Was wird aus Maria? Griechische und bulgarische Behörden sowie die leibliche Mutter und die Zieheltern beanspruchen das Mädchen für sich. Derweil wurden Marias Geschwister in Obhut genommen.

Athen. „Was geht eigentlich im Kopf der kleinen Maria vor? Verunsicherung und Angst.“ Das Roma-Mädchen habe das verloren, was es als Familie und Umgebung kannte. Es werde das Schicksal tausender Kinder erleben, die von ihren Eltern verlassen wurden: Ein endloses Hin und Her. So beschreibt der griechische Arzt Giorgos Tagaris die psychologische Verfassung der kleinen blonden Maria. Der Fall des etwa fünf Jahre alten Kindes machte weltweit Schlagzeilen. „Das Trauma wird für immer tief in ihrer Seele sitzen“, sagt der Arzt.

Der „kleine blonde Engel“, wie die griechische Boulevard-Presse Maria nennt, war Mitte Oktober bei einer Razzia der Polizei in einem Roma-Camp in Mittelgriechenland wegen der hellen Haut, des blonden Haares und der blauen Augen aufgefallen. Man vermutete Kindesentführung.

Die Zieheltern, ein Roma-Ehepaar mit weiteren 14 Kindern, hatten Maria als ihr eigenes Kind angemeldet. Sie sollen das Kind zum Betteln geschickt haben, wie die Polizei und die Justiz vermuten. Inzwischen ist durch einen DNA-Test die leibliche Mutter des Kindes bekannt. Es ist eine 35 Jahre alte bulgarische Roma-Frau.

Und während nun die kleine Maria in der Obhut einer Kinderhilfsorganisation nahe Athen ausharrt, streiten sich Zieheltern, Rechtsanwälte, leibliche Mutter und die Behörden.

Mit Tränen in den Augen schrie die leibliche Mutter im bulgarischen Fernsehen, „ich will mein Kind zurückhaben“. Sie habe aus finanzieller Not den Zieheltern das Kind überlassen. In Griechenland hatte die Frau in der Landwirtschaft gearbeitet.

Doch auch die Zieheltern wollen Maria haben: Ja, sie hätten das Kind illegal aufgenommen. Sie hätten das Mädchen aber lieb gewonnen und wollten es nun adoptieren, hatte ihre Anwältin erklärt. Der Vorwurf der Kindesentführung ist nach ihrer Auffassung nicht mehr aufrecht zu erhalten.

Die griechische Justiz will in den kommenden Tagen entscheiden, ob das Kind in Griechenland adoptiert werden kann oder ob es an Bulgarien zurückgegeben wird.

Bulgarien fordert von Griechenland die Rückkehr der Kleinen. „Die staatliche Agentur zum Schutz des Kindes wird die notwendigen Maßnahmen zur Rückkehr des Mädchens treffen“, erklärte die Behörde in Sofia. Ein juristisches Tauziehen zeichnet sich ab.

Griechische Medien befassen sich mittlerweile intensiv mit der sozialen Randstellung vieler Roma. Die chaotischen Verhältnisse unter denen viele von ihnen lebten, verglich ein griechischer Polizeibeamter mit einem „Gewächshaus für illegale Adoptionen“. Viele der Menschen lebten in bitterer Armut.

Marias Geschwister in staatlicher Obhut

Derweil sind die sieben minderjährigen Geschwister von Maria in Bulgarien in staatliche Obhut genommen worden. Dies teilte am Donnerstag die Kinderschutzbehörde in Sofia mit. Die Eltern sollen dabei regelmäßigen Kontakt zu den Kindern behalten. „Wenn die Eltern die angemessene Verantwortung übernehmen können“, sollen die sieben Mädchen und Jungen auch wieder zu ihnen zurückkehren können.

Die leiblichen Eltern von Maria leben in einem Roma-Lager in der bulgarischen Stadt Nikolajewo und haben neben Maria insgesamt neun weitere Kinder, von denen fünf ebenfalls blond sind. Durch die Affäre richtete sich das Augenmerk auch auf die ärmlichen Lebensumstände der Familie in dem Lager, vor allem das Schicksal der minderjährigen Kinder.