Kairo. Ihre Ruhestätte wurde nie gefunden. Untersuchung im Tal der Könige soll Theorie klären

Sie gilt als die berühmteste Ägypterin aller Zeiten. Ihre Büste steht als Meisterstück auf der Museumsinsel in Berlin. „Farben wie eben aufgelegt, Arbeit ganz hervorragend“, notierte der Berliner Grabungsleiter Ludwig Borchardt 1912 in seinem Tagebuch, als er den Kalksteinkopf der Nofretete, Gattin des Pharao Echnaton, in der Stadt Amarna freilegte. Nur ein gutes Jahrzehnt lang behauptete sich Amarna als Hauptstadt Ägyptens. Bereits in der Schlussphase Echnatons verschwand Nofretete aus den Inschriften. Ihr Grab wurde nie gefunden – bis heute eines der großen Mysterien der Ägyptologie.

Der britische Forscher Nicholas Reeves nun glaubt, dass Nofretetes Mumie seit 3300 Jahren ungestört mit in dem weltberühmten Grab des Tutanchamun im Tal der Könige liegt. Er ist überzeugt, dass die unterirdische Anlage größer ist als bisher bekannt. Seine spektakuläre These stützt Reeves auf hochauflösende Bilder und Scans, die die spanische Firma Factum Arte angefertigt hat. Sie dienten als Vorlage für den Bau einer originalgetreuen Replika neben dem noch erhaltenen Grabungshaus von Tut-Entdecker Howard Carter. Auf den Präzisionsscans, die Strukturen unter Putz und Bemalung sichtbar machen, fielen Reeves Linien und Schatten auf, die zugemauerte Öffnungen zu zwei zusätzlichen Felskammern sein könnten. Die westliche könnte weitere Grabbeigaben Tutanch­amuns enthalten, die nördliche das „ungeplünderte Grab“ der Nofretete, glaubt der renommierte Ägyptologe.

Nach seiner Theorie war die komplette Grabanlage ursprünglich für Nofretete gedacht. Die außergewöhnliche Frau sei nach dem Tod des „Ketzerkönigs“ Echnaton von Amarna nach Theben zurückgekehrt und Ägypten noch einige Jahre als Königin Smenkhkare regiert. Als ihr Stiefsohn und Nachfolger, der 19-jährige Tut, überraschend starb, habe man hastig die beiden vorderen Kammern zu dessen Grab umgewidmet, die hintere von Nofretete dagegen abgetrennt und zugemauert. „Wenn ich falsch liege, liege ich falsch. Aber wenn ich recht habe, könnte das vielleicht die größte archäologische Entdeckung aller Zeiten sein“, erklärte Reeves dem „Economist“.

Die Reaktion der Fachwelt blieb bisher abwartend. Durchaus denkbar, dass sich neben Tuts Grab noch weitere Räume befinden, meint der britische Ägyptologe Aidan Dodson. Doch damit sei noch lange nicht gesagt, dass Nofretete darin begraben sei. Auch die deutschen Archäologen winken ab. Die Risse könnten triviale Gründe haben, gibt der Direktor des Deutschen Archäologischen Instituts in Kairo, Stephan Seidlmayer, zu bedenken.

Diese Skepsis teilt auch der langjährige Kairoer Antiken-Zar Zahi Hawass, der schon so manchen wissenschaftlichen Strauß mit Reeves ausgefochten hat. Trotzdem wirkt der 68-Jährige dieser Tage wie elektrisiert, hat er doch selbst lebenslang davon geträumt, einen noch unentdeckten Schatz im Tal der Könige heben zu können. Auch sein Nachfolger an der Spitze der ägyptischen Antikenverwaltung, Mamdouh al-Damaty, will in dem weltweiten Medienrummel nicht abseits stehen. „Ich kann der Theorie von Reeves etwas abgewinnen“, erklärte er auf einer Pressekonferenz in Kairo. Man werde mit dem Forscher im September ein wissenschaftliches Symposium veranstalten und danach ausgesuchten Experten gestatten, per Radar das Tut-Grab auf dahinterliegende Hohlräume abzusuchen.

Reeves fiebert diesem Moment bereits entgegen. Sollte das Radar einen Hohlraum finden, verberge sich dahinter auch etwas Interessantes, ist er überzeugt. „Wir könnten an der Schwelle stehen zu etwas wirklich Überwältigendem. Wäre das nicht fantastisch für Ägypten? Eine neue Wendung in der Saga von Tutanchamun, das interessiert die ganze Welt.“