Die Bergung der „Costa Concordia“ ist das ungewöhnlichste Schiffsrettungsprojekt aller Zeiten

Giglio. Die Einsatzkräfte haben Glück. Das Wetter spielt mit, der Wind ist schwach, die Wellen sind niedrig. In der Nacht war ein Gewitter über der Insel Giglio vor der toskanischen Küste niedergegangen. Der Start der ungewöhnlichsten Bergung eines Kreuzfahrtschiffes hatte sich um drei Stunden verzögert. Jetzt hofft die Rettungsmannschaft, dass es ruhig bleibt.

Millimeter für Millimeter steigt die „Costa Concordia" aus den Fluten. Am Nachmittag ist es acht Grad bewegt worden, sagt der staatliche Einsatzleiter Franco Gabrielli. Der kritische Moment sei die Überschreitung des 20. Grads. Dann werden neben der externen Kraft, die den Koloss aufrichten soll, Wasserlasten auf die Schwerkraft des Schiffes einwirken.

Auf dem Deck wird wieder das Schwimmbad sichtbar, in dem einst Passagiere planschten. Der Teil, der im Wasser war, ist vom Rost gezeichnet. „Wir müssen sehr behutsam und langsam vorgehen“, sagt Francesco Campopiano, der Leiter des Zivilschutzes. Selbst wenn das Wetter umschlägt, müsse weiter gearbeitet werden. Jetzt gibt es kein Zurück mehr.

„Das Schiff hat sich durch die Kraft des Meeres verformt“, sagt Einsatzleiter Gabrielli. Hätte man mit der Bergung länger gewartet, wäre das Risiko gestiegen, dass die „Costa Concordia" auseinanderbricht. Was die Umwelt angeht, gibt es keine Warnmeldungen. „Das Wasser ist sauber“, sagt Gabrielli. „Nichts deutet auf eine Verschmutzung hin. Wir stehen aber noch am Anfang.“

Am Mittag hatte sich das Schiff vom Felsen gelöst. Bei einer Zugkraft von 6000 Tonnen entfernte sich der Rumpf. „Es läuft alles wie geplant“, bestätigte Ingenieur Sergio Girotto.

Der Einsatzleiter heißt Nick Sloane. Der Südafrikaner im weißen T-Shirt und einer roten Rettungsweste verfolgt die Fortschritte von einem Schlepper aus. Seit 30 Jahren hetzt er von einem Krisenherd zum nächsten. 1983 fing der Supertanker „Castillo de Bellver“ vor der Küste Kapstadts Feuer mit 252.000 Tonnen Erdöl an Bord. Sloane, damals gerade aus der Armee entlassen, hilft beim Löschen. Die Leidenschaft lässt ihn nicht mehr los.

Die Bergung des Schiffes ist ungewöhnlich. Die wichtigsten Details:

Wer hat die Bergung geplant?

500 Experten aus 20 Ländern haben seit Mai 2012 alles vorbereitet. Das amerikanisch-italienische Bergungsteam Titan-Micoperi stimmte sich mit dem Zivilschutz in Rom ab. Mehr als 20 Schiffe sind im Einsatz, 15.000 Tauchgänge waren zuvor notwendig. Gesamtkosten: 600 Millionen Euro.

Was macht es so gefährlich?

Die „Costa Concordia" ist eines der größten Schiffe, das in einem Stück geborgen wurde. Wichtig war auch, Umweltschäden zu vermeiden.

Was wurde für die Aktion benötigt?

Mehr als 30.000 Tonnen Stahl wurden für die Konstruktion des Bergungsgerätes herbeigeschafft. Um die Lücken zwischen den Felsen unter dem Rumpf zu schließen und das Wrack nach der Aufrichtung zu stabilisieren, liegen 1180 Sand- und Zementsäcke auf dem damit „eingeebneten“ Meeresboden. Das Wrack steht dann auf sechs Plattformen, die mit 21 Pfeilern im Boden verankert sind.

Was passiert nach dem Aufrichten?

Dann müssen weitere Schwimmbehälter – insgesamt 15 – an der Steuerbordseite des Kreuzfahrtschiffes angebracht werden. Das Wasser wird aus diesen Schwimmkästen an beiden Seiten gepumpt, das Schiff „schwimmt“ dann wieder. Danach wird die „Costa Concordia“ verankert – bis zum Abtransport, der für das erste Halbjahr 2014 vorgesehen ist. Das wird dann die letzte Fahrt des Unglücksschiffes. Es wird abgewrackt.

Nach der Aufrichtung geht auch die Suche weiter: Zwei Leichen konnten nicht geborgen werden, die einer Italienerin und die eines indischen Crewmitglieds. Diese Opfer der Unglücksnacht vom 13. Januar 2012 noch zu finden, ist eine wesentliche Aufgabe.