Hamburg/Wien. Der Eurovision Song Contest startet mit dem ersten Halbfinale. Erstmals wird der Musik-Wettbewerb in internationale Gebärden übersetzt.

Der Eurovision Song Contest (ESC) startet am Dienstag (21 Uhr) mit dem ersten Halbfinale. 16 Kandidaten kämpfen um den Einzug ins Finale, unter anderem die Vertreter aus Finnland, Russland und Armenien.

Zehn Nationen können weiterkommen, Zuschaueranrufe und die Stimmen der Teilnehmerländer-Jurys zählen dabei jeweils zu 50 Prozent. Das TV-Publikum aus Deutschland wird erst beim zweiten Halbfinale am Donnerstag (21. Mai) stimmberechtigt sein. Das ESC-Finale steigt am Sonnabend (23. Mai). Deutschland ist neben Spanien, Frankreich, Großbritannien und Italien fürs Finale gesetzt. Auch Vorjahressieger Österreich hat einen Startplatz sicher. Das gilt ebenso für Australien, das zum 60. ESC-Jubiläum mitmachen darf.

Für Deutschland geht die Hamburgerin Ann Sophie an den Start. Die 24-Jährige tritt mit dem Song „Black Smoke“ an. Dass sie überhaupt in Wien auf der Bühne stehen darf, hat Ann Sophie ihrem Konkurrenten aus dem Vorentscheid zu verdanken. Im Finale verpasste sie den Sieg, dann aber bekam der Gewinner Andreas Kümmert Muffensausen und lehnte dankend ab. Und so öffnete sich die Tür zur Wiener Stadthalle wieder für die Hamburgerin.

Übersetzung in internationalen Gebärden

Zum ersten Mal in der Geschichte des Eurovision Song Contests (ESC) wird es eine Übersetzung des Wettbewerbs in internationalen Gebärden geben. „Wir erreichen damit ein ganz neues Publikum“, sagte ESC-Direktor Jon Ola Sand am Montagabend in Wien. Der ORF sei gleich zu Beginn mit dieser Idee auf ihn zugekommen und man habe den Sender bei diesem Vorhaben unterstützt. „Es muss im Interesse von öffentlich-rechtlichem Fernsehen sein, so etwas anzubieten“, sagte er.

Die Lieder sowie die Live-Moderationen auf der Bühne und die jeweiligen Zuspielungen werden in „International Sign“ übersetzt und von gehörlosen Darstellern sowie einem Gebärdensprachdolmetscher präsentiert. Allein die Produktion von „Eurovision Sign“ mit Gebärdensprachdolmetschern und gehörlosen Darstellern kostet den Sender nach eigenen Angaben rund 130.000 Euro zusätzlich. Die nationalen Sender müssen nichts extra zahlen, um die Gebärdensprachversion anzubieten.

Acht nationale Sendeanstalten haben bislang zugesagt, das Angebot mit Gebärden entweder im Fernsehen oder online anzubieten, darunter auch Deutschland und die Schweiz sowie die skandinavischen Länder. Zudem wird der ORF die Ländersperre bei seinem Onlineangebot aufheben, um auch dem internationalen Publikum die Gebärdenversion zugänglich machen zu können.

Es gehe bei dem Angebot nicht darum, alles eins zu eins zu übersetzen, sagte Delil Yilmaz, der als Gebärdensprachdolmetscher an dem Projekt beteiligt war. Man wolle auch die Gefühle der Lieder transportieren. Dies sei ein sehr aufwendiger Prozess gewesen. Sechs bis zehn Stunden habe man für jedes der 40 Lieder gebraucht. ORF-Projektleiterin Eva-Maria Hinterwirth sagte, man habe darauf geachtet, den Interpreten nicht die Show zu stehlen. Man folge nur dem, was auf der Bühne passiert.

Im Gegensatz zu den nationalen Gebärdensprachen ist „International Sign“ keine eigene Sprache mit eigener Grammatik, sondern wird von gehörlosen Menschen in erster Linie bei internationalen Konferenzen genutzt, um sich mit Nutzern anderer Gebärdensprachen austauschen zu können, wie die gehörlose Übersetzerin Sandra Schügerl erläuterte.

Auch ohne Sieg in Deutschland?

Der ESC könnte auch ohne einen Sieg der deutschen Kandidatin Ann Sophie im kommenden Jahr in Deutschland stattfinden. Sollte Australien beim Finale am Sonnabend triumphieren, wäre der NDR einer der möglichen Ausrichter, teilte die Europäische Rundfunkunion (EBU) am Dienstag auf Anfrage mit. Fest stehe bislang jedoch nur, dass der große Gesangswettbewerb im kommenden Jahr dann in jedem Fall in Europa ausgetragen werden solle - gemeinsam mit dem australischen Sender SBS.

Üblicherweise richtet immer der Gewinner des ESC die Veranstaltung im folgenden Jahr aus. Bei Australien ist dies jedoch nicht vorgesehen. Das weit entfernte Land ist beim Grand Prix in Wien wegen seiner großen ESC-Fangemeinde vertreten - nach jetziger Planung einmalig. Im Falle eines Sieges dürfte das Land erneut einen Kandidaten zum ESC schicken.

Der australische Sänger Guy Sebastian liegt bei europäischen Buchmachern im Spitzenfeld. Der Wettanbieter Ladbrokes sah ihn mit seinem Ohrwurm „Tonight Again“ am Dienstag auf Platz vier, hinter Schweden, Italien und Russland. Deutschlands Kandidatin Ann Sophie („Black Smoke“) rangiert deutlich weiter hinten.

Ann Sophie bringt es aber nicht aus der Ruhe, dass Buchmacher ihre Chancen eher mäßig einschätzen. Sie verzichte auf einen Blick auf die Wettquoten, sagte die 24-Jährige am Dienstag in Wien. „Das würde mir nichts bringen. Außer negativer Energie. Mit der kann ich nichts anfangen.“

Für sie sei der Eurovision Song Contest (ESC) unabhängig vom Ausgang eine großartige Erfahrung. Ihre 26 Mitbewerber beim ESC-Finale am 23. Mai möchte sie auch nicht als Konkurrenten sehen. „Ich glaube, wenn wir anfangen, uns als Konkurrenten zu sehen, verderben wir uns die Stimmung“, sagte Ann Sophie bei einem Empfang der Deutschen Botschaft.

Der deutsche Botschafter, Detlev Rünger, fand motivierende Worte. Als Botschafter in Norwegen habe er den Sieg von Lena Meyer-Landrut 2010 in Oslo bejubelt. „Ich hoffe natürlich auf eine Wiederholung mit Ann Sophie.“

Die Regeln zum ESC

Der ESC ist zwar eine große Party, dennoch hat er klare und viele Regeln. Eine kleine Regelkunde für den 60. ESC:

- Einen garantierten Startplatz im Finale haben traditionell die größten Eurovisions-Geldgeber Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Spanien und Italien sowie der jeweilige Gastgeber beziehungsweise Titelverteidiger: in diesem Jahr Österreich.

- Beim Jubiläums-ESC 2015 gibt es allerdings eine Besonderheit: Ausnahmsweise darf Australien - bekannt für seine besonders treuen und engagierten Fans - teilnehmen. Das Land ist gleich für die Endrunde gesetzt worden. Sollte der Kandidat von „Down Under“ auf Platz eins landen, wird die zuständige dortige Rundfunkanstalt im kommenden Jahr den Grand Prix als Mit-Veranstalter in einer europäischen Stadt zusammen mit einem Mitgliedsland der European Broadcasting Union (EBU) organisieren.

- Jeder Wettbewerbssong darf maximal drei Minuten lang sein. Die Sprache kann frei gewählt werden.

- Politische Botschaften etwa auf T-Shirts oder Bannern, perHandzeichen oder im Songtext sind verboten. Ebenso darf keine Werbung für Produkte oder Unternehmen gemacht werden.

- Bis zu sechs Menschen ab 16 Jahren, aber keine Tiere, dürfen auf der Bühne sein. Es wird live gesungen, die Musik kommt vom Band.

- Alle Teilnehmer-Länder dürfen im Finale ihre Punkte vergeben, auch diejenigen, die bereits in den Halbfinals ausgeschieden sind.

- Die Zuschauer können erst dann für ihren Favoriten anrufen oder eine SMS schicken, wenn alle Finalisten gesungen haben.

- Die Zuschauerwertung eines Landes wird jeweils mit der Wertung einer nationalen fünfköpfigen Fachjury 50:50 verrechnet.

- Der Sieger des Wettbewerbs steht gegen Mitternacht fest. Sollten mehrere Teilnehmer die gleiche Punktzahl haben, danngewinnt derjenige, der häufiger die Höchstwertung bekommen hat.

(epd/dpa)