Havanna. In der Hauptstadt Havanna stehen ehemalige Streuner unter staatlichem Schutz. Sie erhalten Unterschlupf und Futter und werden vor Hundefängern geschützt.

Vladimir und Canela gehören zu den glücklichsten Straßenhunden der Welt. In der kubanischen Mittagshitze finden sie schattige Zuflucht in einem altehrwürdigen Museum Havannas, in der Nacht schlafen sie dort unter der Treppe – und das alles mit Erlaubnis. Gemeinsam mit Aparicio, Leon und Carinoso hat das Museum für Schmiedekunst die Tiere aufgenommen. Eine ganze Reihe weiterer staatlicher Einrichtungen und Institutionen hat sich angeschlossen, von einer öffentlichen Toilette bis hin zur Zentralbank.

Knapp zwei Dutzend Straßenhunde haben es so in eine äußerst privilegierte Stellung geschafft. Sie erhalten Unterschlupf und Futter, und sie werden so gut wie möglich vor Hundefängern geschützt. Ausweise machen Vladimir und seine Mitbewohner als Hunde des Museums kenntlich. Die Karten mit Name, Foto und Anschrift tragen sie an einer Schnur um den Hals. „Eigentlich mag ich keine Hunde, aber ich bin weich geworden“, sagt Yarisbel Perez, Angestellte in einem historischen Gebäude an der Plaza Vieja, wo Nina und P9 untergekommen sind. P9 wurde nach einer der örtlichen Nachtbuslinien benannt.

Ihren fast-offiziellen Status als staatliche Schützlinge verdanken die Hunde einer Art Anstellung als Sicherheitshelfer. Das Gesetz verbietet allgemein Hunde an Arbeitsstätten, lässt aber natürlich Wachhunde zu. Gelegentlich ziehen Vladimir und Co. denn auch nachts mit Polizisten durch die Gassen. Öffentlichkeitswirksame Rückendeckung bekamen die Befürworter der Sache, als einer der betreuten Hunde in einem Regierungsgebäude eines Nachts Diebe stellte. Die Bande hatte versucht, Klimaanlagen auszubauen; der Hund weckte mit seinem Gebell die Wachleute. „Es gab danach eine öffentliche Feier, in der der Hund ausgezeichnet wurde“, berichtet Nora Garcia, die Präsidentin des kubanischen Tierschutzbundes.

Tatsächliche Motivation für die Aufnahme der Straßenhunde ist in den meisten Fällen aber nicht die offizielle Wachhund-Version, sondern schlicht Tierliebe und der Wunsch der Wächter und anderer Angestellter nach Gesellschaft. „Sie sind hier, ihnen passiert nichts“, bringt Dalia Garcia, Verwalterin einer öffentlichen Toilettenanlage, ihr Schutzanliegen auf den Punkt. „Alle passen auf sie auf, keiner schlägt sie.“ Ihre beiden Hunde wiederum seien friedlich und bellten niemanden an. In der Altstadt von Havanna profitieren die Tiere von den zahlreichen staatlichen Restaurants, die ihnen die Essensreste überlassen. Für Perez‘ Hunde Nina und P9 gibt es diesmal Schweinefleischstreifen und Hühnchen. Vladimir und seine Gruppe mögen vor allem Aufschnitt, Hackfleisch und Leber, wie Aufseherin Victoria Pacheco verrät.

Anders als bei richtigen Herrchen und Frauchen bleibt der geschützte Raum für die geduldeten Tiere jedoch deutlich kleiner. An der Kunsthochschule von Havanna habe ein Hundefänger in den Ferien zugeschlagen, sagt Dalia Garcia. Die Studenten, die sonst auf die Tiere aufpassten, seien alle im Heimaturlaub gewesen. Ein solches Schicksal droht auch all den Straßenhunden in der kubanischen Hauptstadt, die nicht den Sonderstatus unter Aufsicht von Staatsangestellten genießen. „Wir fühlen uns manchmal ganz schlecht und geben ihnen etwas zu essen“, sagt Yarisbel Perez. Doch alle könnten sie leider nicht aufnehmen. „Wenn wir anfangen würden, uns um alle zu kümmern, wäre es hier wie in einem Zoo.“