sie nur mit offenem Mund in die Kamera. Kurz darauf muss Geschäftsführer Marks am Newsdesk mit zitternder Stimme den Tod seiner beiden Mitarbeiter verkünden. Im Studio hört man Kollegen weinen. „Wir sollten jetzt vermutlich zum normalen Programm wechseln“, sagt Marks später.

Verschlimmert wird der tragische Vorfall durch die engen Beziehungen der Mitarbeiter des kleinen Lokalsenders. Die mit Kameramann Ward verlobte Producerin des Senders verfolgt die Schüsse auf ihren Partner live am Bildschirm im Kontrollraum mit. Der mit Parker liierte Anchormann Chris Hurst twittert ein Foto von ihm und der Journalistin. Er schreibt: „Wir waren sehr verliebt. Wir sind gerade zusammengezogen.“ Und: „Wir wollten heiraten.“ Parker hatte erst vergangene Woche ihren 24. Geburtstag gefeiert.

Der mutmaßliche Schütze versucht, sich nach einer wilden Verfolgungsjagd mit der Polizei das Leben zu nehmen. Zunächst überlebt er schwer verletzt, dann erliegt er seinen Verletzungen. Marks hatte kurz vorher noch gesagt: „Wenn er stirbt, hat er den Ausweg eines Feiglings genommen.“