Centennial. Geschworene konnten sich nicht auf Todesurteil einigen. Ohne Regung nahm Holmes das Strafmaß auf. Er hatte zwölf Menschen erschossen.

Der, um den alles geht, wirkt völlig ungerührt. Äußerlich reglos nimmt James Holmes das Urteil entgegen, das die Geschworenen am Freitag in Centennial bei Denver über ihn sprechen: Ein Leben im Gefängnis, ohne Chance auf vorzeitige Entlassung auf Bewährung. Aus Sicht vieler Hinterbliebener scheint es keine ausreichende Strafe zu sein für den Tod von zwölf Menschen, die Holmes nicht einmal kannte. Sie starben, als er vor drei Jahren mit Schrotflinte, Sturmgewehr und Pistole auf Menschen in einem Kino in der Stadt Aurora schoss. Das jüngste Opfer war die kleine Veronica. Sie wurde sechs Jahre alt.

Schockiert und fassungslos nehmen Freunde und Angehörige die Worte zur Kenntnis, die Richter Carlos Samour von Papier abliest, das die Geschworenen kurz zuvor in den Gerichtssaal gebracht hatten. Einige schluchzen, andere schütteln ungläubig den Kopf. Holmes' Mutter weint still, als sie bei den Verteidigern dem Ausgang des Prozesses gegen ihren Sohn lauscht. Ihr Mann legt den Arm um sie.

„Mir macht es nichts aus, dass er nicht die Todesstrafe bekommt“, sagt die Mutter der getöteten 24-jährigen Reporterin Jessica Ghawi. „Aber ich weiß, dass andere Angehörige sehr bestürzt sind.“ Die Uneinigkeit der Geschworenen ist es, die Holmes das Leben rettet - denn für die Todesstrafe wäre ein einstimmiges Urteil notwendig gewesen.

Von einem „unbeschreiblichen“, einem „beispiellosen“ Verbrechen hatte Staatsanwalt George Brauchler gesprochen – dabei war es so einzigartig doch nicht. Nur ein paar Minuten von dem Kino entfernt liegt die Columbine Highschool, an der 1999 zwei Schüler ein Massaker mit 13 Toten angerichtet hatten. Danach töteten sie sich selbst.

Doch diesmal lebt der Täter, er steht vor Gericht. Dreieinhalb Monate saß er den neun Frauen und drei Männern gegenüber, die jetzt über sein Schicksal entschieden haben. Dreieinhalb Monate zeigte er praktisch keine Regung, wenn der Staatsanwalt ihn als grausames Monster und der Verteidiger ihn als bemitleidenswerten Kranken schilderte. Dreieinhalb Monate war von dem „Batman“-Bösewicht Joker, den er in der Tatnacht angeblich mit orange gefärbten Haaren nachahmte, nichts zu spüren. Still und ordentlich saß er in Hemd und Hose da, als wäre er eher ein Zuschauer, und nicht jemand, der zwölf Menschen getötet hat.

Veronica war nur ein Opfer. Jonathan Blunk (26) starb, als er sich auf seine Freundin warf. Alex Sullivan wurde an seinem 27. Geburtstag getötet. Matt McQuinn, auch 27, wurde von acht Kugeln getroffen. Bei Micayla Medek, 23, genügte ein Schuss, sie verblutete. Ihre Großmutter war immer wieder im Gerichtssaal. Immer wenn der Name der toten Enkelin fiel, sackte sie lautlos schluchzend in sich zusammen.

Die Eltern von Caleb Medley zeigten hingegen betont Stärke. Für ihren Sohn, der mehrfach am Gehirn operiert wurde und seit dem Attentat im Rollstuhl dahinvegetiert. „Hey, wir schaffen das zusammen“, sagte sein Vater immer wieder zu dem jungen Mann, und er wollte wohl auch sich selbst überzeugen. Caleb ist selbst Vater. Sein Sohn Hugo wurde vier Tage, nachdem sein Vater zum Krüppel geschossen wurde, geboren.

Holmes wird im Dezember 28 Jahre alt und einige mutmaßten, er werde den nächsten Geburtstag nicht mehr erleben. Doch es kommt anders. Und selbst wenn die Geschworenen nach ihren rund sechsstündigen Beratungen über zwei Tage einstimmig entschieden hätten, ihn hinrichten zu lassen - die Mühle der rechtsstaatlichen Justiz mahlt langsam. Bis zur Vollstreckung eines Todesurteils hätte es vermutlich noch Jahre gedauert.

Wenn es denn überhaupt dazu gekommen wäre. Nicht nur, dass der Gouverneur von Colorado das Recht zur Begnadigung hat - was dann natürlich lebenslange Haft und nicht Freilassung bedeutet hätte. Auch dem Verteidiger wären noch einige Möglichkeiten geblieben, um für das Leben seines Mandanten zu kämpfen. Offiziell gibt es sie zwar noch, die Todesstrafe in Colorado. Aber in den letzten 40 Jahren wurde sie nur einmal vollstreckt. Diesmal haben Juristen immer wieder bemüht darauf hingewiesen: Wenn ein Verbrechen die Todesstrafe rechtfertigt, dann dieses. Zumindest einige der Geschworenen sahen das anders. (dpa)