Seit mehr als einem Jahr prägt die „Costa Concordia“ das Bild der Insel Giglio. Nach dem erfolgreichen Auftakt der Bergung des Luxusliners schöpfen Hoteliers und Gastronomen nun wieder Hoffnung auf Tourismus.

Giglio. Dass die Insel Giglio vor der toskanischen Küste bald um eine „Attraktion“ ärmer sein wird, stört hier fast niemanden. Denn das Wrack der „Costa Concordia“ war in den vergangenen 20 Monaten eine Attraktion der katastrophalen Art. Viele Ortsansässige hoffen auf ein Ende des Ausnahmezustands, der im Januar 2012 damit begann, dass das Kreuzfahrtschiff vor der Hafeneinfahrt auf Grund lief.

Das aufgeschlitzte und halb versunkene Schiff wurde diese Woche durch eine Meisterleistung der Bergungstechnik wieder in die Normallage gebracht. Zu sehen ist nun ein zerstörtes Schiffswrack nach einer Havarie, die 32 Menschen das Leben kostete. Im Frühling soll es zum Festland geschleppt und abgewrackt werden, dann endet für die meisten Bewohner von Giglio das Kapitel „Concordia“, das ihr Leben so stark verändert hat.

Vor jenem 13. Januar 2012, als Kapitän Francesco Schettino vermutlich aus Imponiergehabe den 300 Meter langen Koloss zu dicht an der felsigen Küste Giglios vorbeisteuern ließ und damit die Katastrophe einläutete, war die Insel eine gut ausgebuchte Sommerresidenz für zahlreiche, meist italienische Touristen, die sich am glasklaren Wasser mit seinen Delfinen erfreuten und abends Meeresfrüchte auf Pasta genossen. Die Touristen kamen regelmäßig und blieben lange.

Das hat sich seit dem Unfall geändert. Vom Festland kamen vor allem als Tagestouristen die Gaffer, die mit eigenen Augen das sehen wollten, was sogar auf Google Earth zu sehen ist: ein damals halb versunkenes, auf der Seite liegendes Wrack, 30 Meter länger als die „Titanic“, an dessen Bergung sich Experten lange Zeit die Zähne ausbissen.

Die Sensationstouristen brachten den rund 1400 Insulanern nicht allzu viel. „Die gehen runter von der Fähre und gucken nicht mal um die Ecke“, beschwert sich Filippo Di Cristina, der in dritter Generation eine Bäckerei und Konditorei betreibt. „Die wollen alle nur das Schiff sehen“ und dann wieder zurück aufs Festland. Im Sommer vor dem Unfall hatte Di Cristina eine zweite Filiale im Hafen eröffnet, dort bietet er Pizza auf die Hand, Focaccias und toskanische Leckereien an. Aber kaum jemand kauft.

Nach dem Unglück blieben die Gäste aus

Vor der Katastrophe war das Leben auf Giglio ein Saisonbetrieb: Der Winter gehörte den Fischern, und ab dem späten Frühling wurden Zimmer vermietet. Besonders beliebt waren die Privatzimmer in den Fischerhäusern der kleinen Ortschaften mit den steilen Gassen. Aber in den vergangenen beiden Sommern blieben die Gäste aus, die die Ruhe und Abgeschiedenheit der Insel schätzten.

Viele Hotels stellten sich auf eine neue Klientel ein: Rund 500 Bergungsarbeiter bevölkern seit der Havarie die Insel, die meisten Hotels verzichteten auf die sonst übliche Winterpause. Aber die neuen Kunden sind bei den Insulanern nur mäßig beliebt. Sie schlingen nach ihren kräftezehrenden Schichten eher lustlos Kalorien herunter, statt sich an den pittoresken Buchten und Stränden zu erfreuen.

Sergio Ortelli, Bürgermeister von Giglio, ist jedoch zuversichtlich. „Der Tourismus wird wieder auf dasselbe Maß zurückkommen wie vor dieser entsetzlichen Tragödie“, sagt er. Die Kneipenwirtin Tiziana Pavoni pflichtet bei: „Giglio braucht kein Schiff oder sonst was. Giglio ist eine Perle.“

Ortelli sagt, er sei froh, dass das Aufrichten der „Costa Concordia“ gelungen sei und damit ein Ende der Flut der Sensationstouristen absehbar sei. In diesem Sommer habe sich der normale Tourismus schon wieder leicht erholt. „Wir hatten befürchtet, dass auch dieser Sommer so schlecht wird wie im vergangenen Jahr, aber offenbar kommen wieder mehr Touristen“, sagt er.

Der Hotelier Angelo Pini hat der Versuchung widerstanden, Zimmer an Bergungsarbeiter zu vermieten und sein Hotel wie gewöhnlich über den Winter geschlossen. Er kann es kaum erwarten, dass das Wrack aus der Hafeneinfahrt von Giglio verschwindet. „Dann können wir endlich wieder die Strände und Felsen nutzen, die jetzt wegen der „Concordia“ gesperrt sind“, sagt er.