Ein Zeuge hat der Darstellung widersprochen, der angeklagte Sanel M. sei durch besondere Aggressivität aufgefallen.

Darmstadt. Im Fall der getöteten Studentin Tugce hat ein Zeuge der Darstellung widersprochen, der angeklagte Sanel M. sei durch besondere Aggressivität aufgefallen. Der 18-Jährige habe aufgrund eines Streits in der Damen-Toilette des Schnellrestaurants in Offenbach auch nicht in den Schwitzkasten genommen und weggebracht werden müssen, sagte der 29 Jahre alte Mann am Mittwoch vor dem Landgericht Darmstadt. Der Angeklagte und seine Freunde hätten sich ohne Probleme wieder beruhigen lassen. „Ich hatte nicht das Gefühl, dass die Jungs auf die Mädels losgehen wollten.“

Der Zeuge, der angab, unmittelbar dabei gewesen zu sein, widersprach damit Darstellungen von Tugces Freundinnen. Sie hatten ausgesagt, Sanel M. habe an der Toilette zwei junge Mädchen belästigt, Tugce habe diese verteidigt. Der Angeklagte habe dann im Schwitzkasten nach oben gebracht werden müssen, um die Situation zu entschärfen.

Ein 30 Jahre alter Freund des Zeugen, der dabei war, beschrieb die Situation wie der 29-Jährige. „Die Mädels haben sich noch bei uns bedankt“, sagte er. Erst draußen auf dem Parkplatz sei dann alles eskaliert.

Sanel M. steht wegen Körperverletzung mit Todesfolge vor Gericht. Er soll der 22-jährigen Tugce im November vergangenen Jahres auf dem Parkplatz des Restaurants so heftig ins Gesicht geschlagen haben, dass sie stürzte, mit dem Kopf hart aufschlug und später starb.

Zeuge über Eskalation überrascht

Der 29-jährige Zeuge, der als Türsteher in einer Diskothek arbeitet, zeigte sich auch überrascht über die gewaltsame Zuspitzung des Konflikts zwischen Tugce und der Gruppe des Angeklagten. Die Jungen-Gruppe habe sich im Fast-Food-Restaurant beruhigen lassen. „Einer von denen ist auch noch zu mir an den Tisch gekommen und hat sich entschuldigt.“ Als beide Seiten dann nach draußen auf den Parkplatz gingen, habe er nicht damit gerechnet, dass der Konflikt so eskalieren würde: „Keiner von uns ging davon aus, dass es draußen zu dieser Tragödie kommt.“

Eine leitende Mitarbeiterin des Restaurants berichtete, nach der Tat habe ein „Shitstorm“ begonnen. Auf der offiziellen Seite des Unternehmens habe es Morddrohungen gegeben, sagte die 39-Jährige. „Wir wurden sogar auf der Straße angepöbelt.“ Den Beschäftigten sei vorgeworfen worden, Tugce nicht geholfen zu haben.

Als letzter Zeuge des sechsten Verhandlungstages wurde der Notarzt vernommen, der Tugce am Tatort versorgte. Der 43-Jährige berichtete, ihm habe zwei bis drei Stunden nach dem Einsatz der Arzt „sehr unfreundlich“ Vorwürfe gemacht, der Tugce im Krankenhaus übernommen hatte. Die Notfallversorgung sei nicht korrekt gewesen. Sein Kollege habe ihm vorgehalten, keine Intubation vorgenommen zu haben, um die Atemwege zu sichern, damit nicht etwa Erbrochenes eingeatmet wird. Dieser Arzt soll am achten Prozesstag (Mittwoch/3. Juni) gehört werden. Ein Urteil wird für Mitte Juni erwartet. (dpa)