Für Angela Merkel ist der 25. Jahrestag des Mauerfalls ein Signal an die Welt: Wir können die Dinge zum Guten wenden – auch in der Ukraine und im Nahen Osten. Gorbatschow kritisierte den Westen.

Berlin. Der Mauerfall als Zeichen der Ermutigung: Kanzlerin Angela Merkel hat die Öffnung der deutsch-deutschen Grenze vor 25 Jahren als Signal an die Völker der Welt gewertet. „Wir können die Dinge zum Guten wenden – das ist die Botschaft des Mauerfalls“, sagte die CDU-Politikerin am Sonntag bei der zentralen Gedenkfeier in Berlin.

„Sie richtet sich besonders an die Menschen in der Ukraine, in Syrien und im Irak und in vielen anderen Regionen unserer Welt, in denen Freiheits- und Menschenrechte bedroht oder gar mit Füßen getreten werden.“ Zum Jubiläum des Mauerfalls waren am Wochenende Hunderttausende Besucher nach Berlin gekommen, wo in zahlreichen Veranstaltungen an die Ereignisse des 9. Novembers 1989 erinnert wurde.

Gorbatschow erhob Vorwürfe gegen den Westen

Hauptattraktion war eine Lichtinstallation, die den Verlauf der Mauer nachzeichnete. Die knapp 7000 Ballons sollten am Sonntagabend in den Himmel aufsteigen und so die symbolische Grenze wieder auflösen. Doch in die heitere Stimmung mischten sich auch kritische Töne - unter anderem von einem der Architekten der deutschen Einheit. Der frühere sowjetische Staats- und Parteichef Michail Gorbatschow erhob schwere Vorwürfe gegen den Westen. „Die Welt ist an der Schwelle zu einem neuen Kalten Krieg. Manche sagen, er hat schon begonnen“, sagte er bei einer Diskussion mit Blick auf den Ukraine-Konflikt. Der Friedensnobelpreisträger, der als einer der Väter der deutschen Einheit gilt, warf dem Westen und insbesondere den USA vor, ihre Versprechen nach der Wende 1989 nicht gehalten zu haben.

Stattdessen habe man sich zum Sieger im Kalten Krieg erklärt und Vorteile aus Russlands Schwäche gezogen. Die Vertrauenskrise belaste auch die Beziehungen zu Deutschland. Gorbatschow wird an diesem Montag von Merkel im Kanzleramt empfangen. Der 83-Jährige hat bereits angekündigt, dass er bei der Kanzlerin als Fürsprecher von Kremlchef Wladimir Putin auftreten will. Am Sonntag sagte er: „Lasst uns daran arbeiten, Vertrauen wiederherzustellen.“ Der frühere Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP) forderte in einem Interview auch mit Blick auf den Vormarsch der Terrormiliz IS einen Neuanfang in der Beziehung zu Russland und Putin. Merkel würdigte bei der zentralen Gedenkveranstaltung ausdrücklich die demokratischen Bewegungen in den östlichen Nachbarländern und die Politik von Gorbatschow als Voraussetzung für die Wende.

Weitere Mauern könnten eingerissen werden, sagte Merkel – „Mauern der Diktatur, der Gewalt, der Ideologien, der Feindschaften“. Die deutsche Erfahrung vor 25 Jahren habe gezeigt: „Träume können wahr werden. Nichts muss so bleiben wie es ist.“

Im NDR-Landesfunkhaus in Schwerin nahm Bundespräsident Joachim Gauck am Mittag an einer Gesprächsrunde teil. „Das sind die größten und bewegendsten Tage meines Lebens gewesen. Freiheit ist schön, aber Befreiung ist Freiheit, wenn sie jung ist. Dann strahlt sie besonders schön," sagte Gauck über die Erlebnisse vor 25 Jahren in Rostock, wo er damals als Pastor tätig war.

Papst Franziskus: Brücken statt Mauern

Papst Franziskus äußerte in Rom die Hoffnung, dass weitere Mauern zu Fall gebracht werden könnten. „Wir brauchen Brücken, keine Mauern“, rief er den Gläubigen auf dem Petersplatz zu.EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker rief zum Jubiläumstag dazu auf, Europa wieder „eine Herzensangelegenheit“ werden zu lassen. „Mehr denn je muss Europa seiner Verantwortung zur Wahrung von Frieden und Freiheit gerecht werden.“ Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) erinnerte mit einem zentralen Gedenkgottesdienst in Dresden an den Mauerfall. „In einer Situation, in der (...) niemand sonst dem Protest hätte Raum und Stimme geben können, standen die Türen der Kirchen offen“, sagte Sachsens Landesbischof Jochen Bohl in der Kreuzkirche.