Freiburg. Schüler steht in Freiburg vor Gericht. Er soll nach Vergewaltigung seiner Schwester blutig Rache genommen haben. Die Tat bestreitet er nicht.

Der Tatort ist leicht zu finden: Ein Pendlerparkplatz direkt an der viel befahrenen Autobahn, neben einer Bahnstrecke und der deutsch-französischen Grenze am Rhein. Hier kam es vor neun Monaten zu einem tödlichen Fall von Selbstjustiz. Nun muss sich ein Teenager dafür vor Gericht verantworten, der Prozess in Freiburg hat am Mittwoch begonnen. Der damals 17 Jahre alte Schüler soll im Juni vergangenen Jahres gemeinsam mit seinem Vater den mutmaßlichen Vergewaltiger seiner Schwester getötet haben. Ein spektakulärer und besonderer Fall - auch für die Justiz.

Der heute 18-Jährige, sein 48 Jahre alte Vater sowie zwei mutmaßliche Komplizen, 19 und 21 Jahre alt, sitzen gemeinsam auf der Anklagebank im Freiburger Landgericht. Als Sohn und Vater in Handschellen den Saal betreten, fallen sie sich in die Arme. Ihnen werden gemeinschaftlicher Mord zur Last gelegt sowie Körperverletzung mit Todesfolge. Drei der vier Angeklagten sitzen in Untersuchungshaft, sie waren unweit des Tatorts festgenommen worden.

Verhandelt wird vor der Jugendkammer des Gerichts. Denn der Hauptangeklagte, ein schmächtiger junger Mann, war zur Tatzeit gerade einmal 17 Jahre alt. Aus Rache und zur Vergeltung soll er getötet haben, „um so die vermeintlich verletzte Familienehre wieder herzustellen“, sagt Oberstaatsanwalt Eckart Berger beim Prozessauftakt. Getötet habe der 17-Jährige. Sein Vater sei dabei gewesen und habe mitgemacht. Die Komplizen halfen, indem sie das Treffen organisierten und das Opfer festhielten, so die Anklage.

Schwester des Angeklagten wurde vergewaltigt und verprügelt

Sechs Tage zuvor war die Schwester des 17-Jährigen verprügelt und vergewaltigt worden. Der mutmaßliche Täter, ein 27-Jähriger, war bekannt, die Polizei fahndete nach ihm. Doch er tauchte unter, die Polizei hatte keine Spur. Die Familie machte sich nach Auskunft der Staatsanwaltschaft selbst auf die Suche und wurde schneller fündig als die Polizei.

Über soziale Netzwerke im Internet fand sie den Ermittlungen zufolge Kontakt und lockte den Mann, unter Vorwand eines Drogengeschäfts, in einen Hinterhalt. Er wurde zur tödlichen Falle. Anzeichen, dass die Familie des Vergewaltigungsopfers Selbstjustiz plane, habe es nicht gegeben, sagt ein Polizeisprecher. Sonst hätte die Polizei versucht, das zu verhindern.

Der Sohn hat die Tat gestanden. Dies werde er auch vor Gericht tun, sagt sein Verteidiger Sebastian Glathe. Aber: „Einen Plan hat es nicht gegeben.“ Der 17-Jährige sei in einem Ausnahmezustand gewesen, habe im Affekt gehandelt. Er sei vermindert schuldfähig. „Er bereut, was er getan hat“, erklärt der Anwalt. Der 17-Jährige sagt nichts am ersten Verhandlungstag, ebenso wenig wie die anderen Angeklagten.

Der Prozess soll bis Mitte Juli dauern. Der Vorsitzende Richter und seine Kollegen stehen vor kniffligen Fragen. Unter anderem, ob nach Jugend- oder Erwachsenenstrafrecht geurteilt wird. Bei Jugendstrafrecht drohen dem heute 18-Jährigen maximal zehn Jahre Haft. Nur wenn in einem Mordfall eine besondere Schwere der Schuld festgestellt wird, können es bis zu 15 Jahre sein. Bei Erwachsenenstrafrecht stehen höhere Strafen im Raum, bei Mord lebenslang.

Die Familie des Getöteten tritt als Nebenkläger auf. Sie muss sich die blutigen Details anhören. Der Staatsanwalt spricht von einem besonders schweren und grausamen Fall von Selbstjustiz. „Das Opfer hatte keine Chance.“ Es sei hilflos ausgeliefert gewesen. Der 27-Jährige verblutete, nachdem er mit Messer, Schlagstock, Elektroschocker sowie mit Tritten und Schlägen angegriffen worden war. „Die Attacke war gezielt und gefasst vom Entschluss, das Opfer zu töten.“ Heute erinnern Blumen, Kerzen und ein Holzkreuz am Tatort an das, was hier geschah.