Dramen und Exzesse bestimmten lange Zeit einen großen Teil ihres Lebens - jetzt lässt Rock-Röhre Tina Turner es ruhiger angehen. Der US-Star lebt beschaulich in der Schweiz: „Hier habe ich meinen Seelenfrieden gefunden.“

München. Kaum einer hätte gedacht, dass Tina Turner tatsächlich 75 Jahre alt werden würde. Ihr Leben war lange von Dramen und Exzessen geprägt – jetzt, im Alter, kommt eine Spur Kitsch dazu: Wenn die Rock-Röhre am Mittwoch ihren 75. Geburtstag feiert, stellt ihre Wahlheimat Küsnacht in der Schweiz zum ersten Mal die von der Queen of Rock'n'Roll für einen angeblich sechsstelligen Betrag spendierte Weihnachts-Straßenbeleuchtung an – um „Licht, Freude und festlichen Glanz in den dunklen Winteralltag“ zu bringen, wie die Gemeinde mitteilte.

„Hier habe ich meinen Seelenfrieden gefunden“, sagte Tina Turner in einem ihrer selten gewordenen Interviews im August dem Schweizer Boulevardblatt „Blick“ zu Küstnacht. Mit ihrem Mann, dem 16 Jahre jüngeren deutschen Musik-Manager Erwin Bach, führt sie ein weitgehend zurückgezogenes Leben.

Ike und Tina

Das stille Leben wirkt wie eine Rückkehr in ihre Kindheit. Am 26. November 1939 kam Tina Turner als Anna Mae Bullock in Brownsville im US-Bundesstaat Tennesse zur Welt. Aufgewachsen ist sie in dem kleinen Kaff Nutbush, dem sie später mit einem ihrer erfolgreichsten Lieder „Nutbush City Limits“ ein musikalisches Denkmal setzte.

Den Weg in die Rock-Musik öffnete ihr Ike Turner, den sie 1958 bei einem Auftritt in St. Louis das erste Mal sah. Die acht Jahre jüngere Frau sang bei ihm zunächst im Chor. Die beiden heirateten 1962 in Mexiko und Ike begann, seine Partnerin nach seinen Vorstellungen zu formen. Aus Anna machte er Tina, verpasste ihr eine Langhaarperücke und stellte sie sich als Gesangspartnerin an die Seite.

Was in dem Musikerpaar Ike und Tina Turner schnell zu bis heute unvergessenen Hits wie „River Deep, Mountain High“ führte, war privat die Hölle. Ike Turner war Psychopath und Junkie, er betrog seine Frau. Und vor allem verprügelte er sie nach ihrer Darstellung immer wieder.

1976: Ausbruch

Erst 1976 brach Tina Turner aus. Erneut von Ike blutig geschlagen schlich sie nur mit ein paar Cent in bar in der Tasche aus dem gemeinsamen Hotel. Zwei Jahre später war die Horror-Ehe geschieden – und Tina Turner stand bei Null: Um einen Rosenkrieg zu vermeiden, verzichtete sie auf alle Unterhaltsansprüche und Rechte an den Musiktiteln.

Dass sie heute mit über 180 Millionen verkauften Tonträgern und einem dreistellligen Millionenvermögen eine der erfolgreichsten Sängerinnen aller Zeiten ist, erarbeitete Tina Turner sich mit ihrem neuen Manager Roger Davies. Der verschaffte ihr Auftritte etwa bei Rod Stewart und David Bowie. 1982 bekam sie nach langer Durststrecke auch wieder einen Plattenvertrag. Ihre erste Single „Let's stay togehter“ wurde direkt ein Hit. Das 1984 veröffentlichte Album „What's love got to do with it“ ein Welterfolg.

Seit diesem inzwischen 30 Jahre zurückliegenden Erfolg verlief die Karriere Tina Turners ohne weitere Rückschläge – wohl aber mit einer gewissen Divenhaftigkeit der Sängerin. 1989 kündigte sie zum ersten Mal ihren Rückzug von der Bühne an, bis Ende der 1990er Jahre kam sie auf vier Abschiedstourneen. Inzwischen schon längst Großmutter trat Tina Turner dabei in dünnen Kleidchen äußerst sexy auf – ihre Plattenfirma nannte sie eine „First Lady mit der Grazie einer Raubkatze“.

Bei ihrer 2009 beendeten jüngsten Welttournee reichte es, ihre Silhouette mit Löwenmähne zu plakatieren, um alle Konzerttickets binnen kürzester Zeit zu verkaufen. Seitdem stand Tina Turner tatsächlich nicht mehr mit Rockmusik auf der Bühne. Dafür singt die Buddhistin in dem Musikprojekt Beyond inzwischen mit drei anderen Künstlerinnen religiöse Lieder und Gebete. Für ihr im Mai veröffentlichtes Album „Love within“ spricht und singt sie Baptistengebete aus ihrer Kindheit – die Rock-Röhre scheint endgültig ruhig geworden zu sein.