Berlin. Steuerbetrüger nutzen Schummel-Software. Länder-Finanzminister kündigen „Kampf“ an

Wenn es um betrügerische Imbissbuden- oder Kneipenbesitzer geht, sind sich Steuerfahnder für nichts zu schade. Da zählen sie schon mal aus einem Versteck mit dem Fernglas die Gäste oder lassen wie Detektive eine bestellte Pizza im Labor wiegen, um anhand der ermittelten Menge den Einkauf der Zutaten hochzurechnen, mit dem Verkauf zu vergleichen und mögliche verschwiegene Erlöse aufzudecken. Verdächtig ist auch, wenn ein Gastronom mehr Schnitzel einkauft, seine Einnahmen aber sinken.

Dass mit diesem Zeitreihenvergleich – so heißt die Kontrollmethode in der Sprache der Finanzbeamten – der Steuerbetrug in der Gastronomie im großen Stil bekämpft werden kann, darf bezweifelt werden. Es hilft aber. Der Bundesfinanzhof mahnte jüngst jedoch einen zurückhaltenden Umgang mit dieser Schätzmethode an.

Die obersten Finanzrichter machen in ihrem Urteil (Az.: X R 20/13) aber auch klar: „Elektronische Kassensysteme sind durch Umprogrammierung in nahezu beliebiger Weise manipulierbar.“ Und von solchen Möglichkeiten werde durchaus Gebrauch gemacht, wie der Bundesrechnungshof in einem internen Bericht an das Bundesfinanzministerium jüngst beklagte.

Steuerbetrug über manipulierte Kassen – in der Gastronomie, im Einzelhandel, in Apotheken und anderen Branchen mit hohem Bargeldanteil wie Taxis, Tankstellen und Friseure – kostet den Staat Milliarden. Der Rechnungshof spricht vom „Massenphänomen“ und schätzt, dass der Fiskus jährlich bis zu zehn Milliarden Euro verliert, weil Unternehmen Umsätze nicht oder falsch erfassen. Die Steuergewerkschaft nennt diese zehn Milliarden nur ein Minimum.

Die kriminelle Energie ist groß: Einer soll die Steuern über drei Jahre um 300.000 Euro verkürzt haben, indem er Kassenbuchungen nachträglich stornierte. Ein Apotheker wurde erwischt, wie er über Jahre 370.000 Euro bar aus der Kasse entnommen hatte. „Spezielle Software ermöglicht es Steuerhinterziehern „spielend, Aufzeichnungen ihrer Kassensysteme zu manipulieren“, so der Rechnungshof-Bericht. Sie zeichnen Eingaben nicht auf oder löschen Daten. Software ersetze Datenbanken, erfasse nicht erfolgte Geschäftsvorgänge, verkürze Umsätze.

Beispiele für Betrügereien: Beliebt ist die „Trainingseinstellung“. Eingaben des „Trainingskellners“ werden als Übung gebucht und nicht als Umsätze. Gern wird die „Zwischenrechnung“ missbraucht, die kein Kassenbon zum Abkassieren ist. Oder es werden nicht alle tragbaren Kassen-Geräte erfasst. Bei Hightech-Schwindeleien haben selbst IT-Experten Probleme, Schummelprogramme zu entdecken.

Seit mehr als zehn Jahren fordern die Rechnungsprüfer nach eigener Aussage eingriffssichere Kassensysteme. „Wir konnten bisher nicht feststellen, dass sich die Besteuerung bargeldintensiver Unternehmen verbessert hat“, heißt es in ihrem jüngsten Bericht.

Inzwischen gibt es Bewegung. Bis zum Herbst wollen Bund und Länder ein Konzept vorlegen. Ende Juni verständigten sich die Länder-Finanzminister, manipulationssichere Kassen einführen zu wollen und dabei auf den Wettbewerb der Anbieter zu setzen. Der Vorsitzende der Finanzministerkonferenz, Hessens Ressortchef Thomas Schäfer (CDU): „Wir sagen den Steuerhinterziehern den Kampf an.“

Details aber sind weiter offen, etwa Übergangsfristen oder der Zeitplan. Statt auf eine EU-weite Regelung zu warten, würden die Länder notfalls in einem nationalen Alleingang vorpreschen. Der Chef der Steuergewerkschaft, Thomas Eigenthaler, gibt sich wenig optimistisch: „Ich sehe derzeit nicht, dass es schnell weitergeht.“ Nötig sei eine Pflicht für Registrierkassen und die verbindliche Einführung fälschungssicherer Chips.