Berlin . Besucher von Behörden und Firmen dürfen die historischen Aufzüge wieder benutzen

Ob in Wuppertal, Duisburg, München oder Stuttgart – überall regten sich Bürgerproteste, als vor einem Monat bekannt wurde, dass Besucher von Rathäusern, Verwaltungen oder Firmen künftig keine Paternoster mehr benützen dürfen. Die Aktionen haben gewirkt: Künftig dürfen alle wieder in die Umlaufaufzüge steigen. Auch mehr als 40 Jahre nach ersten Beschlüssen, Paternostern aus Sicherheitsgründen den Strom abzudrehen, haben sich die Nostalgiefans wieder durchgesetzt. Wie kam es zur Rettung?

Zunächst war das Paternosterverbot kaum jemandem aufgefallen. Es versteckte sich in einer Betriebssicherheitsverordnung mit 58 Seiten. „Der Arbeitgeber“, stand dort, „hat dafür zu sorgen, dass Personenumlaufaufzüge nur von durch ihn eingewiesenen Beschäftigten verwendet werden.“ Die Verordnung trat am 1. Juni in Kraft.

1885 fuhr der deutschlandweit erste Paternoster in Hamburg – sollten die letzten 250 Exemplare in Deutschland nun tatsächlich für den Publikumsverkehr gesperrt und geschulten Mitarbeitern vorbehalten bleiben? „Null Verständnis“ habe er für die Neuregelung, sagte Stuttgarts grüner Verwaltungsbürgermeister Werner Wölfle. „Das ist doch nah am Wahnsinn!“, schimpfte Nordrhein-Westfalens Arbeitsminister Guntram Schneider (SPD).

Eigentlich sollten Paternoster längst verboten sein. 1972 legte eine Verordnung fest: Neue Personenumlaufaufzüge dürfen nicht mehr gebaut, bestehende sollen bis Ende 1994 stillgelegt werden. Doch schon damals verhinderten heftige Proteste ein Verbot.

Jetzt schien selbst die formal Verantwortliche, Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD), nicht erfreut über die strikte Neuregelung aus ihrem Haus. Der Entwurf für die Paternoster-Einschränkung stammt aus dem Jahr 2013 – damals hieß die Arbeitsministerin noch Ursula von der Leyen. Noch vor dem Inkrafttreten kündigte das Arbeitsressort an, die Paragrafen erneut ändern zu wollen: Die Bundesländer sollten Ausnahmen von der Paternoster-Beschränkung zulassen können. Jetzt kommt sogar die fast ganz große Freiheit: Die Gefährte sollen generell wieder alle Benutzer tragen dürfen, wie die Bundesregierung am Mittwoch beschloss. Die Betreiber werden verpflichtet, „durch zusätzliche Maßnahmen Gefährdungen bei der Benutzung zu vermeiden“. Sie können etwa Schilder zur richtigen Nutzung anbringen.

Das hat nicht einfach ein Ministeriumsbeamter aufgeschrieben – das heikle Thema war Gegenstand mehrerer Treffen und Telefonkonferenzen von Fachbeamten bis zur Abteilungsleiter-Ebene, zuletzt am 15. Juni.

Immerhin ist unbestritten, dass die offenen Aufzüge Gefahren bergen. Mehrere Fälle sind aktenkundig, bei denen sich Benutzer eingeklemmt haben. Weil er sich in Panik an der Fußbodenkante festhielt, wurde ein Junge in Oberhausen vor Jahren in den Schacht gedrückt. Benutzer sollen auch immer wieder versuchen, Teewagen oder andere Lasten in einem Paternoster zu transportieren – was in den seltensten Fällen gut geht.

Klar ist: Betreiber haften, wenn etwas passiert. Und wenn sie keine Vorkehrungen ergriffen haben, kann ihnen künftig wohl auch eine Ordnungswidrigkeit vorgehalten werden. Der Bundesrat muss der Neuregelung noch zustimmen, aber das gilt nun als sicher.

NRW-Minister Schneider ist zufrieden. „Der Paternoster ist ein Kulturgut“, sagt er. In Wuppertal will Oberbürgermeister Peter Jung schon an diesem Donnerstag den Paternoster im Rathaus Barmen persönlich wieder in Betrieb nehmen.