Frankfurt/Main. Es sei „fast mehr Lynch- als Selbstjustiz“ gewesen, so der Richter. Der Angeklagte hatte zwei Männer vor dem Gerichtsgebäude getötet.

Der Angeklagte im Prozess um einen Doppelmord am Frankfurter Gerichtsgebäude ist zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Das Landgericht Frankfurt stellte am Montag nach fünf Monaten Verhandlungsdauer zudem die besondere Schwere der Schuld fest. Damit ist es ausgeschlossen, dass der 49-Jährige nach 15 Jahren Haft wieder auf freien Fuß kommt. Der dunkelhaarige, bärtige Mann nahm das Urteil ohne erkennbare Regung hin, verfolgte aber konzentriert die Übersetzung seines Dolmetschers.

Die Schwurgerichtskammer sah es als erwiesen an, dass der anerkannte Asylbewerber aus Afghanistan im Januar 2014 zwei Landsleute vor und im Gerichtsgebäude mit zahlreichen Schüssen und Messerstichen getötet hat. Vorsitzender Richter Klaus Drescher sprach von einer geplanten Tat mit „Hinrichtungscharakter“. Es sei „fast mehr Lynch- als Selbstjustiz“ gewesen. Die 45 und 50 Jahre alten Männer hatten sich zum zweiten Mal wegen des gewaltsamen Todes des Bruders des jetzt Verurteilten vor Gericht verantworten müssen.

„Geradezu abgeschlachtet“

Die Opfer seien vor dem Gerichtsgebäude arg- und wehrlos gewesen, der Angeklagte habe sie „geradezu abgeschlachtet“, sagte Drescher. 18 Schuss- und 28 Stichverletzungen stellten die Gerichtsmediziner fest. Der 49-Jährige habe geglaubt, „sein eigenes Strafmonopol während der laufenden Hauptverhandlung durchsetzen zu müssen“. Dabei habe er die Schädigung unbeteiligter Dritter in Kauf genommen. Minuten vor der Tat hatte sich beispielsweise noch eine Schulklasse in der Eingangshalle des Gerichtsgebäudes aufgehalten.

Der zweifache Mörder habe zudem absichtlich einen Unschuldigen umgebracht, da nur eines seiner beiden Opfer seinen Bruder getötet haben konnte. „Wer das staatliche Strafmonopol angreift, greift auch den Rechtsstaat an“, sagte Drescher in seiner 30-minütigen Urteilsbegründung. Damit sei neben der Heimtücke auch das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe erfüllt.

„In hohem Maße geplante Tat“

Der Angeklagte sei zwar traumatisiert, dies habe aber keinen Einfluss auf seine „in hohem Maße geplante Tat“ gehabt; es gebe keine Hinweise für verminderte Schuldfähigkeit, sagte der Richter weiter. Eine Reihe von Vorstrafen wegen Gewaltdelikten und Körperverletzung hätten schon 2007 gezeigt, dass der Mann in einem „voraufklärerischen Ehrbegriff gefangen blieb“. Er war auf der Flucht vor den Taliban erstmals 1988 nach Deutschland gekommen und hatte 1994 Asyl erhalten.

Hintergrund des Doppelmords war der Freispruch der beiden Männer im ersten Totschlagsprozess. Nachdem der Bundesgerichtshof dieses Urteil kassiert hatte, mussten sich die beiden erneut vor Gericht verantworten. Als sie am zweiten Verhandlungstag das Gericht betreten wollten, griff sie ihr alter Kontrahent an. Bei seiner Festnahme kurz nach der Tat soll er gelöst gewirkt und gesagt haben: „Er bekomme in Deutschland kein Recht und habe es daher selbst in die Hand genommen“.

2007: Banaler Streit um einen Parkplatz

„Heute geht nach 21 Tagen Hauptverhandlung ein Verfahren zu Ende, das seinen Ausgangspunkt in einem eigentlich banalen Streit im Jahr 2007 um einen Parkplatz nahm“, sagte Drescher zu Beginn der Urteilsbegründung. Die Auseinandersetzung um die Nutzung gemieteter Pkw-Abstellplätze hatte am 11. November in einer Messerstecherei geendet, in deren Verlauf der Bruder des Angeklagten getötet wurde. Der Angeklagte, sein Sohn und die beiden später getöteten Männer wurden verletzt.

Die selbe Kammer unter Vorsitz Dreschers hatte die beiden Männer in einem Totschlagsprozess 2008 wegen Notwehr frei gesprochen. Dass es bis 2014 gedauert habe, bis der Prozess erneut aufgerollt werden konnte, „sei zwar suboptimal“, „den Angeklagten trifft aber auch eine massive Eigenverantwortung für die Tat“, stellte Drescher am Montag fest. Er habe die Wahrheitssuche zudem nicht erleichtert.

Das Gericht folgte mit seinem Strafmaß der Forderung der Staatsanwaltschaft, die lebenslange Haft und die besondere Schwere der Schuld gefordert hatte. Der Verteidiger hatte für eine Verurteilung wegen Totschlags plädiert, aber kein Strafmaß genannt. Der Angeklagte hatte vor Gericht über seinen Anwalt gestanden, selbst aber nicht gesprochen. Gegen das Urteil kann noch Revision eingelegt werden. (dpa)