Der 58-jährige Musiker lebt wieder in einer glücklichen Beziehung – und meldet sich mit einem neuen Album zurück

Berlin. Sein Erfolg kam recht spät, aber mit voller Wucht: Kaum ein Künstler berührt diese Nation so sehr wie Herbert Grönemeyer. In den vergangenen 30 Jahren landete jedes seiner deutschsprachigen Studioalben auf dem ersten Platz der Charts, sein Erfolgswerk „Mensch“ ist die wahrscheinlich meistverkaufte Platte in Deutschland bislang. Mit „Dauernd jetzt“ meldet sich der 58-Jährige nun zurück – und klingt aufgeräumt und optimistisch. „Ich bin seit zweieinhalb Jahren in einer sehr glücklichen Beziehung, und ich denke, das merkt man der Platte auch an“, erklärt Grönemeyer. So etwa bei der ersten Single-Auskopplung „Morgen“ oder dem zarten „Ich lieb mich durch zu dir“.

Für Gänsehaut sorgt auch „Der Löw“, eine Hymne auf die Fußball-WM in Brasilien. Der Text entstand nicht erst nach dem Titelgewinn der Nationalelf, sondern bereits in der Nacht nach dem fulminanten Halbfinale gegen Brasilien (7:1). „Ich dachte, das ist alles nicht wahr“, erinnert sich der leidenschaftliche Fußballfan. „Ich fühlte mich wie ein Zehnjähriger. Das war wie als der VfL Bochum im Pokalfinale stand.“

Zwölf Stücke umfasst „Dauernd jetzt“, 16 Lieder sind auf einer erweiterten Version zu hören. Der Titel spielt ebenso wie der Song „Wunderbare Leere“ darauf an, in der Gegenwart zu leben und den Moment zu genießen: „Das Leben findet jetzt statt (…), und das macht es auch aus. Genauso gemein ist es, wenn es dir von jetzt auf gleich Mist beschert.“

Einen doppelten Schicksalsschlag erlebte der Sänger 1998, als innerhalb weniger Tage erst sein Bruder und dann seine Frau an Krebs starben. Herbert Grönemeyer zog sich zunächst zurück, seine Trauer verarbeitete er auf „Mensch“. Mit seinem Sohn und seiner Tochter wohnt er weitgehend unbehelligt in London, inzwischen lebt er wieder die Hälfte des Jahres in Deutschland, genauer in Berlin.

Seinen Optimismus hat Grönemeyer, der sich selbst als „ziemliche Frohnatur“ bezeichnet, nicht verloren. Er habe immer versucht, von Tag zu Tag zu leben, „das mache ich, glaub’ ich, auch heute noch“. Sänger wollte er eigentlich nie werden: „Ich dachte, vielleicht werde ich Fußballer oder Gebrauchtwagenhändler“, sagt der Oldtimer-Fan.

Schließlich kam er über das Theater doch zur Musik. Die ersten vier Alben floppten, die Plattenfirma riet ihm aufzuhören. Doch dann kam „4630 Bochum“: die Platte mit Hits wie „Männer“ und „Flugzeuge im Bauch“ wurde 1984 in Deutschland das erfolgreichste Album des Jahres.

30 Jahre später hören sich Grönemeyers Stücke komplexer und vielschichtiger an. „Der Spaß und der Sport dahinter ist, sich weiterzuentwickeln. Ob es besser wird, ist eine andere Frage.“ Nach wie vor gehe er ohne Konzept an ein neues Album, das entstehe eher aus einem Chaos. Er klimpere zu Hause vor sich hin und wenn er fünf, sechs sinnvolle Stücke zusammenhabe, merke er: „Jetzt hast du wieder Hunger, jetzt könntest du wieder eine Platte machen.“

Neben Liebesliedern widmet sich Grönemeyer auf „Dauernd jetzt“ auch gesellschaftspolitischen Themen. In „Uniform“ kritisiert er die digitalisierte Welt. „Alles ist überschaubar, weil alles so schön offen ist (…) digitale Diktatur, wir zerfleddern unsere Seele, für ein bisschen Bewunderung nur.“ Und „Feuerlicht“ beschreibt auf beklemmende Art und Weise die Situation eines Flüchtlings in Deutschland.

Insgesamt kommt das Album als typische Grönemeyer-Platte daher. Die Wahrscheinlichkeit, dass es sein zehntes Nummer-1-Studioalbum wird, ist hoch. Ob es ein Meilenstein wird, wie „4630 Bochum“ oder „Mensch“, bleibt allerdings abzuwarten.

Und Grönemeyer selbst? Verspürt er einen Erfolgsdruck? „Keiner scheitert gerne. Aber das kann schon passieren.“ Wichtig sei, dass er selbst hinter dem Album stehe, ohne nach etwas geschielt zu haben. „Ich könnte jetzt eine Platte machen, die wär’ erfolgreich. Ich weiß aber auch, dass ich die spekulativ gemacht hätte.“ Aber dennoch gebe es eine gewisse Eitelkeit: „Man möchte etwas Schönes machen und hofft, dass das die Leute erfreut.“