Kiel/Mölln. 50-Jährige unterrichtete, ohne studiert zu haben. Schleswig-Holstein will Gehalt zurück

Vor rund 25 Jahren stand die falsche Lehrerin erstmals vor einer Klasse. In vier Bundesländern hat die Wismarerin seitdem unterrichtet – obwohl sie kein Lehramtsstudium absolviert hatte. Mit gefälschten Zeugnissen narrte sie ihre Arbeitgeber. 2013 flog sie in Mölln auf. Das Amtsgericht Kiel verurteilte die 50-Jährige nun wegen schweren Betrugs und Urkundenfälschung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren. Ins Gefängnis muss die alleinerziehende Mutter nicht. Die Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt. Für drei Jahre wird ihr ein Bewährungshelfer zur Seite gestellt.

Die Betrügereien der Wismarerin hatten begonnen, als es mit der DDR zu Ende ging. Dort war die Frau aufgewachsen. Schon früh habe sie den Wunsch gehabt, Lehrerin zu werden, sagte sie vor Gericht. Sie machte zunächst eine Krankenschwesternausbildung, studierte dann von 1985 bis 1990 an der pädagogischen Fachhochschule „Ernst Schneller“ in Zwickau. Ihre Di­plomarbeit im Fach Staatsbürgerkunde befasste sich mit dem „staatsmonopolistischen Kapitalismus“. Nach der deutschen Einheit war mit diesem Fach nichts anzufangen. „Ihr Berufswunsch geriet in Gefahr, also begann sie zu manipulieren“, sagte die Amtsrichterin Sabine Pade.

Sie tat das gleich im großen Maßstab. Erst verpasste sie dem Zwickauer Diplom bessere Noten, fälschte Staatsexamenszeugnisse aus Nordrhein-Westfalen und Erweiterungsprüfungen, um mehr Fächer unterrichten zu können, sie fälschte auch die notariellen Beglaubigungen all dieser Falsifikate. Die Krankenschwester attestierte sich selbst, eine erstklassige Lehrerin zu sein – jedenfalls auf dem Papier.

Im Unterricht sah es anders aus. Im Gymnasium der Stadt Mölln (Kreis Herzogtum Lauenburg), wo sie von 2008 bis 2013 unterrichtete, gab es rasch Klagen. Man lerne bei ihr nichts, sagten Schüler. Der Schulleiter beschrieb vor Gericht ihre „völlige fachliche Inkompetenz“. Nach langen Fehlzeiten ohne ärztliches Attest leitete das Kieler Bildungsministerium ein Disziplinarverfahren ein und nahm sich die Personalakte vor.

Relativ rasch stellte man fest, dass die Zeugnisse gefälscht waren. Im Fe­bruar 2013 verlor sie ihre Stelle und den Beamtenstatus. Eine Strafanzeige gab es obendrein. Die überzeugte Lehrerin machte dennoch weiter. Im mecklenburgischen Lübstorf wurde sie gleich nach der Kündigung in Schleswig-Holstein wieder eingestellt. Sie habe die vergangenen Jahre in Schweden verbracht, log sie im Bewerbungsgespräch. Im August 2013 flog sie auch dort auf, eine Folgebeschäftigung an einer Privatschule in Schwerin wurde schon am ersten Arbeitstag beendet.

Die jahrelange Köpenickiade durchs Bildungssystem spielte im Prozess nur am Rand eine Rolle. Betrügereien in Berlin und Brandenburg, wo die Frau auch unterrichtete, sind verjährt. Für die Amtsrichterin Sabine Pade war dennoch der Tatbestand der Urkundenfälschung in Tateinheit mit besonders schwerem Betrug erfüllt. „Die Angeklagte wollte sich auf diese Weise ihren Lebensunterhalt dauerhaft sichern“, sagte sie.

221.000 Euro hat sie allein in ihrer Möllner Zeit verdient. Das Land Schleswig-Holstein fordert nun 133.000 Euro zurück. Auf knapp 90.000 Euro wurde aus Billigkeitsgründen verzichtet – schließlich hat die falsche Lehrerin ja gearbeitet.

Die Wismarerin steht nun vor dem Nichts. Ihr nicht abbezahltes Haus hat sie verkaufen müssen. Sie lebt von Hartz IV – und von ihrem Lehrertraum. „Ihr bisher gelebtes Leben ist zusammengebrochen“, sagte ihre Rechtsanwältin. Aber: In Lübstorf habe ihre Mandantin vom Schulleiter eine gute Beurteilung bekommen. „Sie ist also doch eine gute Lehrerin.“