Schwere Vorwürfe gegen das nigerianische Militär: Laut Amnesty International hätte es die Entführung der Schulmädchen Mitte April verhindern können, tat aber nichts. Es gab Sorge den Boko-Haram-Kämpfern zu unterliegen.

London. Die nigerianischen Sicherheitskräfte wussten nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Amnesty International vorab über die geplante Entführung von mehr als 300 Schulmädchen Mitte April Bescheid. Der Angriff der radikalislamischen Terrororganisation Boko Haram auf das Internat im Nordosten des Landes sei mehr als vier Stunden zuvor bekannt geworden, berichtete Amnesty am Freitag unter Berufung auf „glaubhafte Quellen“.

Das nigerianische Militär habe nicht eingegriffen, weil auf die Schnelle nicht genügend Soldaten zur Verfügung gestanden hätten und weil es Sorge gab, dass sie den besser ausgerüsteten Boko-Haram-Kämpfern unterliegen könnten, hieß es von Amnesty.

Die Entführung der Schulmädchen und die bisher erfolglos verlaufene Suche des Militärs nach ihnen hat internationale Kritik an Nigeria laut werden lassen. Mehrere Staaten sagten zu, bei der Befreiung der 276 Mädchen zu helfen, die sich noch in Gefangenschaft befinden. Am Freitag trafen britische Experten in Abuja ein, die eng mit amerikanischen Sicherheitskräften und Agenten zusammenarbeiten sollten, wie die britische Regierung mitteilte.

Neben Großbritannien und den USA haben auch China, Frankreich, Spanien sowie die internationale Polizeibehörde Interpol ihre Unterstützung bei der Befreiungsaktion angeboten. Die britische Regierung erklärte, ihr gehe es nicht nur um diesen Fall, sondern um den Sieg über Boko Haram.

Ein Sprecher örtlicher Behörden in der Stadt Gamboru im nigerianischen Staat Borno bestätigte unterdessen, dass die islamischen Extremisten eine Brücke gesprengt hätten, die Gamboru mit der Staatshauptstadt Maiduguri verband. Gamboru war am Montag von Boko Haram angegriffen worden. Die Zahl der Toten wurde auf 100 bis 300 geschätzt.

Die Regierung Bornos veröffentlichte die Namen von 53 aus den Fängen von Boko Haram entkommenen Mädchen. Dazu gehören sowohl jene, die sich am Tag der Entführung in Sicherheit brachten wie auch die, die Tage später fliehen konnten, wie es in einer Mitteilung am Freitag hieß. Menschenrechtler befürchten durch das Bekanntwerden der Namen eine Stigmatisierung der Mädchen durch die weitgehend konservative Bevölkerung des Landes.

Der Anführer von Boko Haram, Abubakar Shekau, hat damit gedroht, die verschleppten Mädchen in die Sklaverei zu verkaufen. Einwohner der Stadt Chibok, wo die Mädchen entführt wurden, demonstrierten am Freitag, weil der Staat nach ihrer Auffassung nicht genügend tut, um die Opfer zu finden.