Frankfurter Arbeitsgericht hatte in erster Instanz einen Antrag auf Streik-Stopp abgelehnt. ARD-Deutschlandtrend ermittelt kippende Stimmung gegen die GDL-Mitglieder. Am Freitag fallen in Hamburg und Schleswig-Holstein 70 Prozent der Züge aus.

Hamburg/Berlin. Millionen Bahnreisende müssen auch am Freitag wegen des bundesweiten Streiks der Lokführer-Gewerkschaft (GDL) mit massiven Zugausfällen und Verspätungen rechnen. Eine Sprecherin der Bahn bestätigte am frühen Freitagmorgen in Berlin, dass der Streik im Personenverkehr wie angekündigt in den zweiten Tag gehe.

Der Konzern hatte am Donnerstag vergeblich versucht, den Ausstand verbieten zu lassen. Das Frankfurter Arbeitsgericht lehnte einen Antrag der Bahn auf eine einstweilige Verfügung aber ab. Laut Gerichtsurteil verstößt der Arbeitskampf nicht gegen die Friedenspflicht und ist auch verhältnismäßig. Die Forderungen seien nicht widerrechtlich. Auch die Festlichkeiten zum 9. November seien durch den Streik nicht gefährdet.

„Nach der Entscheidung des Gerichts sieht sich die DB in der Pflicht, Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil einzulegen“, teilte der Konzern daraufhin mit. Diese wird voraussichtlich am Freitagvormittag vor dem Landesarbeitsgericht verhandelt.

Dem Urteil vorausgegangen waren zähe, stundenlange Verhandlungen über einen Vergleichsvorschlag der Arbeitsrichterin Ursula Schmidt. Der Vergleich scheiterte letztlich daran, dass die GDL bereits in den Schlichtungsplan hineinschreiben wollte, dass es bei der Bahn verschiedene konkurrierende Tarifverträge geben könne. Das lehnte Bahn-Anwalt Thomas Ubber ab. „Wir können keine Ergebnisse der Tarifverhandlungen hier vorGericht vorwegnehmen“, sagte er.

Zudem bedaure man, dass die GDL den Vorschlag abgelehnt habe, der eine Streikpause bis 17. November vorgesehen habe. In dieser Zeit hätten GDL, die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) und Deutsche Bahn Gelegenheit gehabt, inhaltliche Verhandlungen vorzubereiten. Die Lokführer-Gewerkschaft will im Tarifkonflikt mit der Bahn den Druck erhöhen. Sie fordert für die Beschäftigten mehr Geld sowie eine kürzere Arbeitszeit und will neben den Lokführern vor allem auch das übrige Zugpersonal in Verhandlungen vertreten, für das bislang die EVG zuständig ist. Die Bahn will konkurrierende Tarifverträge einzelner Berufsgruppen verhindern.

Checken Sie hier die aktuelle Verkehrslage rund um Hamburg

Das müssen Fahrgäste jetzt wissen

Diese Zugverbindungen in Hamburg und Schleswig-Holstein bleiben

Unions-Fraktionschef Volker Kauder signalisierte dafür Verständnis Bei einem derart großen Unternehmen seien unterschiedliche Verträge für eine Gruppe von Beschäftigten kaum zu handhaben, betonte er in der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Freitag). Der CDU-Politiker sieht die Streikfront bei der Lokführer-Gewerkschaft bröckeln: „Mehr und mehr Lokführer merken doch, dass sie für einen Machtkampf missbraucht werden, in dem es längst nicht mehr um ihre Interessen geht.“

Kauder warnte davor, wegen des Streiks in Deutschland „eine Krise herbeizureden“. Die Streiktage seien nach wie vor verhältnismäßig gering. Die Gewerkschaften gingen meist verantwortungsvoll mit dem Streikrecht um. „Nichts ist aus den Fugen geraten, aber ärgerlich ist es schon“, sagte er. Der viertägige Rekordstreik hatte bereits am Mittwoch im Güterverkehr begonnen. Die GDL dehnte ihn am Donnerstag um 2 Uhr auf den Personenverkehr aus. Fahrgäste müssten sich zwar auf Ausfälle und Verspätungen einstellen, hieß es bei der Bahn. Sie könnten aber trotzdem relativ verlässlich planen.

Am Donnerstag gelang es der Bahn immerhin, rund ein Drittel der Züge fahren zu lassen. Für den Notverkehr galten Ersatzfahrpläne. Viele Fahrgäste stiegen aber auf andere Verkehrsmittel um. Deshalb war die Situation auf den großen Bahnhöfen entspannt. Größere Einschränkungen als im Fernverkehr, wo noch etwa jeder dritte Zug fuhr, gab es teils bei den Regional- und S-Bahnen. In einigenRegionen fielen laut Bahn drei von vier Zügen aus. In anderen fuhren 40 Prozent regulär. Am zweiten Streiktag konnte die Bahn ihr Angebot im Personenverkehr in der Region Berlin-Brandenburg nach eigenen Angaben sogar ausweiten.

Abendblatt.de hält Sie mit einem Newsticker über die Auswirkungen des Mega-Streiks auf dem Laufenden:

+++ Verständnis für Lokführer schwindet deutlich +++

6.58 Uhr: Und auch in der Gesamtbevölkerung schwindet das Verständnis für die streikenden Lokführer. Nach einer Erhebung für den ARD-“Deutschlandtrend“ zeigen sich 51 Prozent nicht mehr einverstanden mit dem Ausstand. Das sind zehn Prozent mehr als noch bei der letzten Befragung Anfang Oktober. 46 Prozent haben nach wie vor Verständnis für Weselsky & Co.

+++ So tickt Claus Weselsky +++

Die Pläne der Bundesregierung, eine gesetzliche Regelung zur Herstellung der Tarifeinheit zu treffen, stoßen bei den Bürgern auf ein geteiltes Echo. Dem Gesetzentwurf zufolge soll, wenn sich mehrere Gewerkschaften in einem Betrieb nicht über die Vertretungshoheit einigen können, dann nur die größte Gewerkschaft den Tarifvertrag verhandeln und zum Streik aufrufen dürfen. 45 Prozent begrüßen eine solche Regelung (+7 Punkte im Vergleich zur Befragung Anfang Oktober). 49 Prozent sind der Meinung, dass weiterhin auch kleinere Gewerkschaften weiterhin Tarifverträge abschließen und streiken dürfen sollen (-5).

+++ Scharfe Worte von Dehoga-Chef +++

6.54 Uhr: Der Vorsitzende des Hotel- und Gaststättenverbands Dehoga in Dresden, Marco Benson, wählt drastische Worte für seine Kritik am GDL-Streik. Natürlich habe der Arbeitskampf Auswirkungen auch auf das Gastgewerbe, sagte er. Wie andere vom Tourismus lebende Städte werde auch Dresden von vielen Besuchern mit der Bahn erreicht. „Das fällt jetzt weg. Und das heißt, es gibt Stornierungen.“ Auch wenn sich das noch nicht in Zahlen ausdrücken lasse, sei das Vorgehen der GdL „einfach destruktiv“. „Es ist extrem asozial, weil es werden vor allem Leute getroffen, die gar nichts damit zu tun haben.“

+++ Diese Strecken werden im Nordosten befahren +++

6.47 Uhr: In Mecklenburg-Vorpommern sind Bahnstrecken, die von privaten Anbietern betrieben werden, nicht vom Streik betroffen. Dort fahren die Züge wie gewohnt. Dazu gehört unter anderem die Strecke Wismar-Rostock-Tessin oder Hagenow-Neustrelitz.

Hier kommen Sie zum Ersatzfahrplan der Bahn

+++ In Hamburg fallen 70 Prozent der Züge aus +++

6.33 Uhr: Der Rekordstreik der Lokführer hat auch heute früh den Zugverkehr in Norddeutschland lahmgelegt. In Schleswig-Holstein und Hamburg fielen am Morgen nach Angaben der Bahn wie am ersten Streiktag 70 Prozent des Regionalverkehrs aus. Die Hamburger S-Bahnen fahren im 20-Minuten-Takt. Nur ein Drittel der Fernzugverbindungen wird bedient.