Waco. Die Polizei verhaftete 200 Menschen im Einkaufszentrum der texanischen Stadt

Angeblich fing es mit einem noch ganz harmlos dummen Blick auf der Toilette an. Erst stritten sich die Männer mit Worten, dann mit Fäusten, dann mit Messern und zuletzt mit Schrotflinten. Die Spannungen zwischen Rockerbanden sind in einem Restaurant in Texas zu einer blutigen Bikerschlacht eskaliert. Bei der Schießerei am Sonntag in einem Einkaufszentrum voller Familien kamen neun Menschen ums Leben, fast 200 wurden verhaftet.

„In meinen fast 35 Jahren bei der Polizei ist das der brutalste und grauenvollste Tatort, mit dem ich je zu tun hatte“, sagte Polizist Patrick Swanton CNN. Der Sender zeigte Bilder, die eher an den Nahen Osten oder die Drogenkriege in Kolumbien erinnern als an eine Stadt zwei Autostunden südlich von Dallas: Auf dem Parkplatz des Einkaufszentrums steht ein Heer von Polizeiwagen mit wild blinkenden Lichtern, Polizisten sehen mit Sturmgewehr und Schutzweste aus wie im Irak-Einsatz. Auf dem Boden sitzen gefesselte Rocker, auf dem Rücken ihrer Jeanswesten die martialischen Logos ihrer Bikerclubs. Mehr als 100 Waffen sollen vor Ort gefunden worden sein.

Es war ein Verbrechen mit Ansage, auch wenn vermutlich niemand diese Dimension erwartet hat. Das große Restaurant, stolz auf seine 55 großen Fernseher und 24 Sorten Bier, veranstaltet „Biker Nights“, extra für Motorradfahrer. Die Zweiradfans treffen sich am nächsten Montag, dem Memorial Day der Vereinigten Staaten, traditionell zu Massenfahrten, die sich stolz „Rolling Thunder“, der rollende Donner, nennen.

Aber in Waco treffen sich eben nicht nur Enthusiasten, die die Freiheit auf zwei Rädern lieben, sondern auch einige straff organisierte Banden, die um die Vormacht auf dem Drogenmarkt kämpfen. Und Waffen gehören in Texas sowieso fast immer dazu.

Diese Biker seien eben „keine Schar Ärzte und Anwälte auf Harleys gewesen“, sagte ein Polizist. „Das sind Kriminelle auf Harley-Davidsons.“ Hätten die Manager des Grill-Lokals auf die Warnungen der Polizei vor den „Biker Nights“ gehört, hätte diese Schlacht verhindert werden können. Seit Tagen schon hatten sich heftige Spannungen entwickelt, angeblich vor allem zwischen den Bandidos und den Cossacks.

Doch gleich fünf Banden sollen in Waco gewesen sein. Deshalb war auch die Polizei da. Die „New York Times“ fand heraus, dass schon vor den Schüssen zwölf Polizisten am späteren Tatort waren, um die brisante Atmosphäre zu deeskalieren und um ihre Präsenz zu zeigen.

Nach den Wortgefechten in der Toi­lette ging es auf dem Parkplatz weiter, immer schärfer, bis schließlich geschossen wurde. Und das Mittags, in einem vielbesuchten Einkaufszentrum. „Es sind so viele Kugeln aus den Waffen der Gangster abgefeuert worden, dass es ein Wunder ist, dass keine unschuldigen Zivilisten verletzt wurden“, sagte Polizist Swanton. Unter den Toten – acht Menschen starben noch am Tatort, einer im Krankenhaus – sind ausschließlich Rocker. Die Polizei hatte am Sonntag nach den Schüssen die Bewohner von Waco auf allen Kanälen davor gewarnt, in das Einkaufszentrum zu kommen: „Das ist heute KEIN sicherer Ort.“

Die ganze Nacht hätten Polizei und Justiz die Festgenommenen verhört, hieß es von den Ermittlern. Ihnen wird Zugehörigkeit zu einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen und einige werden sich wegen Mordes verantworten müssen. Das Restaurant mit seinen knapp bekleideten Kellnerinnen – am Mittwoch stand der große „Bikini-Wettbewerb“ an – wird sieben Tage geschlossen. Dennoch sei die Schließung keine Strafe, betont die Polizei. Doch gehe von dem Lokal „nach wie vor eine Bedrohung für unsere Gemeinschaft“ aus.