Präsident Peter Meyer legt Amt nieder, neue Manipulationsvorwürfe, Unregelmäßigkeiten bei Reifentests

München. Noch am Wochenende hatte er einen Rücktritt abgelehnt. Nun zog ADAC-Präsident Peter Meyer nach neuen Manipulationsvorwürfen und einer weiter anschwellenden Welle der Kritik am 19 Millionen Mitglieder zählenden Autoclub die Konsequenzen und legte sein Amt nieder. Damit kam der 64-Jährige seiner Suspendierung zuvor – die hatte das Präsidium nach Mitteilung des Vereins bereits angesichts der „erschütternden Ergebnisse der aktuellen Krisenaufarbeitung“ beschlossen.

Am Montag spitzte sich die Situation weiter zu: Beim ADAC-Autopreis „Gelber Engel“ sei außer der Teilnehmerzahl in diesem Jahr auch die Rangfolge gefälscht worden, musste der Verein der Öffentlichkeit mitteilen. Es gebe zudem Anhaltspunkte dafür, dass auch in den Vorjahren ähnliche Veränderungen vorgenommen worden seien. Das habe die Unternehmensberatung Deloitte bei ihrer Untersuchung der Abstimmung herausgefunden. Klarheit darüber gebe es aber noch nicht. Die Ergebnisse für die Wettbewerbe der Jahre 2005 bis 2013 würden voraussichtlich in der kommenden Woche vorgestellt. Für 2014 ist die Botschaft klar: Die Ergebnisse wurden verfälscht.

Der Autobauer Daimler kündigte als erster deutscher Hersteller an, die Auszeichnung zurückgeben zu wollen. Angesichts des Prüfungsergebnisses habe sich Daimler entschlossen, sämtliche „Gelbe Engel“ der vergangenen Jahre zurückzugeben. Publikumspreise seien für den Autobauer grundsätzlich von großer Bedeutung. Unabdingbare Voraussetzung hierfür sei aber, dass die Leserwahlen korrekt abliefen. Auch BMW und VW wollen ihre Preise zurückgeben.

Dies ist ein neuer Tiefpunkt in der 111-jährigen Geschichte des ADAC. Nach wochenlangen Querelen versucht es der ADAC nun mit einem personellen Befreiungsschlag – statt eines kraftvollen Neuanfangs gibt es Streit und Chaos. Meyer war seit 2001 Präsident des Autoclubs. In einer Mitteilung sprach er von „Fehlern und Manipulationen von hauptamtlichen Führungskräften, denen gemäß ADAC Satzung die Besorgung der laufenden Geschäfte obliegt“. Für diese wolle er nicht länger alleine verantwortlich gemacht werden.

Jüngste Angriffe und Diffamierungen seiner Person hätten, so Meyer, den ADAC und auch seine Familie belastet. Die Entscheidung habe er allein und sorgfältig überlegt getroffen. „Ich glaube dennoch an den vorgestellten Zehn-Punkte-Plan mit tiefgreifendem Reformprozess für den ADAC.“ Das Ziel müsse es sein, Vertrauen und Kompetenz zurückzugewinnen. Zuvor hatte Meyer einen Rücktritt mehrfach ausgeschlossen. Er sehe seine Pflicht darin, weiter für die gute Sache zu kämpfen, hatte er der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ gesagt. „Ausbüxen ist aus meiner Sicht das falsche Signal.“

Verbraucherschutzminister Heiko Maas (SPD) mahnte weitere Konsequenzen beim größten Autofahrer-Club in Europa an. „Dieser Rücktritt wird allein nicht ausreichen“, erklärte er in Berlin. Auch der Automobilexperte Ferdinand Dudenhöffer bezeichnet den Rücktritt als unzureichend für einen Neuanfang. Er halte auch den ADAC-Geschäftsführer Karl Obermair für nicht weiter tragbar, sagte der Autoexperte von der Universität Duisburg-Essen der Zeitung „Rheinische Post“.

Die Amtsniederlegung kam kurz vor dem angekündigten Untersuchungsbericht des Wirtschaftsprüfungsunternehmens. Er sollte spätestens am heutigen Dienstag bekannt gegeben werden. Fest steht, dass bei der Wahl des „Lieblingsautos der Deutschen“ die Zahlen des VW Golf nach oben frisiert wurden.

Den Ausgang nahm die Affaire am 13. Januar. Damals gab der ADAC bekannt, dass die Leser der Mitgliederzeitschrift „Motorwelt“ den VW Golf zum „Lieblingsauto der Deutschen“ gewählt hätten. Einen Tag später berichtete die „Süddeutsche Zeitung“ von Manipulationen. Es soll nur 3409 Stimmen für den Gewinner gegeben haben, laut einem ADAC-Papier waren es 34.299. Am 17. Januar räumt der ADAC-Kommunikationschef Michael Ramstetter die Fälschungen ein und tritt zurück. Ein Bericht der Zeitung „Bild am Sonntag“ machte am 19. Januar den Vorgang öffentlich.

Seitdem tauchten immer neue Vorwürfe gegen den ADAC auf, etwa Bonuszahlungen für Pannenhelfer, die oftmals ohne Not neue Autobatterien an die Hilfesuchenden verkauft haben und der Einsatz von Rettungshubschraubern für Flüge von ADAC-Funktionären. Beidem wurde inzwischen ein Riegel vorgeschoben – die Maßnahmen sind Teil eines Zehn-Punkte-Plans zum angekündigten Reformkurs.

Den neuesten Vorwurf erhob am Montag das WDR-Verbrauchermagazin „Serviczeit“, dieses Mal zu den ADAC-Reifentests: Ein ehemaliger Entwicklungsingenieur eines niederländischen Produzenten sagte den WDR-Journalisten, dass schon in den späten 1990er- Jahren Testreifen in geringer Stückzahl mit hochwertigen Materialien ausschließlich für den Test produziert und direkt an den ADAC geliefert worden seien.