18 Namen in Stahl und Granit: Haltern erinnert mit zwei Gedenkstätten an seine Toten der Germanwings-Katastrophe.

Schon jetzt brennen am Fuß des massiven Granitblocks Grablichter, jemand hat eine Vase mit Rosen abgestellt. Auf dem Friedhof von Haltern am See, am Stadtrand in einem kleinen Waldstück gelegen, hat die Stadt eine Gedenkstätte für jene 16 Schüler und ihre zwei Lehrerinnen errichtet, die der Germanwings-Absturz am 24. März 2015 aus ihrer Mitte riss. Obwohl noch nicht mit offiziellem Akt der Öffentlichkeit übergeben, kommen die Bürger schon jetzt zum Erinnern und Anteilnehmen hierher.

Die Gedenkstätte für die Opfer der Flugkatastrophe vom 24. März,
Die Gedenkstätte für die Opfer der Flugkatastrophe vom 24. März, © dpa | Marcel Kusch

Genauso angenommen wird noch vor seiner Einweihung ein zweites Denkmal für Halterns Absturzopfer: Die Schüler des Joseph-König-Gymnasiums kommen jetzt täglich auf dem Schulhof an einer großen Gedenktafel für ihre Mitschüler und die Lehrerinnen vorbei. Beide Monumente suchen einen eigenen Weg des Erinnerns: Der eine als stiller Rückzugsort, der andere mitten im Leben.

„Das Unglück wird unsere Stadt immer begleiten“, sagt Halterns Bürgermeister Bodo Klimpel bei einem Besuch der Gedenkstätte, die die Stadt auf dem Kommunalfriedhof eingerichtet hat. Für Klimpel selbst ist die Anlage auch Ausdruck eines Versprechens, das er den Angehörigen gegeben hat: „Wir werden die Toten nicht vergessen.“

Das über geradlinige Wege begehbare und von lichten Hecken umsäumte Rasenfeld ist einem Klassenzimmer nachempfunden: 16 in Reihen angeordnete Zierapfelbäume stellen den Klassenverband dar. Vorne stehen zwei Bäume wie Lehrerinnen an der Tafel. Der große Gedenkstein ihnen gegenüber könnte ein Pult sein.

Die Gravur auf dem hellgrauen Granit ist zurückhaltend: Ein schlichtes Kreuz über den Namen der Toten, darunter eine schwarze Trauerschleife mit der Flugnummer 4U9525. „Das ist schließlich das Symbol, das um die Welt ging“, sagt Klimpel. Fünf Gräber mit frischen Sommerblumen grenzen direkt an die Gedenkfläche - fünf Familien der Absturzopfer entschieden, genau dort ihre Kinder zu beerdigen.

Nicht nur in der stillen Abgeschiedenheit des Friedhofs soll das Gedenken dauerhaft sichtbar bleiben: Mit einer stählernen Namenstafel am Aufgang zum Schulportal hat das Gymnasium ein eigenes Zeichen gesetzt. Die Namen der Toten sind in die mit feinem roten Rost überzogene Stahlplatte gestanzt, bilden die Lücke, die sich nicht schließen lässt.

Der 24. März hat aus dem Gymnasium einen anderen Ort gemacht: Viele Schüler verloren schlagartig gute Freunde und ihre Lehrerinnen. Viele kennen Familien, die nun trauern. Alle haben erlebt, wie sich Schock und Fassungslosigkeit über die Kleinstadt breiteten.

Diesen Erfahrungen ausreichend Raum zu geben und Schülern zu helfen, trotzdem zurückzufinden zu einer auch mal unbeschwerten Normalität, hat sich Schulleiter Wessel zur Aufgabe gemacht. Die Porträts der Verstorbenen hängen für alle sichtbar im Schulfoyer, ein Zimmer voller Andenken und Kondolenzschreiben steht als Rückzugsort offen.

18 Kirschbäume auf dem Schulhof und eine Blumenwiese rund um die neue Gedenktafel setzen Gegenpunkte zum rostigen Stahlmonument. „Gäbe es an unserer Schule keinen Raum für Trauer und Gedenken, hätte ich das Gefühl, die Kinder und ihre Lehrerinnen könnten viel zu schnell in Vergessenheit geraten“, begründet Schulleiter Ulrich Wessel.

Diese typische Angst, jemanden vorschnell zu vergessen, bestätigen Experten: „Orte und Symbole des Erinnerns haben eine ganz wichtige Funktion. Sie vermitteln das Gefühl: Jemand ist nicht vergessen und bleibt mir nah“, sagt Susanne Schaal. Die Psychotherapeutin aus Süddeutschland legt einen Schwerpunkt ihrer Arbeit auf Trauma- und Trauerbewältigung. „Gedenkstätten - zumal nach so einer Katastrophe - machen das Trauern gleichzeitig auch öffentlich“, sagt Schaal.

„Durch diese kollektive Trauer entsteht ein großes Solidaritäts- und Zusammengehörigkeitsgefühl, das auch den nahen Angehörigen helfen kann.“ Als Bremsklotz bei der Rückkehr zur Normalität will die Psychotherapeutin solche Orte nicht sehen: Im Gegenteil: „Das Vermeiden kann den natürlichen Trauerprozess verhindern.“

Auseinandersetzung statt bleierner Schwere wünscht sich auch Schulleiter Wessel. „Deswegen will ich auch, dass wir Bänke aufstellen in direkter Nähe zur Gedenktafel“, sagt er. „Da darf auch gelacht werden.“ (dpa)