Ein britischer Spion mit Kontakten zum US-Geheimdienst NSA wurde tot in einer Sporttasche gefunden. Nicht jeder denkt an einen tragischen Unfall. Doch zu diesem Schluss kommt Scotland Yard.

London. Ein Spion des britischen Geheimdienstes GCHQ liegt tot im Badezimmer seiner Wohnung in London – die Leiche verpackt in einer Sporttasche, Todesursache nicht feststellbar, keine Zeugen. Der 30 Jahre alte Gareth Williams galt als Geheimnisträger, hatte wiederholt mit dem US-Geheimdienst NSA zu tun, war häufiger in den Staaten. Drei Jahre nach dem Leichenfund im Londoner Stadtteil Pimlico und inmitten der Abhöraffäre um GCHQ und NSA kommen die Ermittler von Scotland Yard zu dem Schluss: „Es war ein Unfall!“ Der Spion habe sich vermutlich selbst oder mit einem Helfer nackt in die Sporttasche gezwängt, sagt die Polizei.

Das tun zum Beispiel Leute, die in der totalen Enge besondere sexuelle Erfüllung suchen. Ausgerechnet ein britischer Top-Spion soll bei einem bizarren Sexspielchen in seinem Badezimmer ohne jede Fremdeinwirkung umgekommen sein. Nicht nur die Eltern des Toten haben schwere Zweifel an der Version der Todesumstände ihres Sohnes, wie sie Scotland Yard zwar nicht explizit anspricht, aber insgeheim als einzige mögliche Lösung unterstellt.

Vor einem Jahr war eine Gerichtsmedizinerin nach langer Untersuchung zum exakt gegenteiligen Schluss gekommen. Es sei „sehr unwahrscheinlich“, dass der Mann sich selbst in die Sporttasche gezwängt und von innen das Vorhängeschloss abgesperrt habe, ehe er in der Tasche erstickt sei. Man müsse von einer „ungesetzlichen Tötung“ ausgehen, hatte Gerichtsmedizinerin Fiona Wilcox erklärt. Zuvor hatten Experten 400 Versuche unternommen, sich in die Tasche zu zwängen – erfolglos.

Gareth William war ein unauffälliger junger Mann. Eher in sich gekehrt, ein begeisterter Hobby-Radrennfahrer aus der walisischen Provinz. Kurz vor seinem Tod hatte er seine Abordnung vom GCHQ-Hauptquartier in Cheltenham zum MI6 nach London beenden wollen – zu hektisch sei ihm das Stadtleben an der Themse gewesen, zu überspannt die Kollegenschar mit ihren täglichen Trinkgewohnheiten nach der Arbeit.

Nach dem Tod wurde er in Medienberichten in die Nähe der bizarren Schwulenszene und von Transsexualität gerückt. In seinem Appartement sollen teure Frauenkleider gefunden worden sein, auf seinem Computer Hinweise auf Kontakte zur Bondage-Szene. Eine Ex-Vermieterin fand sich, die aussagte, sie habe ihn einmal von einer Selbstfesselung am Bett befreien müssen.

Ist das die in Agenten-Hirnen erdachte Legende zum perfekten Geheimdienstmord? Wenn ja, warum musste Gareth Williams sterben? Wer etwa gar so etwas wie ein zu früh aufgeflogener Edward Snowden? Für die Eltern des Toten spricht vieles dafür, dass die Geheimdienste beim Tod ihres Sohnes die Finger im Spiel hatten. Der britische Außenminister William Hague persönlich soll nach dem Tod verfügt haben, dass während der Ermittlungen nichts über die Arbeit des Mannes nach außen dringen dürfe – auch auf Verlangen der US-Geheimdienste.

Die britischen Schlapphüte versuchten Medienberichten zufolge ebenfalls lange, die Ermittlungen zu behindern. Tagelang nach dem Auffinden der Leiche tobte ein Kompetenzstreit zwischen MI6 und Scotland Yard, wer denn eigentlich für die Ermittlungen zuständig sei. Die Gerichtsmedizinerin deutete an, dass Ermittlungsergebnisse, die zur Sex-Unfall-Theorie beitrugen, absichtlich den Medien gesteckt wurden.

Für Scotland Yard sind das alles haltlose Spekulationen. Der Leiter der Ermittlungen, Martin Hewitt, wies auch Vorwürfe zurück, in der Wohnung des Opfers seien Spuren verwischt worden. Kritiker hatten geltend gemacht, es seien keine Fingerabdrücke oder DNA-Spuren des Toten gefunden worden, etwa auf dem Rand der Badewanne oder am Vorhängeschloss, das er angeblich selbst verschlossen hat. „Ich glaube nicht, dass mir jemand die Augen verbunden hat“, sagte Hewitt. „Ich glaube, dass wir es mit einem tragischen, unerklärlichen Tod zu tun haben.“