Bei der Einsatzbereitschaft Offenbach hatte Uwe Namyst schon vor 20 Jahren ein „Dauerabo auf Fußballeinsätze“. Inzwischen gilt der Polizist als ausgesprochener Kenner der deutschen Fan-Szene. Um Gewalt zu verhindern, fliegt er zur WM nach Brasilien.

Offenbach/Duisburg. Uwe Namyst begleitet die Offenbacher Kickers seit mehr als zehn Jahren bei ihren Heim- und Auswärtsspielen. Als Kenner der deutschen Fußballfan-Szene fliegt der Hauptkommissar nun mit sechs Kollegen aus Deutschland zur WM, um die brasilianischen Sicherheitskräfte zu unterstützen. Der Polizist – im Fachjargon „Szenekundiger Beamter“ (SKB) – ist der einzige aus Hessen. Ein Rückflugticket hat er noch nicht. „Wir bleiben solange, bis die deutsche Mannschaft ausscheidet“, sagt der 43-Jährige in seinem mit zahlreichen Fußball-Wimpeln geschmückten Büro.

Den Einsatz koordiniert die Zentrale Informationsstelle Sporteinsätze (ZIS) in Duisburg, bei der seit rund 20 Jahren Fußball-Gewalttäter registriert und beobachtet werden. Neben Namyst fliegen noch drei andere SKB mit – sie kommen aus Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Hamburg. Außerdem gehören ein Verbindungsbeamter des Bundeskriminalamts und zwei ZIS-Vertreter zur Polizei-Delegation für Südamerika. 14 SKB gibt es in Deutschland, zuständig sind sie für die Spiele der Nationalmannschaft, wie ZIS-Sprecher Jan Schabacker sagt.

In Brasilien gehe es vor allem um die Beobachtung und Einschätzung der Fan-Szene, sagt Schabacker. Um Gewalt zu verhindern, soll auch Missverständnissen vorgebeugt werden. „Wenn 100 deutsche Fans mit lautem Gesang geschlossen durch brasilianische Straßen ziehen, könnte das bei einheimischen Sicherheitskräften zu Irritationen führen“, nennt Schabacker ein Beispiel. Oder: Wenn sich deutsche Fans auf öffentlichen Plätzen – etwa an Brunnen – versammeln, Bier trinken, Fußballlieder grölen und einige dabei den Oberkörper entblößen, könnten die SKB ihren brasilianischen Kollegen deutlich machen, dass dies nicht als aggressives Verhalten zu werten sei.

„Es geht vor allem um die Beratung der brasilianischen Kollegen“, beschreibt Namyst seine Aufgabe. Portugiesisch kann er zwar nicht. „Das läuft aber auf Englisch.“ Der erfahrene Fahnder sieht sich außerdem als eine Art Botschafter der deutschen Fans.

„Die SKB sind ganz nah an den deutschen Fans vor Ort“, erklärt Schabacker. Bei der Ankunft an den Flughäfen gehen die Polizisten auf die Fans zu – um sich als Ansprechpartner anzubieten. Aber auch, um Präsenz zu zeigen und potenzielle Gewalttäter abzuschrecken. Dahinter steht die Erfahrung, dass sich gewaltbereite Fans zweimal überlegen, was sie machen, wenn sie wissen, dass sie erkannt wurden.

Mit vielen problematischen Fans rechnen die Fachleute von ZIS aber nicht. „Eine Reise zur WM ist einfach schweineteuer“, sagt Schabacker zur Begründung. Außerdem werde Deutschland zunächst nicht auf die Niederlande oder England treffen, „wo traditionell mit Konflikten zu rechnen ist“.

Einen festen Einsatzort in Brasilien hat Namyst nicht. „Wir sind ein mobiles Team und fahren dorthin, wo deutsche Fans sind.“ Die SKB sind aber nicht nur während und nach dem Spiel im Einsatz, sondern eben dann, wenn sie gebraucht werden. „Das sind lange Tage“, sagt Namyst. „14 bis 16 Stunden sind da keine Seltenheit.“ Am Anfang steht ein Briefing aller ausländischen Polizeikräfte in Brasilia.

Der erfahrene Beamte, der lieber Krafttraining macht und Darts als Fußball spielt, weiß, wovon er redet. Er war schon bei der Fußball-EM vor zwei Jahren in Polen und der Ukraine im Einsatz – etwa vier Wochen lang. In Brasilien war Namyst dagegen noch nie. Kultur und Mentalität sind ihm noch fremd, sein Traumland und -klima sind das nicht, wie er sagt. „Ich freue mich aber über die Aufgabe.“

Mit etwas Glück, könnte sein Einsatz diesmal rund fünf Wochen dauern – wenn es Deutschland bis ins Finale schafft. Unabhängig von der Länge seiner Dienstreise ist es die letzte als SKB. Nach vier Jahren ist in der Regel ein anderer SKB an der Reihe.