Dramatische Rettungsaktion in der Adria. Schiff steht in Flammen. Fast 500 Menschen in Todesangst. Mindestens ein Mann stirbt. Über das Schicksal vieler anderer herrscht bis tief in die Nacht Ungewissheit

Brindisi. Albtraum im Mittelmeer: Hunderte Passagiere und Besatzungsmitglieder haben den ganzen Sonntag auf einer brennenden Adria-Fähre um ihr Leben kämpfen müssen. Mindestens ein Mann starb, als er bei Windstärke 8 vom Deck in die tosende See stürzte.

Der Sturm war so stark, dass es den herbeigeeilten Frachtern und Marineschiffen nur sehr schwer gelang, Menschen aus dem Inferno zu retten. Manche konnten sich in Rettungsboote flüchten, einige schwimmende Kinder wurden mit Unterkühlungen aus den sechs Meter hohen Wellen gezogen. Trotz des Einsatzes von Helikoptern sollen sich am späten Abend immer noch zahlreiche Menschen an Bord der Fähre befunden haben. Über ihr Schicksal war nichts bekannt. Unter den Passagieren sind nach offiziellen Angaben auch 18 Deutsche.

Die „Norman Atlantic“ war mit 478 Menschen an Bord auf dem Weg von Patras nach Ancona in Italien, als am frühen Morgen etwa 44 Seemeilen nordwestlich von Korfu das Feuer ausbrach. Angeblich soll der Brandherd auf einem Autodeck gelegen haben. Die Ursache blieb gestern unklar. Das Feuer breitete sich schnell über die ganze Fähre aus. Über dem manövrierunfähigen Schiff standen riesige schwarze Rauchwolken, aus mehreren Luken schlugen Flammen. Gerettete Augenzeugen schilderten im griechischen Rundfunk die Hitze und die Panik an Bord. „Der Boden brannte, als wir zum Rettungsboot gingen!“, berichtete eine Frau mit Namen Athina im Sender Skai. Andere meldeten sich per Handy bei ihren Angehörigen: „Wir verbrennen! Wir sitzen hier in einer Ecke, und das Feuer kommt immer näher! Wir können nichts tun!“

Der Passagier Giorgos Styliaras sagte über Mobilfunk dem griechischen Sender Mega Channel: „Wir stehen draußen an Deck, sind durchgefroren und ersticken im Qualm. Ich weiß nicht, ob wir durchhalten!“ Zwei gerettete Teenager berichteten: „Es war wie auf der ‚Titanic‘!“

Das italienische Fernsehen zeigte Bilder, wie Menschen mit dem Hubschrauber aus dem Meer gezogen wurden. Bis zum späten Abend konnten etwa 190 Menschen gerettet werden. Darunter befindet sich laut der Nachrichtenagentur Ansa auch eine Frau, die in der 30. Woche schwanger ist – sie war mit ihren zwei Kindern vermutlich ins Wasser gefallen. Auch die beiden Geschwister überlebten. Die Eltern von zwei anderen geretteten Kindern befänden sich dagegen noch auf der „Norman Atlantic“, hieß es. Der Einsatz an der brennenden Fähre sollte die ganze Nacht weitergehen. Italiens Premier Matteo Renzi und die griechische Regierung versicherten, man werde das „Maximale“ tun, um die Menschen in Sicherheit zu bringen.

Nach Medienberichten waren erst am 19. Dezember bei einer Inspektion auf der „Norman Atlantic“ viele Mängel festgestellt worden – so monierten die Experten unzureichende Rettungsmittel, undichte Sicherheitstüren und den Zustand der Notbeleuchtung. Der griechisch-italienischen Reederei Anek wurde eine Frist eingeräumt, die Mängel zu beheben. Diese Frist war gestern noch nicht verstrichen.