Windhuk. Warum Deutsche ihren Lebensabend im Südwesten Afrikas verbringen

Hinter den Bismarckbergen liegt am Südwestzipfel Afrikas für manche deutsche Rentner das Paradies. Die frühere Rinderfarm Sonnleiten in Namibia ist eine kleine deutsche Oase. Hier gibt es reichlich Sonne und Safari-Gefühl, aber sonst ist Afrika weit weg. Die Nachbarn sprechen deutsch, die Vorgärten sind gepflegt. Für den Alltag können sich die Senioren Schwarzwälder Schinken und Currywurst besorgen, und für den Notfall gibt es in der nahen Hauptstadt Windhuk auch deutschsprachige Ärzte.

„Ich habe für mich beschlossen, dass ich keinen Winter mehr möchte“, sagt Rainer Schwertfeger, 60. Der Schwabe war früher Projektleiter bei Siemens, seit vier Jahren hat er seinen Alterssitz in der früheren deutschen Kolonie Namibia. „Hier kann ich auf meiner Terrasse sitzen und zuschauen, welche Tiere vorbeikommen. Hier gibt es Erdmännchen, Warzenschweine, Springböcke, Kudu-Antilopen und natürlich Paviane.“ Wenn es von Mai bis September dann in der südlichen Hemisphäre kälter wird, macht Schwertfeger Urlaub in Deutschland.

Die Deutsche Rentenversicherung zahlt an 400 Senioren in Namibia

Rund 70 Senioren verbringen in etwa 50 Häusern der Senioren-Siedlung Sonnleiten ihren Lebensabend. Sie sind weiß und sprechen Deutsch, die 22 Angestellten sind schwarz. Man könnte manchmal vergessen, dass man in Afrika ist: In der Caféteria im Gemeinschaftshaus gibt es mittags Spätzle oder Salzkartoffeln. Nachrichten und Musik auf Deutsch liefert der private Sender „Hitradio“, und zum Lesen gibt es die „Allgemeine Zeitung“.

Insgesamt haben wohl mehrere Hundert Deutsche ihren Alterssitz an den Südwestzipfel Afrikas verlegt. Zahlen der Deutschen Rentenversicherung zufolge gibt es bislang knapp 400 Senioren, deren Zahlungen nach Namibia gehen. Wahrscheinlich sind es jedoch noch mehr, da viele ihr Geld weiter auf ihr deutsches Konto bekommen.

Die deutsche Kolonialherrschaft in Namibia ging vor 100 Jahren zu Ende. Inzwischen gibt es nur noch 14.000 deutschsprachige Menschen im Land, doch ein starker kultureller Einfluss des Deutschen hat sich über die Jahrzehnte gehalten. Auch deswegen ist das frühere „Deutsch-Südwestafrika“ für Deutsche immer noch ein beliebtes Urlaubs- und Auswanderungsziel. „In Namibia kann ich in den Supermarkt gehen und deutsche Lebensmittel kaufen“, sagt Schwertfeger. Seine Landjäger könne er sogar auf Deutsch bestellen. Auch an der Brottheke wüssten die Verkäuferinnen, was Laugenbrötchen sind. In Windhuk gibt es auch sehr gute Curry-Wurst.

Doch keine Idylle ist perfekt. In Sonnleiten knirscht es bisweilen zwischen den zwei großen Bewohnergruppen, den „Deutschländern“ und den Deutschen. „Deutschländer“ heißen in Namibia die, die aus der Bundesrepublik eingewandert sind. Deutsche oder „Südwester“ hingegen sind deutschsprachige Namibier, deren Wurzeln zumeist auf Einwanderer aus der Kolonialzeit Anfang des 20. Jahrhunderts zurückgehen. „Wir Südwester sehen uns als Afrikaner“, sagt Heidemarie Rapmund, 65. Ihr Großvater kam 1909 nach Namibia. „Wir haben die deutsche Kultur, aber auch die afrikanische.“ Die eingewanderten Senioren seien manchmal zu deutsch in ihrer Anspruchshaltung und Argumentation. „Wir sind hier aber in Afrika. Da gibt es manchmal Reibungspunkte.“ Schwertfeger drückt es weniger diplomatisch aus. „Als anständiger Deutscher muss man immer rummaulen.“

Manche sagen auch, dass es den Euro-Rentnern oft allzuleicht falle, Preissteigerungen etwa bei den Nebenkosten zu akzeptieren. Für die Namibier sei das bisweilen schwierig. Etwa 20 der 70 Rentner sind aus Europa eingewandert. Der Manager von Sonnleiten, Fanie Hawanga, sieht jedoch keinen Konflikt. „Wenn es Kaffee und Kuchen gibt, dann sitzen die Deutschen und die Namibier alle zusammen.“ Auch abends zum „Sundowner“ mischten sich die Gruppen auf den Terrassen.

Namibia lockt nicht nur mit trockenem Klima, schönen Landschaften und Safari-Parks, sondern auch weil es ein friedliches Land ist, in dem die meisten Dinge für afrikanische Verhältnisse sehr gut funktionieren. Die aus Europa eingewanderten Sonnleiten-Bewohner seien vorher schon mal im Urlaub in Namibia gewesen. „Die wussten, worauf sie sich einlassen“, erklärt Caroline Rust. Ihrem Mann Joachim gehört das 270-Hektar-Anwesen in der Steppenlandschaft rund 40 Kilometer außerhalb von Windhuk. Für Notfälle ist rund um die Uhr eine Krankenschwester im Dienst, auch Pflegedienste werden angeboten. „Aber die Leute sind rüstig. Die meisten versorgen sich selbst.“

Dienstleistungen sind preiswert, umgerechnet 1,60 Euro für eine Stunde

Die stärker nachgefragten Dienstleistungen sind der Garten- und der Reinigungsdienst, die jeweils umgerechnet nur 1,60 Euro pro Stunde kosten. Auch der Tarif fürs Bügeln oder kleinere Reparaturen am Haus schlägt mit 2,50 Euro sicher keine zu tiefen Löcher in die Budgets jener, deren Renten in Euro ausbezahlt werden.

Die Preise für den Kauf des lebenslangen Wohnrechts haben über die Jahre wegen hoher Nachfrage angezogen, sie sind im Vergleich zum europäischen Preisniveau aber weiter sehr attraktiv. Schwertfeger etwa wohnt in einem Haus mit 130 Quadratmeter. „In einer vergleichbaren Anlage auf Fuerteventura bekäme ich für den Preis nur eine Einzimmerwohnung mit 40 Quadratmetern“, sagt er.

Schwertfeger hatte auch Australien als Alterssitz in Erwägung gezogen. Für Namibia sprach für ihn neben dem deutschen Essen jedoch auch, dass es gute deutschsprachige Ärzte gibt. Zudem hätten sich in Namibia die deutschen Werte seit der Kolonialzeit eingeprägt. „In Namibia ist es für afrikanische Verhältnisse top sauber und ordentlich.“