Heute beginnt der letzte Akt der Bergung des Wracks. Das Mammutprojekt verschlang bisher schon 600 Millionen Euro. Hunderte Experten arbeiten seit Langem an einer weltweit einzigartigen Bergungsaktion.

Giglio. Zweieinhalb Jahre hat Sergio Ortelli auf diesen Moment gewartet. In Partystimmung ist der Bürgermeister der Mittelmeerinsel Giglio trotzdem nicht. „Wenn die ,Concordia‘ definitiv von unserer Insel entfernt ist, werden wir nicht feiern“, kündigte der Politiker vor dem Aufschwimmen der havarierten „Costa Concordia“ an. „Weil das, was wir in diesen mehr als zwei Jahren erlebt haben, eine Tragödie ist und bleibt.“ Am 13. Januar 2012 hatte das Kreuzfahrtschiff vor der Insel einen Felsen gerammt und war leckgeschlagen. 32 Menschen starben.

Die letzte Phase der Bergung kann wie geplant am Montagmorgen starten. „Die Wettervorhersage ist nicht optimal, aber so, dass die Operation sicherlich beginnen kann“, sagte Zivilschutzchef Franco Gabrielli am Sonntag. In der letzten Phase und während des Verschrottens soll noch einmal nach dem letzten noch vermissten Opfer des Unglücks gesucht werden.

Hunderte Experten arbeiten seit Langem an einer weltweit einzigartigen Bergungsaktion. Ihr Ziel ist es, den 290 Meter langen Kreuzfahrtriesen möglichst umweltschonend, sicher und schnell abzutransportieren. Mit 30 Schwimmkästen, die in den vergangenen Monaten an den Seiten des Schiffs angebracht wurden, soll der Koloss Auftrieb bekommen und wieder schwimmen. Das dauert mehrere Tage – der Abtransport ist für den 20. Juli geplant.

Etwa zwölf Meter wollen die Experten das Wrack anheben, danach hätte es noch einen Tiefgang von etwas mehr als 18 Metern und wäre für die letzte Reise zum Verschrotten nach Genua bereit. Bislang sind die Kästen noch mit Wasser gefüllt, das dann mit Druckluft herausgepresst wird, damit das Schiff den nötigen Auftrieb erhält.

Sechs Tage soll das Aufschwimmen der „Costa Concordia“ dauern

Gesteuert wird der komplexe Vorgang von Ingenieuren aus einem Kontrollraum, Hunderte Fachleute werden rund um die Uhr im Einsatz sein. Auch Italiens Umweltminister Gian Luca Galletti will die Aktion vor Ort verfolgen. Der Leiter des Unterfangens, der Südafrikaner Nick Sloane, 53, beschreibt die Anhebung als „kritischsten“ Moment des Projekts. „Ein so großes Passagierschiff wieder schwimmfähig zu machen wurde noch nie zuvor versucht“, sagte Sloane.

„Das schlimmste Szenario wäre, wenn das Schiff auseinanderbricht oder kippt“, sagte Greenpeace-Expertin Giorgia Monti. Sie und andere Beobachter der Umweltschutzorganisation wollen die Anhebung und die letzte Fahrt des Schiffes begleiten.

Im Falle eines Scheiterns der mehr als eine Milliarde Euro teuren Operation wären die Folgen für das Meeresschutzgebiet rund um Giglio fatal. Das Schiff ist geflutet mit mehr als 250.000 Kubikmetern verschmutztem Wasser. Geschätzte 100 Tonnen Treibstoff sind noch immer an Bord. Zudem treiben im Inneren des Schiffes die Bruchteile der Inneneinrichtung. Selbst im Erfolgsfall wird während der Fahrt zum Hafen von Genua Dreck ins Meer gelangen.

Etwa sechs Tage später soll das Aufschwimmen abgeschlossen sein und das Wrack in den Hafen der ligurischen Stadt geschleppt und dort verschrottet werden. Für die Strecke soll es mit einer Geschwindigkeit von zwei Knoten (rund 3,7 Stundenkilometer) etwa vier Tage brauchen. Die „Costa Concordia“ soll von vier Schleppern gezogen werden, zehn Schiffe begleiten den Transport. Die Route wird weiträumig abgeriegelt – bis auf drei Meilen soll sich niemand der „Costa Concordia“ nähern. Besonders wichtig ist für den heiklen Transport das Wetter, da das stark beschädigte Wrack keine zu hohen Wellen aushalten kann. Die Route könnte daher kurzfristig geändert werden. Knapp zwei Jahre soll das Verschrotten des Schiffs dauern – dies soll noch einmal etwa 100 Millionen Euro kosten.

Kosten für Bergung und Entschädigung betragen 1,5 Milliarden Euro

Die Bergung des Schiffes ist ohnehin ein Mammutprojekt, mehr als 600 Millionen Euro verschlang die Aktion schon. Nach Angaben des Vorstandschefs der Reederei Costa Crociere, Michael Thamm, belaufen sich die Kosten für Bergung und Entschädigungen für die Passagiere auf insgesamt rund 1,5 Milliarden Euro.

Für die Bewohner von Giglio ist es eine Erleichterung, dass der „Schandfleck“ vor ihrer Küste nun verschwindet. Nach dem Drama musste die Insel sinkende Übernachtungszahlen verkraften. Nun verspricht wenigstens die Hauptsaison im August Besserung. Doch das Unglück vergessen, das kommt für die Menschen auf der Insel nicht infrage. Ortelli mahnt: „Das Abschleppen ist für uns ein Schritt nach vorne, aber wir sollten diese Tragödie in Erinnerung behalten.“