Nanjing. „Solar Impulse 2“ ist auf einer Weltumrundung. Dem Sonnenflieger steht eine brenzlige Etappe bevor. Piloten sind für den Notfall gerüstet.

Der Schweizer Sonnenflieger „Solar Impulse 2“ ist auf der gefährlichsten Etappe seiner Weltumrundung Richtung Hawaii. André Borschberg, 62, hob mit seiner Maschine in der Nacht zum Sonntag (Ortszeit) in Nanjing im Osten Chinas ab. Für den Flug von 8172 Kilometern über den Pazifik sind sechs Tage und fünf Nächte – 130 Stunden – eingeplant. So weit ist noch kein Solarflugzeug am Stück geflogen. Die vorherigen Etappen hatten nie länger als 20 Stunden gedauert.

Das Flugzeug mit den riesigen Flügeln und einem nur 3,8 Kubikmeter kleinen Cockpit wird ausschließlich von Sonnenenergie angetrieben. In China musste Borschberg fast sechs Wochen auf gutes Wetter für den Flug nach Hawaii warten. Die Strecke über den Pazifik gilt wegen der Länge und den Wetterbedingungen als besonders schwierig.

Der Flug begann am 9. März in den Vereinigten Arabischen Emiraten

„Ich werde jeden Tag höher steigen“, sagte Borschberg vor seinem Abflug. Mit Yogatechniken und Gymnastik im Liegen wollte er sich in dem Cockpit fit und wach halten: Er kann maximal 20 Minuten am Stück schlafen. An Bord des leichten Experimentalfliegers gibt es sogar eine Toilette.

Borschberg und der Luftfahrtpionier Bertrand Piccard, 57, wollen mit dem Projekt die Möglichkeiten der umweltfreundlichen Solarkraft aufzeigen. Auf den zwölf Etappen ihrer Weltreise wechseln sich die Schweizer Piloten im Cockpit ab. Die nächste Etappe von Hawaii an die amerikanische Westküste soll dann Piccard übernehmen.

Das Projekt ist mehr als zwölf Jahre geplant worden. Der Flug begann am 9. März dieses Jahres in den Vereinigten Arabischen Emiraten und führte mit Zwischenstopps in Oman, Indien und Myanmar nach China. Die Maschine soll zum Ende hin auch den Atlantik in vier Tagen überqueren. Insgesamt soll das Flugzeug 35.000 Kilometer ­zurücklegen.

Angetrieben wird das einsitzige Karbonfaser-Flugzeug von vier Elek­tromotoren. Mehr als 17.000 Solarzellen zapfen der Sonne die erforderliche Energie ab. Die Zellen sitzen auf den Flügeln mit einer Spannweite von 72 Metern – das ist mehr als bei einem Jumbojet. Gespeichert wird die Solarenergie in Lithium-Batterien.

Auf einen eventuellen Notfall bei der Pazifik-Überquerung hatte sich André Borschberg intensiv vorbereitet: „Wenn alles schiefläuft, kann ich ­immer noch mit dem Fallschirm, einem Rettungsboot und Versorgungsgütern abspringen“, hatte er kürzlich in einem Interview berichtet. „Mein Partner Bertrand Piccard und ich haben mit der deutschen Marine geübt, wie man mit dem Fallschirm aus einem Flugzeug springt, mit der Situation umgeht und überlebt. Aber hoffentlich muss ich nicht auf dieses Training zurück­greifen.“

André Borschberg und Bertrand Piccard halten mehrere Weltrekorde

Bertrand Piccard ist der „Vater“ des Projekts. Weltbekannt ist der in Lausanne geborene Forscher, Pilot und Psychiater mit Spezialgebiet Hypnosetherapie spätestens, seit er 1999 mit dem Briten Brian Jones in einem Ballon im Nonstop-Flug die Erde umrundete. Er ist Spross einer prominenten Forscherfamilie: Sein Großvater Au­guste – ein Freund von Albert Einstein – stieg 1931 mit einem Ballon in die Stratosphäre auf. 1953 tauchte er mit Sohn Jacques in einem eigens entwickelten U-Boot mehr als 3100 Meter unter der Meeresoberfläche.

André Borschberg kam in Zürich zur Welt. Sein fliegerisches Können erwarb er sich nach einem Ingenieur- und Management-Studium als Kampfjet-Pilot bei der Luftwaffe. Beide halten durch frühere Flüge mit „Solar Im­pulse 2“ und dessen Vorgänger-Modell ­mehrere Weltrekorde. (HA)