15 Grad statt Minustemperaturen, blühende Bäume statt Froststarre – das Wetter in Deutschland spielt verrückt

Hamburg. In Deutschland scheint die Sonne. Temperaturen von 15 Grad sagen die Meteorologen für Mittwoch voraus. Frühling mitten im Winter. Wie kommt es dazu, welche Folgen hat das für Menschen, Pflanzen und Tiere?

Warum ist der Winter so lange so mild?

Tiefdruckgebiete ziehen über den Atlantik nach Europa und führen auf ihrer östlichen Seite milde Luft aus südwestlicher Richtung nach Norddeutschland. Die Tiefs werden in Nordamerika geboren: „Kanada und der Nordosten der USA leiden unter arktischem Kaltlufteinbruch. Weil die Landmasse dort sehr groß ist, kühlt sich die Luft immer weiter ab, und es bildet sich eine stabile, sehr kalte Wetterlage“, sagt Frank Böttcher vom Hamburger Institut für Wetter- und Klimakommunikation. „Sie produziert Tiefs, die wie Murmeln auf den Atlantik Richtung Europa rollen.“ Die polaren Kaltluftausbrüche bewegen sich wellenförmig um die Nordhalbkugel. Treffen sie auf Land, werden sie verstärkt, während sie sich über den wärmeren Ozeanen abschwächen.

Ist ein Wintereinbruch in Sicht?

In Nordamerika nimmt die Kälte allmählich ab. Nun ist entscheidend, in welche Richtung der nächste arktische Kaltluftausbruch geht. Meteorologe Böttcher: „Die Modelle deuten darauf hin, dass er sich über Skandinavien und dem westlichen Teil Sibiriens ausbreiten könnte. Das wäre die Basis für einen Wintereinbruch bei uns mit Zustrom von Kaltluft aus dem Nordosten. Die Atlantiktiefs werden dann weiter südlich abgedrängt.“ Allerdings sei unklar, ob sich die Kaltluft über Skandinavien und Westsibirien tatsächlich festsetzt. Zudem sei der Verlauf der Kaltluftgrenze noch sehr unsicher. „Deshalb sagen wir für Montag derzeit Schneeregen voraus – es kann Regen bei plus ein Grad werden oder Schnee bei minus sechs Grad.“

Welche Auswirkungen hat der warme Winter auf die Gesundheit?

Medizinisch betrachtet ist die derzeitige Wetterlage keine Belastung. „Der warme Winter wirkt sich eher positiv auf die Gesundheit aus, weil extreme Temperaturunterschiede zwischen drinnen und draußen wegfallen. Wir bewegen uns zurzeit in einem Temperaturniveau, das als behaglich empfunden wird, wenn man sich entsprechend kleidet“, sagt Angelika Grätz, Medizin-Meteorologin vom Deutschen Wetterdienst. Komme es aber zu Wetteränderungen, müsse sich der Organismus erst einmal darauf einstellen. Das könne dann zu Beeinträchtigungen des Wohlbefindens führen, wie zum Beispiel Kopfschmerzen.

Wie beeinflusst der milde Winter unsere Tier- und Pflanzenwelt?

Einige Vogelarten, die normalerweise im Winter in wärmere Gefilde ziehen, sind bisher hiergeblieben, zum Beispiel Sommergoldhähnchen, Schnatterenten und Kraniche, sagt Veit Hennig, Biologe der Universität Hamburg. Bei einem plötzlichen Kälteeinbruch könnten etliche Vögel womöglich nicht schnell genug reagieren und weit wegfliegen, zum Beispiel die Sommergoldhähnchen. Einige Tiere würden verhungern. Schlecht ist ein milder Winter unter Umständen für einige Tiere, die Winterschlaf hielten, etwa Haselmäuse, sagt Kathrin Dausmann, Juniorprofessorin für Biologie der Universität Hamburg. Winterschläfer verbrauchen bei niedrigen Temperaturen sehr wenig Energie. Da jede biochemische Reaktion bei höheren Temperaturen schneller abläuft, steigt auch der Energieverbrauch – insofern könnten zwei Grad Temperaturunterschied für eine Haselmaus einen großen Unterschied machen. Im ungünstigsten Fall könnte das Tier verhungern. Andere Tiere, etwa Eichhörnchen, könnten von milden Temperaturen womöglich profitieren, weil sie besser durch den Winter kommen.

In der Pflanzenwelt ist der Frühling noch nicht ausgebrochen, auch wenn sich schon erste Blüten der japanischen Zierkirsche oder von Primeln zeigen. „Wenn die Bäume und Sträucher allerdings anfangen auszutreiben, sind die Fruchtansätze der Gehölze durch Spätfröste bedroht“, sagt Dr. Hans-Helmut Poppendieck vom Biozentrum Klein Flottbek der Uni Hamburg. Dagegen sind Frühblüher wie Krokusse, Winterlinge oder Schneeglöckchen auf Wintereinbrüche nach frühlingshaftem Wetter eingestellt.

Spart Hamburg jetzt Kosten ein?

Ja. Zum einen wurde bisher bis auf eine Ausnahme kein Streusalz eingesetzt. Die Stadt hat derzeit etwa 18.000 Tonnen Salz eingelagert. Sie kauft das Salz meist im Sommer, weil es dann günstiger ist, und zahlt rund 60 Euro pro Tonne. Wird also tatsächlich kein Salz benötigt, so spart die Stadt schon dadurch rund eine Million Euro, weil sie im kommenden Sommer nicht nachkaufen muss. Auch die niedrigeren Heizkosten für öffentliche Gebäude wie Behörden, Schulen, Hochschulen usw. schlagen positiv zu Buche. Allerdings kann die zuständige Finanzbehörde dazu bisher noch keine Zahlen vorlegen. Weil es bisher kaum Frost gab, halten sich auch die Straßenschäden stark in Grenzen. In der Hamburger Behörde für Wirtschaft und Verkehr rechnet man daher mit deutlichen Einsparungen. Weitere Einsparungen ergeben sich dadurch, dass es bei den geplanten Baumaßnahmen nicht zu Verzögerungen durch Schnee und Eis komme.