Ermittler glauben: Das vermisste Flugzeug der Malaysia Airlines könnte noch vier Stunden in der Luft gewesen sein

Kuala Lumpur/Hannover. Das mysteriöse Verschwinden der Boeing 777-200 der Malaysia Airlines mit 239 Menschen an Bord gibt weiter Rätsel auf. Für Verwirrung sorgte am Donnerstag eine Meldung des „Wall Street Journal“ mit Berufung auf amerikanische Ermittler, die Triebwerke des Flugzeugs hätten noch vier Stunden nach dem letzten bekannten Radarkontakt Daten gesendet. Ist die Maschine noch so lange weitergeflogen? Malaysias Transportminister wies das zurück.

Die Triebwerke moderner Verkehrsflugzeuge werden beim Start und in der Luft überwacht. Alle drei bis vier Stunden sendet die Maschine ein Datenpaket, das Techniker am Boden analysieren. Laut Lufthansa geht es um Drehzahlen, Druckwerte, Temperatur, Höhe oder Geschwindigkeit.

US-Anti-Terror-Spezialisten überprüften die Möglichkeit, dass einer der Piloten oder ein anderer Insasse die Maschine an einen unbekannten Ort entführt habenkönnte, hieß es im „Wall Street Journal“. Zuvor seien möglicherweise die Transponder zur automatischen Sendung von Flugdaten abgeschaltet worden, um der Radarüberwachung zu entgehen. Die Ermittler verfolgten die Theorie, dass die Maschine umgeleitet worden sei, „um sie später für einen anderen Zweck zu nutzen“.

Sicher ist: Das letzte Signal, das von der Boeing 777-200 aufgefangen wurde, stammt von 1.07 Uhr (Ortszeit) am vergangenen Sonnabend.

Kann es wirklich so schwierig sein, in Zeiten ausgefeilter Satellitentechnik ein Flugzeug zu orten? Ja, sagt Luftfahrt-Experte Heinrich Großbongardt, 58, aus Hamburg. Die Suche könne Wochen dauern. Großbongardt war einer der Referenten auf der weltgrößten Computermesse CeBIT in Hannover und sagt, wieso die Suche s schwierig ist.

Auf der CeBIT-Computermesse wird gerade ein Koffer vorgestellt, der per GPS seinen Standort mitteilt. Warum kann man dann nicht per Satellitentechnik ein vermisstes Flugzeug finden?

Heinrich Großbongardt:

Das große Problem besteht darin, dass das Flugzeug mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit über dem Meer abgestürzt ist. Das heißt: Es liegt unter Wasser. Dort breiten sich keine Radiowellen aus. Wäre das Flugzeug irgendwie vom Kurs abgekommen und über Borneo in den Dschungel gefallen, hätte man das registriert; denn jedes Flugzeug hat einen Notfallsender an Bord, der bei einem Unfall automatisch Signale an Fernmeldesatelliten sendet. Solche Radiowellen aber breiten sich unter Wasser nicht aus, die erreichen weder die Erdoberfläche noch den Satelliten.

Warum kann man dann nicht per Satellit die Trümmer entdecken?

Großbongardt:

Die einzigen Satelliten, die kontinuierlich die Erdoberfläche beobachten, sind in 36.000 Kilometern Höhe, aber aus dieser Höhe sieht man nicht so viel. Die Satelliten, mit denen scharfe Fotos möglich sind, fliegen tiefer, sind aber nicht stationär. Die fliegen alle zwei, drei Tage über so ein Gebiet. Erschwerend kommt hinzu: Die Trümmer sind maximal zwei bis drei Meter groß, selten mehr. Das muss man zwischen den hohen Wellen erst mal sehen, so was lässt sich nicht mal per Flugzeugradar identifizieren; und selbst wenn ich das entdecke, weiß ich immer noch nicht, ob es ein Flugzeugteil oder ein Klumpen von den Millionen Tonnen schwimmenden Mülls ist, der inzwischen die Weltmeere verseucht.

Wie groß können denn solche Trümmerfelder überhaupt sein?

Großbongardt:

Das hängt ganz davon ab, wie das Flugzeug auf die Wasseroberfläche aufschlägt. Nehmen wir als Beispiel den Unglücksflug AF 447, der 2009 auf der Strecke Rio–Paris ins Meer fiel. Da war der Aufprallwinkel sehr flach; da platzte der Rumpf auf und Container, Koffer und anderes wurde herausgeschleudert. Wenn so ein Flugzeug aber mit hohem Winkel und hoher Geschwindigkeit ins Wasser eintaucht, kann es geschehen, dass nur ein paar Verkleidungsstücke vom Flugzeug abgerissen werden – das Trümmerfeld ist dann relativ klein und auch relativ schwer zu finden. Hinzu kommt: Das erste Suchfeld ist halb so groß wie Niedersachsen – wie soll man da ein paar Trümmer finden, die nicht mal zwei, drei Meter groß sind?

Gab es andere Fälle, in denen über dem Meer Flugzeuge verschwunden blieben?

Großbongardt:

Ich erinnere mich in den vergangenen 40 Jahren an keinen solchen Fall. Selbst der südafrikanische SAA-Jumbo „Helderberg“, der Mitte der 80er-Jahre nach einem Brand im Frachtraum über dem Indischen Ozean abgestürzt ist, wurde später in rund 4000 Metern Tiefe gefunden. Auch den Unglücksflug AF 447 hat man aufgeklärt, nachdem man das Wrack auf dem Grund des Ozeans entdeckt hat. Die Wahrscheinlichkeit ist also recht hoch, dass auch im Fall der malaysischen Boeing das Wrack gefunden wird. Das wird eine riesige internationale Suchaktion, das kann drei, vier Wochen dauern.

Moderne Radaranlagen werden immer ausgefeilter. Wieso können dann Flugzeuge einfach so verschwinden?

Großbongardt:

Das primäre Mittel der Ortung ist in der Tat das Radar, das immer intelligenter wird. Seine Sichtweite endet aber am Horizont. Selbst mit einem Militärradar kann man ein Flugzeug nicht weiter als 400 Kilometer weit verfolgen.