King William. Pamunkey-Indianer sind Nachfahren der Häuptlingstochter und offiziell anerkannt

Die Indianer vom Stamm der Pamunkeys wählen ihre Häuptlinge seit 400 Jahren nach alter Väter Sitte. Ein Maiskorn im Stammesrat bedeutet eine Jastimme. Eine Bohne heißt: Nein. Wenn Bob Gray am 6. August bei der Wahl zum neuen „Chief“ mehr Maiskörner als Bohnen abkriegt, wird der Mann mit dem weißgrauen Pferdeschwanz und den ausgeprägten Lachfalten dabei sein, wenn Präsident Obama die Häuptlinge der 566 amtlich zugelassenen Indianerstämme Amerikas ins Weiße Haus lädt. Gray wäre der Neue am Lagerfeuer der Macht. Denn die Pamunkeys sind seit wenigen Tagen eine „souveräne Nation“: Nr. 567.

Fast 35 Jahre hat es gedauert, bis das 200 Kilometer nördlich von King William ansässige „Büro für Indianerangelegenheiten“ in Washington den Urkunden, mündlichen Auskünften und genealogischen Gutachten amtlichen Glauben geschenkt hat. Sie beweisen, dass die Pamunkeys Stammesnachfahren des berühmten Algonquin-Häuptlings Powahatan und seiner noch berühmteren Tochter Pocahontas sind. Die am Ortseingang von King William in einem Denkmal verewigte Schönheit soll der Legende nach den weißen Siedler John Smith vor dem Skalpieren bewahrt und dann geehelicht haben.

Die Pamunkey-Kultur – Markenzeichen: kunstvolle Töpferei und raffinierte Angeltechnik – existierte in dem naturbelassenen Landstrich zwischen Richmond und Jamestown schon, als es die Vereinigten Staaten noch nicht gab. „Unsere Vorväter haben ihre Verträge 1677 mit der englischen Krone gemacht“, sagt Gray. „Noch heute fährt zum Erntedankfest eine Delegation aus unserem Reservat zum Gouverneur von Virginia und entrichtet symbolisch die Steuern – meist in Gestalt eines frisch geschossenen Hirschen.“

Bei der nächsten Visite werden sich „Rothäute“ und „Bleichgesichter“ zum ersten Mal auf Augenhöhe begegnen. Rein rechtlich sind die Pamunkeys in ihrem nur zwölf Quadratkilometer großen Reservat künftig unabhängig wie ein eigener Staat. Sie könnten eine Polizei aufbauen, eine eigene Gerichtsbarkeit, eine Schule oder ein Krankenhaus. Wer Bob Gray fragt, was zuerst kommt, erntet ein entspanntes Lachen. „Hey, wir sind noch 203 Stammesmitglieder, da erübrigt sich so manches beim Streben nach Eigenständigkeit.“ Der 56-Jährige will, vorausgesetzt, er würde gewählt, in Ruhe klären, „was uns hier wirklich weiterhelfen kann“.

Mit der Anerkennung als Stamm, eine seltene Ehre, die seit 1978 in den USA nur 17 Indianer-Völkern zuteil wurde, während fast 400 auf der Warteliste stehen, verbinden sich nicht nur Unabhängigkeit, Eigenverantwortung, Würde und Stolz. Das Gütesiegel öffnet Finanztöpfe, die das Leben im Reservat erleichtern. „Krankenversorgung für die Alten etwa“, sagt Gray, „oder Uni-Stipendien für die Jungen.“ Nicht zu vergessen die Lizenz zum Gelddrucken. Denn wann immer ein Stamm anerkannt ist, taucht reflexartig eine Frage auf: Wann wird das Casino eröffnet?

Seit der Oberste Gerichtshof vor 40 Jahren entschieden hatte, dass Indianerstämme von den Auflagen beim Glücksspielbetrieb befreit sind, schossen landesweit auf geweihtem Grund Casinos aus dem Boden. Fast 500 Vergnügungszentren sind in Indianer-Hand. Steuerbefreite Einnahmen von Milliarden Dollar im Jahr habe manche Stämme steinreich gemacht – und vor kulturelle Zerreißproben gestellt.

Ginge es nach Bob Gray, der 30 Jahre bei der US-Luftwaffe gearbeitet hat und in Deutschland stationiert war, blieben King William grundstürzende Veränderungen erspart. Gray argumentiert wie ein Öko-Grüner. „Schauen Sie sich diese Idylle mal in Ruhe an“, sagt der mit einer Nicht-Indianerin verheiratete Football-Fan, „Sie glauben doch nicht, dass hier viele auf Autolärm und Busladungen mit Roulette-Süchtigen versessen sind.“