Glenn Greenwald, der die NSA-Enthüllungen von Edward Snowden begleitete, sprach in der Bucerius Law School. Er warnte vor allem die Ich-habe-nichts-zu-verbergen-Fraktion.

Hamburg. Es sei doch bestimmt ein NSA-Agent im Auditorium, sagt der aufgeregte Mann, er werde also bestimmt nicht seinen vollen Namen nennen. Es ist das Schlussdrittel der Veranstaltung, Glenn Greenwald ist zu Gast, jener US-Amerikaner also, der die Edward-Snowden-Enthüllungen über die Machenschaften der National Security Agency lancierte, der NSA. Ein Jahr nach der Veröffentlichung, die weltweit die Debatte um Privatsphäre, Sicherheitspolitik und die Arbeit der Geheimdienste entfesselte und nebenbei die deutsch-amerikanische Partnerschaft eintrübte, hat Greenwald ein Buch („Die globale Überwachung“, Droemer Knaur) geschrieben, das die Snowden-Geschichte erzählt, die ja auch eine Greenwald-Geschichte ist.

Denn Greenwald gilt, mit einem Wort des Moderators Jochen Wegner („Zeit Online“), als der wichtigste Journalist seiner Generation. Und der soll dem Fragesteller nun sagen, was man gegen den Überwachungswahnsinn des NSA und der artverwandten Dienste unternehmen könne – solle man sich radikalisieren? Nein, sagt Greenwald da im Audimax der Bucerius Law School, es gehe um das Bewusstsein, das jetzt geweckt sei, „es hat sich viel getan in einem Jahr“. Die Menschen seien durch die Kenntnisse über die Fähigkeiten des NSA, sich den totalen Zugriff auf die Telefon- und Mailverbindungen zu verschaffen, sensibilisiert. Wenn derlei Überwachung irgendwann nicht mehr möglich sei, weil die Macht von Regierungen und Diensten beschnitten sei durch den Willen der Menschen, sagt Greenwald sinngemäß, dann sei der Kampf gewonnen, dann habe sich etwas verändert – „und das ist eher eine Sache von Jahren und Jahrzehnten als von Monaten“.

Greenwald, der Starjournalist, ist aus Moskau nach Hamburg gereist, erstmals seit dem legendären Treffen in Hongkong, das er in seinem Buch minutiös beschreibt und das die Arbeitsbeziehung zwischen Snowden, Greenwald und Laura Poitras einläutete, trafen die drei Amerikaner wieder aufeinander. Snowden ist der berühmteste Whistleblower der Welt, ein Popstar – im Publikum kursieren an diesem Abend Snowden-Postkarten. Euphorische Asyl-für-Snowden-Rufe werden mit freundlichem Applaus bedacht. Der ehemalige Anwalt und jetzige Blogger Greenwald berichtet, dass es Snowden gut gehe.

Es hätte ihm ja auch viel schlechter ergehen können in jüngerer Vergangenheit. Lange war nicht klar, ob er an Amerika ausgeliefert wird.

Später muss Greenwald noch ins Fernsehstudio zu Beckmann, in der Bucerius Law School bekommt er jetzt immer wieder Applaus: für seine Feststellung, dass Privatsphäre ein Grundbedürfnis sei. Er erntet Gelächter, wenn er von seiner Konfrontationsstrategie erzählt, mit der er der Ich-habe-nichts-zu-verbergen-Fraktion den Wind aus den Segeln nimmt. „Niemand wollte mir freiwillig sein Passwort geben“, sagt Greenwald.

Es ist der kritische Zeitgeist des notgedrungenen Internet-Skeptizismus, der die Greenwald-Veranstaltung durchweht. Das Netz, früher ein Versprechen für Demokratisierung und Liberalisierung, sei jetzt durch die Mächtigen in Gefahr gebracht, seine Kraft drohe sich, so Greenwald, durch die Machenschaften der Überwacher umzukehren und gegen die User zu richten. Bekannte Thesen also, die der geübte und smarte Redner Greenwald routiniert aufsagt, ohne dabei je seine Überzeugungskraft zu verlieren. Nicht nur heute weiß er, wo der Feind steht, in Hamburg hat er wie beinah überall in Europa Zuhörer, die seine Standpunkte teilen. Greenwald ist jetzt zum Gradmesser für guten Journalisten geworden, zum Paradigma des couragierten Journalisten, der nicht zurückschreckt, wenn Repressalien drohen. Für ihn ist Journalismus aber auch ein Abenteuer. Davon berichtet sein Buch, es findet nach der Veranstaltung reißenden Absatz.