Weniger Punkte, höhere Bußgelder und schnellerer Führerscheinentzug: Ab dem 1. Mai gelten für Verkehrssünder neue Regeln. Was ändert sich? Und was passiert mit den alten Punkten in Flensburg?

Flensburg/Stuttgart. „Einfacher, gerechter und transparenter“ soll es sein, das neue Punktesystem für Verkehrssünder, das ab dem 1. Mai gilt und für mehr Sicherheit im Straßenverkehr sorgen soll.

Das war zumindest das Ziel, das Ex-Verkehrsminister Peter Ramsauer mit der Reform verfolgte. Doch so richtig klar sind vielen Autofahrern die neuen Regeln zur Punktevergabe beim Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) in Flensburg aber noch nicht. Bei vielen seien die Neuerungen bisher noch gar nicht richtig angekommen, warnen Fachleute.

+++ Sehen Sie hier den neuen Bußgeldkatalog +++

Damit Sie über die Neuerungen Bescheid wissen, hier die wichtigsten Änderungen im Überblick:

Was ändert sich durch die Reform grundsätzlich?

In der Verkehrssünderdatei werden künftig nur noch Ordnungswidrigkeiten (ab einer Strafgebühr von 60 Euro) und Straftaten eingetragen, die sich direkt auf die Verkehrssicherheit auswirken. Nicht mehr mit Punkten geahndet werden etwa Beleidigungen anderer Verkehrsteilnehmer, das unberechtigte Befahren von Umweltzonen oder Verstöße gegen Fahrtenbuchauflagen.

Welche Neuerungen gibt es bei der Punktevergabe?

Das Punktesystem wird parallel dazu stark gestrafft. Bisher gab es für ein Vergehen entsprechend der Schwere bis zu sieben Strafpunkte, je nach erreichten Punktestand fiel der betroffene Verkehrsteilnehmer dann in eine von drei Sanktionsstufen (Ermahnung ab acht Punkte, Verwarnung ab 14 Punkte, Führerscheinentzug ab 18 Punkte). Ab 1. Mai werden nun nur noch ein bis drei Punkte je Delikt verhängt, dafür werden die Sanktionsgrenzen aber auch viel schneller erreicht (Ermahnung ab vier Punkte, Verwarnung ab sechs Punkte, Entzug ab acht Punkte).

Welche Konsequenzen drohen Verkehrssünder künftig?

Prinzipiell behält das neue System die alten Sanktion bei. Bei einer Ermahnung wird der Betroffene kostenpflichtig angeschrieben und dazu aufgefordert, sein Verhalten zu ändern. Er erhält zudem die Möglichkeit, durch ein freiwilliges Seminar Punkte abzubauen. Bei der kostenpflichtigen Verwarnung wird der Ton schärfer. Anders als bisher entfällt allerdings die Möglichkeit, auch in diesem Stadium durch ein Seminar Punkte abzubauen. Bei Erreichen der dritten Stufe wird der Führerschein entzogen.

Wird es in der Praxis Unterschiede zu früher geben?

Welche Veränderungen das neue Modell in der Praxis auslöst, ist noch nicht ganz abzusehen. Experten erwarten aber einhellig, dass sich die Zahl der Führerscheinentzüge durch das weniger fein abgestufte Punktevergabesystem um etwa zehn Prozent erhöhen wird. Vor allem Vielfahrer, die mehrfach hintereinander deutlich zu schnell fahren und deshalb jedes Mal zwei Strafpunkte erhalten, könnten künftig schneller ihren Führerschein verlieren, meint die Bundesvereinigung der deutschen Fahrlehrerverbände.

Was passiert mit den alten Punkten?

Der alte Punktestand eines Verkehrsteilnehmers wird zum 1. Mai in das neuen System überführt. Was einige Verkehrssünder freuen dürfte: Dabei werden zunächst die Punkte für jene Delikte gelöscht, für die es nach der Reform keinen Eintrag mehr gibt. Die restlichen Punkte werden anhand einer Tabelle umgerechnet. Eine solche Umrechnungstabelle kann etwa auf der Website des Automobilclubs ADAC eingesehen werden.

Hier finden Sie außerdem eine Umrechungstabelle zum Download.

Verändert sich auch die Höhe der Bußgelder?

Ja, parallel zu der Reform werden bestimmte Bußgelder teilweise deutlich erhöht. Der Gesetzgeber sorgt damit dafür, dass sicherheitsrelevante Ordnungswidrigkeiten die „magische“ 60-Euro-Grenze erreichen, ab der sie in der neuen Verkehrssünderdatei vermerkt werden dürfen. So erhöhen sich die Geldbußen für das Telefonieren am Steuer, für das Nicht-Anschnallen von Kindern oder für Verstöße gegen die Winterreifenpflicht jeweils von 40 auf 60 Euro. Als Ausgleich dafür, dass sie nicht mehr mit Punkten geahndet werden, werden auch harmlosere Vergehen nun teils teurer – etwa Umweltzonenverstöße.

Wie kann ich meinen Punktestand in Flensburg abfragen?

Wer seinen Punktestand in Flensburg erfahren will, kann auf dem Postweg oder online einen Antrag beim Kraftfahrt-Bundesamt stellen. Hier geht es zur Internetseite des KBA.

Das neue System tritt genau 40 Jahre nach der Einführung der Punkte in Kraft und ist das Ergebnis langer Verhandlungen. Monatelange Diskussionen gingen der Reform des früheren Bundesverkehrsministers Peter Ramsauer (CSU) voraus. Als der Bundesrat ablehnte, musste der Vermittlungsausschuss ran. Im Juli 2013 einigte man sich schließlich.

Die Kritik aber ist nicht verstummt: Anfang 2014 kritisierte der Verkehrsjurist Volker Lempp vom ACE Auto Club Europa den neuen Punktekatalog als „ganz missraten“. Der ADAC hatte die Reform begrüßt, aber eine maßvolle Anpassung der Bußgeldhöhen angemahnt.

Rund neun Millionen Männer und Frauen hatten Anfang 2013 Punkte in Flensburg, meistens wegen überhöhter Geschwindigkeit. Weil sie 18 Punkte erreicht hatten, verloren 4391 Menschen im Jahr 2012 ihre Führerscheine. Ein Fahrverbot wird aber auch fällig, wenn jemand zum Beispiel nur ein Mal eine rote Ampel nicht beachtet hat.

Einträge landen bisher im Verkehrszentralregister, das nun auf das Fahreignungsregister umgestellt wird. Auch hier können Einträge nach Ablauf bestimmter Fristen gelöscht werden.

Seit 1951 ist das KBA Bundesoberbehörde für den Straßenverkehr, seit 1952 in Flensburg. Neben der „Verkehrssünderdatei“, in der im Jahr 2012 neun Millionen Menschen erfasst waren, werden noch weitere Register geführt, etwa das Zentrale Fahrzeugregister. Zur Reform waren auch die mehr als 900 KBA-Mitarbeiter befragt worden.

Über die Jahrzehnte ist Flensburg fast zum Synonym für die „Verkehrssünderdatei“ geworden. Der Tourismus macht es sich zunutze: Der meistverkaufte Artikel im Laden von Flensburg Fjord Tourismus heißt laut Sprecherin Anke Hilgert „Punkte aus Flensburg“ - Schokolinsen.

Die echten Punkte wurden 1974 aus einem traurigen Grund eingeführt. Mehr als 21.000 Verkehrstote habe es in einem Jahr gegeben, sagt KBA-Sprecher Stephan Immen. Das Ziel sei gewesen, den Straßenverkehr sicherer zu machen. Nun sind es weniger als 4000 Tote – sicherere Fahrzeuge und Aufklärungsarbeit leisteten einen Beitrag.

Infos zu den neuen Regelungen gibt es auch auf der Internetseite des KBA.