Valletta/Rom/Luxemburg . Mehrere Flüchtlings-Dramen im Mittelmeer erschüttern Europa. Die Europäische Union trifft sich deshalb am Donnerstag zum Krisengespräch.

+++ EU geht Flüchtlingskrise mit Zehn-Punkte-Plan an+++

Nach den neuen Flüchtlingstragödien im Mittelmeer will die EU handeln: Die EU-Außen- und Innenminister unterstützten am Montag bei einem Krisentreffen in Luxemburg einen Zehn-Punkte-Plan. Folgendes steht in dem Plan:

1. MEHR SEENOTHILFE: Die Grenzüberwachungsprojekte „Triton“ und „Poseidon“ sollen mehr Geld bekommen. Zudem könnte das Gebiet, auf dem die Schiffe unterwegs sind, vergrößert werden.
2. VERNICHTUNG VON BOOTEN: Die Boote von Schleusern sollen beschlagnahmt und zerstört werden. Die EU-Kommission erhofft sich dabei ähnliche Erfolge wie im Kampf gegen Piraten in Somalia.
3. ZUSAMMENARBEIT VON EU-ERMITTLERN: Die Polizeibehörde Europol, die Grenzschutzagentur Frontex und die Justizbehörde Eurojust sollen stärker bei ihren Ermittlungen gegen Schleuser zusammenarbeiten.
4. BEARBEITUNG VON ASYLANTRÄGEN: Das Europäisches Unterstützungsbüro für Asylfragen (EASO) soll nach dem Willen der Kommission Teams in Italien und Griechenland aufstellen, um Asylanträge schnell zu bearbeiten.
5. FINGERABDRÜCKE: Die EU-Staaten sollen sicherstellen, dass alle Flüchtlinge mit Fingerabdrücken erfasst werden.
6. NOTFALLSITUATIONEN: Es sollen Möglichkeiten ausgelotet werden, ob Flüchtlinge im Notfall über einen Sondermechanismus verteilt werden können.
7. PILOTPROJEKT: Angedacht ist ein EU-weites, freiwilliges Pilotprojekt zur Verteilung von Flüchtlingen. In einem ersten Schritt könnte es 5000 Plätze für schutzbedürftige Personen geben.
8. SCHNELLE ABSCHIEBUNG: Ein neues Programm unter der Koordination von Frontext soll dafür sorgen, dass illegale Einwanderer zügig wieder in ihre Heimatländer zurückgeschickt werden.
9. LIBYEN UND NORDAFRIKANISCHE NACHBARN: Die Kommission schlägt eine Zusammenarbeit mit Ländern rund um Libyen vor - der Staat gilt nämlich als wichtigstes Transitland für Bootsflüchtlinge.
10. VERBINDUNGSBEAMTE: In wichtigen Drittstaaten könnten sogenannte Verbindungsbeamte für Immigrationsfragen eingesetzt werden, die zum Beispiel Informationen zu Flüchtlingsbewegungen sammeln.

+++ Erneut Hunderte Tote nach Flüchtlingsunglück vor Libyen vermutet +++

Am Montag funkten zwei Boote mit etwa 400 Menschen an Bord nahe der Küste Libyens SOS, wie der italienische Ministerpräsident Matteo Renzi sagte.

Renzi sagte auf einer Pressekonferenz mit seinem maltesischen Kollegen Joseph Muscat, die am Montag empfangenen Seenotrufe stammten von einer Rettungsinsel mit 100 bis 150 Flüchtlingen und einem Boot mit weiteren rund 300 Personen an Bord.

+++ Reeder fordern von Merkel mehr Hilfe für Flüchtlinge +++

Der Verband Deutscher Reeder fordert von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mehr Hilfe bei der Rettung von Flüchtlingen. „Unsere Besatzungen sehen die Menschen sterben, sie ertrinken vor unseren Augen oder erfrieren an Bord“, heißt es in einem Schreiben an das Bundeskanzleramt, wie der NDR-Radiosender 90,3 am Montag in Hamburg meldete. Vorgeschlagen wird eine Art Luftunterstützung für Handelsschiffe. Sie soll medizinische Einsatzkräfte an Bord von Schiffen bringen, die Flüchtlinge aufnehmen.

Angesichts der vielen Opfer reichten die Mittel an Bord nicht mehr aus, schreiben Reederpräsident Alfred Hartmann und Geschäftsführer Ralf Nagel. Sie seien auch in großer Sorge um die eigenen Seeleute. Viele seien am Ende ihrer Kraft und suchten sich einen anderen Job.

+++ Mehr als 18 Stunden Mahnwache für ertrunkene Flüchtlinge +++

Mit einer mehr als 18-stündigen Mahnwache haben in Augsburg Dutzende Menschen bis tief in die Nacht der im Mittelmeer ertrunkenen Flüchtlinge gedacht. Wie die Polizei am Montag mitteilte, hatte die Initiative „Colorful Augsburg“ die Versammlung am Vortag zunächst für sieben Stunden angemeldet. Damit wollten sie an die Opfer eines Schiffsunglücks erinnern, das sich in der vergangenen Woche vor der libyschen Küste ereignet hat. „Sie wollten für jeden Verstorbenen grob eine Minute mahnend stehen“, sagte ein Polizeisprecher. Als sich am Nachmittag die Meldung über eine weitere Flüchtlingskatastrophe verbreitete, wurde die Mahnwache auf dem Rathausplatz spontan bis nach 4.00 Uhr morgens verlängert.

+++ EU-Krisengipfel zu Flüchtlingen am Donnerstag +++

Nach den jüngsten Flüchtlingsdramen im Mittelmeer hält die Europäische Union am Donnerstag einen Krisengipfel in Brüssel ab. Dies teilte EU-Ratspräsident Donald Tusk am Montag mit. In den vergangenen Tagen waren hunderte Menschen auf der Flucht in die Europäische Union im Mittelmeer ertrunken.

+++ Schröder-Köpf: „Mare Nostrum“-Programm wieder aufleben lassen +++

Doris Schröder-Köpf (SPD), Migrationsbeauftragte der niedersächsischen Landesregierung, fordert nach den Flüchtlingstragödien im Mittelmeer eine Neuauflage des Seenotrettungsprogramms „Mare Nostrum“. „Insbesondere appelliere ich an alle Mitgliedstaaten der EU, ihrer Verantwortung für die Aufnahme und angemessene Versorgung von Flüchtlingen gerecht zu werden“, betonte sie am Montag. Sie schließe sich ausdrücklich der Forderung von EU-Parlamentspräsident Martin Schulz an. Dieser hatte gefordert, nicht nur weiter an Symptomen herumzudoktern, sondern zu erkennen, dass die EU Einwanderungsgebiet sei und eine gesetzlich abgesicherte, geordnete Immigrationspolitik benötige.

+++ De Maizière: In Libyen warten eine Million Flüchtlinge +++

In Libyen warten nach Angaben von Bundesinnenminister Thomas de Maiziere rund eine Million Flüchtlinge auf die Überfahrt über das Mittelmeer in die EU. Diese Zahl nannte der CDU-Politiker am Montag nach Angaben mehrerer Teilnehmer in der CDU-Bundesvorstandssitzung in Berlin. De Maziere habe zudem von einer immer professionelleren Organisation der Schlepperbanden berichtet, die die Flüchtlinge teilweise sogar per App an die Küste und zu den Booten leiteten.

"Es handelt sich um eine echte Völkerwanderung", sagte der CDU-Europapolitiker Elmar Brok zu Reuters. Die Rettung der Flüchtlinge aus dem Mittelmeer sei wichtig, werde alleine aber nicht helfen. "Wenn wir nur viel mehr Schiffe einsetzen, werden in Libyen bald zwei Millionen Menschen warten." Wichtig sei, Außen-, Innen- und Entwicklungshilfe zu kombinieren. Die EU-Staaten müssten in den Herkunftsländern ansetzen. "Denn es berichtet doch etwa niemand darüber, dass in der Sahara wohl noch mehr Menschen sterben als im Mittelmeer", sagte Brok mit Blick darauf, dass die Schlepperbanden den Fluchtweg von Menschen aus Schwarzafrika nach Norden zunächst durch die Wüste organisierten.

+++ Weiteres Flüchtlingsschiff mit 300 Menschen im Mittelmeer in Seenot +++

Im Mittelmeer ist am Montag offenbar schon wieder ein Flüchtlingsschiff mit Hunderten Menschen in Seenot geraten und sinkt ohne Aussicht auf rechtzeitige Rettung. Ein Passagier rief von Bord aus die Internationale Organisation für Migration (IOM) an. "Der Anrufer sagte, dass mehr als 300 Menschen auf seinem Boot sind und dieses sinkt und schon mindestens 20 Menschen tot sind", erklärte die IOM.

Der Hilferuf ging im IOM-Büro in Rom ein. Den Angaben des Anrufers zufolge sind drei Schiffe dicht beieinander vor der libyschen Küste unterwegs, er sitze in einem von ihnen. Die genaue Position konnte jedoch zunächst nicht bestimmt werden. Die IOM alarmierte die Küstenwache. Doch wegen der Tragödie vom Sonntag mit je nach Angaben rund 700 oder 900 Toten fehlten der Küstenwache derzeit die Mittel, nach dem anderen Schiff zu suchen, teilte die IOM weiter mit.

"Die Küstenwache wird vermutlich Handelsschiffe zu dem kenternden Boot schicken", hieß es bei der IOM. Allerdings weigerten sich einige kommerzielle Schiffe, bei der Rettung zu helfen.

+++ Tauber: Deutschland würde Seenotrettungsprogramm mittragen +++

Die Bundesregierung würde angesichts der Flüchtlingskatastrophen im Mittelmeer ein europäisches Seenotrettungsprogramm unterstützen. "Wenn Europa das als Teil der Lösung sieht, wird Deutschland das sicher mittragen", sagte CDU-Generalsekretär Peter Tauber am Montag nach den Sitzungen der Spitzengremien der Partei, in denen Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) zu dem Thema berichtet hatte. Er habe de Maizière so verstanden, dass dieser sich einer "gemeinsamen europäischen Lösung" nicht verschließen werde, sagte Tauber.

Der Bundesinnenminister hatte noch vor kurzem ein neues Seenotrettungsprogramm abgelehnt und als Beihilfe für die Schlepper bezeichnet. Tauber sagte weiter, es gehe jetzt darum, "zu schauen, dass man schnell das Leid" der Flüchtlinge auf dem Mittelmeer lindere. Es müsse aber mindestens genauso energisch gegen Schlepperbanden und Schleuser vorgegangen werden. Auch hier müsse Europa gemeinsam Maßnahmen ergreifen.

+++ Kanzlerin: Flüchtlingskatastrophe Europas nicht würdig +++

Die Bundesregierung hat sich erschüttert über das neuerliche Bootsunglück im Mittelmeer mit vermutlich mehr als 900 Toten geäußert. „Dass dies mit trauriger Regelmäßigkeit im Mittelmeer stattfindet, das ist ein Zustand, der Europas nicht würdig ist“, sagte der Sprecher von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Steffen Seibert, am Montag in Berlin. Ein Kontinent, der sich der Humanität verpflichtet fühle, müsse Antworten darauf suchen, „auch wenn es keine einfachen Antworten gibt“, sagte Seibert.

Bei konkreten Forderungen blieb Seibert zurückhaltend und verwies auf das für den Nachmittag geplante Treffen der EU-Außen- und Innenminister, dem man nicht vorgreifen könne.

+++ Mindestens drei Migranten vor Rhodos ertrunken +++

Wenige Meter vor der Küste der griechischen Touristeninsel Rhodos sind nach übereinstimmenden Medienberichten mindestens drei Flüchtlinge ertrunken, darunter ein etwa vierjähriges Kind. Sie waren mit etwa 200 weiteren Menschen an Bord eines Kutters, der am Montagvormittag in einem felsigen Bereich vor dem beliebten Badestrand Zefyros der Stadt Rhodos auf Grund lief, wie das staatliche griechische Fernsehen (Nerit) berichtete. Augenzeugen berichteten, die Menschen versuchten schwimmend die Küste zu erreichen. Nach Angaben der Küstenwache wurden bislang 80 Menschen gerettet. Wie viele Migranten insgesamt an Bord waren, war demnach zunächst unklar. Über die Ägäis versuchen Schleuserbanden immer wieder, Migranten und Flüchtlinge von der türkischen Küste nach Westeuropa zu bringen.

+++ Helfer finden nach Flüchtlingsdrama keine weiteren Überlebenden +++

Rettungskräfte haben keine weiteren Überlebenden oder Toten gefunden. Die Suche nach Vermissten werde fortgesetzt, "aber leider wurde kein einziger Überlebender gefunden", sagte die Sprecherin des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR in Italien, Carlotta Sami, am Montag dem Fernsehsender RAInews24. Die italienische Küstenwache teilte mit, bislang gebe es 28 Überlebende und 24 geborgene Tote.

+++ 24 Leichen der jüngsten Flüchtlingskatastrophe nach Malta gebracht +++

Nach der Flüchtlingskatastrophe mit bis zu 900 Toten hat die italienische Küstenwache am Montag 24 Leichen zur Bestattung nach Malta gebracht. Ihr Schiff „Gregoretti“ nahm danach mit 28 Überlebenden Kurs auf Sizilien, wie das maltesische Militär mitteilte.

Am Wochenende war vor der libyschen Küste ein Schiff mit Hunderten Flüchtlingen gekentert und gesunken. Nach Angaben eines 32-jährigen aus Bangladesch waren bis zu 950 Menschen an Bord. Die Internationale Organisation für Migration erklärte, die Informationen würden überprüft. Nach Aussagen des Überlebenden aus Bangladesch, der von der Staatsanwaltschaft in Sizilien befragt worden war, waren viele Menschen im Laderaum eingeschlossen. „Die Schmuggler haben die Türen geschlossen und verhindert, dass sie herauskommen“, sagte er laut italienischer Medien.

Wenige Meter vor der Küste der griechischen Touristeninsel Rhodos lief derweil ein Flüchtlingsschiff auf Grund. Medienberichten zufolge starben mindestens drei Menschen, darunter ein vierjähriges Kind. Nach Angaben der Küstenwache wurden 80 Menschen gerettet. Wie viele Migranten insgesamt an Bord waren, war demnach zunächst unklar. Über die Ägäis versuchen Schleuserbanden, Migranten und Flüchtlinge von der türkischen Küste nach Westeuropa zu bringen. (dpa)

Hamburger Containerschiff rettet Flüchtlinge

Ein Containerschiff der Hamburger Reederei Claus-Peter Offen hat aus dem Mittelmeer zwischen Malta und Libyen 420 Flüchtlinge aus acht Nationen gerettet
Ein Containerschiff der Hamburger Reederei Claus-Peter Offen hat aus dem Mittelmeer zwischen Malta und Libyen 420 Flüchtlinge aus acht Nationen gerettet © Svante Domizlaff
Ein Containerschiff der Hamburger Reederei Claus-Peter Offen hat aus dem Mittelmeer zwischen Malta und Libyen 420 Flüchtlinge aus acht Nationen gerettet
Ein Containerschiff der Hamburger Reederei Claus-Peter Offen hat aus dem Mittelmeer zwischen Malta und Libyen 420 Flüchtlinge aus acht Nationen gerettet © Svante Domizlaff
Ein Containerschiff der Hamburger Reederei Claus-Peter Offen hat aus dem Mittelmeer zwischen Malta und Libyen 420 Flüchtlinge aus acht Nationen gerettet
Ein Containerschiff der Hamburger Reederei Claus-Peter Offen hat aus dem Mittelmeer zwischen Malta und Libyen 420 Flüchtlinge aus acht Nationen gerettet © Svante Domizlaff
Ein Containerschiff der Hamburger Reederei Claus-Peter Offen hat aus dem Mittelmeer zwischen Malta und Libyen 420 Flüchtlinge aus acht Nationen gerettet
Ein Containerschiff der Hamburger Reederei Claus-Peter Offen hat aus dem Mittelmeer zwischen Malta und Libyen 420 Flüchtlinge aus acht Nationen gerettet © Svante Domizlaff
Ein Containerschiff der Hamburger Reederei Claus-Peter Offen hat aus dem Mittelmeer zwischen Malta und Libyen 420 Flüchtlinge aus acht Nationen gerettet
Ein Containerschiff der Hamburger Reederei Claus-Peter Offen hat aus dem Mittelmeer zwischen Malta und Libyen 420 Flüchtlinge aus acht Nationen gerettet © Svante Domizlaff
Ein Containerschiff der Hamburger Reederei Claus-Peter Offen hat aus dem Mittelmeer zwischen Malta und Libyen 420 Flüchtlinge aus acht Nationen gerettet
Ein Containerschiff der Hamburger Reederei Claus-Peter Offen hat aus dem Mittelmeer zwischen Malta und Libyen 420 Flüchtlinge aus acht Nationen gerettet © Svante Domizlaff
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Wie Europa auf die Situation im Mittelmeer reagieren kann, wollen am Montag in Luxemburg die EU-Außen- und Innenminister bei einem Krisentreffen besprechen. Die Europäische Union müsse so schnell wie möglich dafür sorgen, dass nicht noch mehr Menschen im Mittelmeer umkämen, sagte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier bei seiner Ankunft in Luxemburg. Er warnte aber vor zu großen Erwartungen. „Ganz schnelle Lösungen“ werde es sicherlich nicht geben. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte in Berlin: „Es ist allen in der Bundesregierung klar, dass gehandelt werden muss.“ Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sei tief bestürzt über den Tod der Flüchtlinge.

Einen ersten Erfolg gab es in Palermo: Dort zerschlug die Polizei einen internationalen Schleuserring. Die Männer aus Afrika sollen mit großem Gewinn Flüchtlinge in EU-Staaten, darunter auch nach Deutschland, geschleust haben. (dpa/afp/epd/rtr/ap/HA)