In einer Januar-Nacht havariert der Kreuzfahrtriese „Costa Concordia“ vor der Insel Giglio. 32 Menschen kommen bei der Katastrophe vor zwei Jahren ums Leben. Das Wrack liegt noch immer dort, der Prozess dürfte sich hinziehen.

Giglio. Es ist Freitag, der 13.: Vor der italienischen Insel Giglio endet eine vergnügliche Mittelmeer-Kreuzfahrt in einem tödlichen Drama. In der Januar-Nacht vor zwei Jahren rammt die gefährlich nahe an das toskanische Eiland herangesteuerte „Costa Concordia“ einen Felsen und kentert dann, am Rumpf aufgeschlitzt, unweit des Ufers. Der riskante Kurs soll gewählt worden sein, um die beliebte Insel zu „grüßen“ und den Passagieren etwas zu bieten.

In einer chaotisch anmutenden Evakuierungsaktion versuchen verzweifelte Passagiere, die nahe Insel zu erreichen. Rette sich, wer kann, so lautet die Devise – offenbar auch für den Kapitän. Die überaus spektakuläre Havarie bringt die Mittelmeerinsel weltweit in die Schlagzeilen. Auch als vermeintliches Symbol für italienischen Schlendrian und ein tief in einer Krise versunkenes Schuldenland?

32 Menschen sterben, darunter zwölf Deutsche. Zwei Leichen, die einer Italienerin und eines indischen Crewmitglieds, sind auch zwei Jahre nach der Katastrophe offiziell noch immer nicht geborgen oder identifiziert. Mehr als 4200 Passagiere und Crewmitglieder waren an Bord des Kreuzfahrtriesen, dessen Bergung sich weiter hinzieht. Im September konnte das Wrack in einer einzigartigen Aktion aufgerichtet werden, nicht vor Juni soll es abgeschleppt werden. Wie und wohin, das ist auch zwei Jahre nach der Havarie noch nicht definitiv klar.

Insulaner gedenken der Opfer

Am kommenden Montag jährt sich also das Unglück erneut. Zunächst gedenken Insulaner und angereiste Angehörige der Opfer am Vormittag in einer Messe der Toten. Abends um 21.45 Uhr und sieben Sekunden, dem exakten Zeitpunkt des Aufpralls, soll sich an Giglios Kirche eine Prozession in Bewegung setzen. „Sie endet dann an der Hafenmole, wo wir eine Gedenktafel für die Opfer aufgestellt haben, mit einem Gebet“, sagte Bürgermeister Sergio Ortelli. Nie wieder ein solches Desaster, lautet eine Botschaft des Gedenkens auf der beliebten Ferieninsel, die sich Normalität zurückwünscht.

Wegen der Schräglage des 290-Meter-Kolosses gab es in der Unglücksnacht erhebliche Probleme mit den Rettungsbooten. Es herrschte ein wildes Durcheinander. Und von Kapitän Francesco Schettino fehlte plötzlich an Bord jede Spur. Er hatte sein Schiff mitten in der Evakuierung verlassen. Später sagte Schettino, er sei versehentlich in ein Rettungsboot gerutscht.

Das bizarre Verhalten des süditalienischen Kapitäns erregte weltweit Aufsehen und rückte ihn in den Fokus der Ermittler. Er steht als einziger verbliebener Angeklagter seit Juli in Grosseto vor Gericht – in einem Mammutverfahren mit 1000 Zeugen, in dem ein Urteil in erster Instanz noch etliche Monate auf sich warten lassen dürfte. Fünf Mitbeschuldigte hatten kurz vor Prozessbeginn ohne Verfahren eine Strafe ausgehandelt, was aber noch juristisch angefochten wird.

Wer hatte den Kurs angeordnet?

Während Schettino beharrlich aussagte, die Reederei Costa Crociere habe den gefährlichen Kurs angeordnet, gab diese den Schwarzen Peter immer wieder zurück: Der Kapitän sei verantwortlich. Muss er also für den folgenschweren Schiffbruch ins Gefängnis, wer zahlt Millionen und Abermillionen an Entschädigungen? Auf die Antworten werden die Geschädigten und die Angehörigen wohl noch eine ganze Weile warten müssen. Es ist eine Geduldsprobe – die Ermittlungen waren komplex. Fast 200 Personen wurden befragt und 50.000 Aktenseiten angehäuft.

Es ist haarsträubend, was Experten auf 1000 Seiten vorlegten: Auf der Kommandobrücke herrschte demnach vor dem Unglück Chaos, die Crew konnte sich kaum verständigen. Die Alarmmeldungen und die Evakuierung seien dann von Schettino und einem Krisenmanager verzögert worden.

Zum Leidwesen der vom Tourismus lebenden Insulaner liegt der Kreuzfahrtriese weiterhin – wenn auch aufgerichtet – wie ein Mahnmal in Ufernähe. Eine der teuersten und kompliziertesten Bergungsaktionen aller Zeiten kommt nur schleppend voran. Erst hieß es, das Schiff werde spätestens im Frühjahr 2013 in einem Stück weggeschafft sein, jetzt ist von Juni 2014 die Rede. Das kolossale Wrack an Ort und Stelle zu zerlegen, hätte massive Risiken für die Umwelt gebracht.

Teure Bergung des Wracks

Etwa 400 Spezialisten arbeiteten Tag und Nacht auf Dutzenden Plattformen und Kränen daran, das halbversunkene Schiff in einem Stück zu sichern. Sie legten einen Betonboden, auf dem die „Costa Concordia“ aufgerichtet werden konnte. Alles dürfte noch weit mehr kosten als die ursprünglich veranschlagten 230 Millionen Euro – die Summe steigt ständig und liegt derzeit bei mehr als 600 Millionen.

Falls alles klappt, dann soll das Unglücksschiff in eine Werft auf dem italienischen Festland abtransportiert und verschrottet werden. Viele Betroffene hatten ein pauschales Entschädigungsangebot der Genueser Reederei angenommen. Andere wiederum vertrauen auf gewiefte US-Anwälte, die ihnen versprechen, viel Geld für sie herauszuholen.