Bamberg . Staatsanwaltschaft wirft dem Bamberger Ex-Chefarzt sexuellen Missbrauch vor. Er bestreitet die Vorwürfe

Bis August 2014 war er ein angesehener Mediziner mit Chefarzt-Posten am Bamberger Klinikum. Dann wurden Vorwürfe laut, die seine Karriere schlagartig beendeten. Nun ist Heinz W., 49, Angeklagter in einem Prozess um Vergewaltigung, sexuelle Nötigung und gefährliche Körperverletzung. Der Spezialist für Gefäßchirurgie trägt einen dunklen Anzug und ein weißes Hemd, blättert in seinen Unterlagen, macht sich Notizen. Eine Stunde lang verliest Staatsanwalt Bernhard Lieb am Dienstag vor dem Bamberger Landgericht die Anklageschrift.

Der Arzt soll sich von 2008 bis 2014 in mehreren Fällen an Patientinnen und Mitarbeiterinnen vergangen haben – die jüngste war 17 Jahre alt, die älteste 28. Laut Anklage nutzte Heinz W. das Vertrauen aus, das die Frauen ihm als Arzt entgegenbrachten und behauptete, den Frauen für eine Ultraschall-Untersuchung von Blutgefäßen ein Kontrastmittel zu spritzen. Tatsächlich habe er sie betäubt, um sie zu missbrauchen und ihren Intimbereich zu filmen und zu fotografieren.

Seit Ende August 2014 sitzt der Mediziner in Untersuchungshaft

Für die angeblichen Untersuchungen gibt es laut Staatsanwaltschaft keine Unterlagen und keine Dokumentationen in der Klinik. Auch nicht für die medizinische Studie, an der die Frauen angeblich teilnehmen sollten. Nach Angaben der Anklagebehörde geht es um 13 mutmaßliche Opfer: Neun Patientinnen, zwei Praktikantinnen, eine Auszubildende sowie eine 18-Jährige aus dem privaten Umfeld des Arztes. Zwölf Frauen treten vor dem Landgericht Bamberg als Nebenklägerinnen auf. Vier kommen in den Gerichtssaal und hören die Details. Erinnern können sie sich wegen des Betäubungsmittels nicht. Die Fotos und Videos sind das Beweismaterial der Staatsanwaltschaft.

Im Saal sitzt auch die Frau, die den Fall ans Licht brachte. Die Medizinstudentin, vom Angeklagten zur Teilnahme an einer angeblichen Studie überredet, hatte nach der Untersuchung Erinnerungslücken und ließ deshalb ihr Blut untersuchen. Man entdeckte Spuren eines Betäubungsmittels, sie erstattete Anzeige. Die Ermittlungen förderten weitere Verdachtsfälle zutage. Auch außerhalb der Klinik soll es zu einem Vorfall gekommen sein: Mit der damals 18 Jahre alten Patentochter seiner Frau soll der zweifache Familienvater einen Ausflug gemacht, dabei ein Doppelzimmer gebucht und sie heimlich auf dem Bett liegend gefilmt haben.

Seit Ende August sitzt der Arzt in Untersuchungshaft, er bestreitet die Missbrauchsvorwürfe. Seine Existenz sei vernichtet, sagen seine Anwälte. Sie sprechen von Vorverurteilungen und davon, dass die Unschuldsvermutung ausgehebelt sei. Es werde nicht daran gedacht, dass ihr Mandant vielleicht auf unkonventionellem Wege nach neuen Behandlungsmethoden bei Gefäßerkrankungen gesucht habe. Der Mediziner will am ersten Verhandlungstag lediglich über seinen Lebenslauf sprechen. Um über die einzelnen Fälle Auskunft zu geben, brauche er noch Zeit, sagt er. Er werde aber medizinische Begründungen liefern. Am Dienstag also redet er ausführlich über seinen beruflichen Werdegang. Vor Gericht steht ein eloquenter und selbstbewusster Mann, der fest von seinen Kompetenzen als Mediziner überzeugt zu sein scheint. Der auf die Erfolge verweist, die er in fast zehn Jahren als Chefarzt am Bamberger Klinikum erlangt hat. Der auch zu verstehen geben will, dass ihm Patientenschicksale nicht egal sind.

Der Vorsitzende Richter Manfred Schmidt sagt schließlich: „Wir arbeiten hier themenorientiert.“ Die Strafkammer dürfte es deutlich interessanter finden, wenn sich der Angeklagte kommenden Dienstag zu den von der Staatsanwaltschaft genannten Fällen äußert.

Das Klinikum hat an die betroffenen Frauen bereits Geld ausgezahlt

Das Klinikum Bamberg hat Heinz W. gleich nach Bekanntwerden der Vorwürfe gekündigt und Geld an die betroffenen Frauen gezahlt. Die Staatsanwaltschaft sieht es als „unerlässlich“ an, dass das Gericht ein Berufsverbot verhängt. Um den Fall aufzuklären, sind 50 Zeugen geladen. Dazu kommen sechs Sachverständige, die medizinische Fachfragen klären sollen. Das Urteil soll Ende Mai gefällt.