Ein Mann hat am Morgen im Rathaus der oberbayerischen Stadt Geiseln genommen. Merkels geplanter Auftritt in Ingolstadt ist abgesagt.

Ingolstadt. Der Auftritt von Bundeskanzlerin Angela Merkel im Rahmen einer Wahlkampfveranstaltung in Ingolstadt ist abgesagt worden. Darauf hätten sich Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer und Bundeskanzlerin Angela Merkel geeinigt. Dies teilte die CSU-Landesleitung mit. Laut Seehofer könnte die Veranstaltung später nachgeholt werden.

Der Geiselnehmer ist nach Angaben der Polizei vorbestraft. „Wir warten, bis er konkrete Forderungen stellt“, sagte der Polizeivizepräsident beim Polizeipräsidium Oberbayern, Günther Gietl. „Wir sind derzeit mit 208 Einsatzkräften im Einsatz.“

Es soll sich um einen 24 Jahre alten wohnsitzlosen Mann handeln. In den Rathäusern der Stadt habe er ein Hausverbot gehabt, weil er seit längerem einer Mitarbeiterin der Stadtverwaltung nachstellte und andere Angestellte bedroht hatte.

Nach Angaben von Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) hat der Geiselnehmer drei Menschen in seiner Gewalt.

Dritter Bürgermeister nach Geiselnahme wieder frei

Laut einer Pressekonferenz soll es sich bei den drei Geiseln um den städtischen Beschwerdemanager, den Dritten Bürgermeister Sepp Mißlbeck sowie dessen Vorzimmerdame handeln. Oberbürgermeister Alfred Lehmann (CSU) soll in Sicherheit sein. Fünf Stunden nach Beginn der Geiselnahme ist der Dritte Bürgermeister Sepp Mißlbeck (Freie Wähler) inzwischen jedoch wieder frei. Angaben darüber, wie der Kommunalpolitiker gerettet wurde oder ob er freigelassen wurde, machte die Polizei zunächst nicht. In der Gewalt des 24 Jahre alten Geiselnehmers seien weiterhin eine Frau und ein Mann. Beiden gehe es soweit gut, erklärte ein Polizeisprecher.

Der Geiselnehmer hatte am Morgen mehrere Menschen im Alten Rathaus in Ingolstadt in seine Gewalt gebracht. Er habe eine Faustfeuerwaffe, sagte Polizeisprecher Hans-Peter Kammerer. Ob die Waffe scharf oder nur eine Schreckschusspistole ist, sei bisher unklar. Eine Verhandlungsgruppe der Polizei stehe im Kontakt zu ihm.

Der Ingolstädter Oberbürgermeister Alfred Lehmann (CSU) war selber vor Ort, als die Geiselnahme in einem anderen Büro des Rathauses begann. Die Polizei habe am Morgen alle Mitarbeiter aufgefordert, das Rathaus zu verlassen, berichtete Lehmann. Über den Täter sagte er: „Der Begriff Stalker erscheint mir etwas verharmlosend, weil er doch eine ganze Liste von Vorstrafen hat, die weit über das hinausgeht, was man als Stalking bezeichnet.“

Die Polizei stehe in direktem Kontakt mit dem Geiselnehmer, der sich im zweiten Stock befinden soll. Er soll nun eine Forderung gestellt haben, die die Polizei jedoch nicht bekannt gab. Laut „Donaukurier“ soll er fordern, dass das Annährerungsverbot aufgehoben wird.

Für Montagnachmittag war ein Wahlkampfauftritt von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in Ingolstadt geplant. Die Polizei räumte das Gebäude und riegelte die Umgebung des Rathauses weiträumig ab. Sozialministerin Christine Haderthauer sollte gegen 16.45 Uhr sprechen, Ministerpräsident Horst Seehofer gegen 17 Uhr. Der Auftritt der Kanzlerin war gegen 17.15 Uhr erwartet worden.

Der Geiselnehmer war am Montagmorgen kurz vor 9.00 Uhr in das Alte Rathaus der oberbayerischen Stadt gegangen und hatte die Geiseln genommen. Derzeit werde versucht, die Geiselnahme unblutig zu beenden, erklärte die Polizei. „Es handelt sich um einen männlichen Täter. Er hat mehrere Geiseln in seiner Gewalt“, sagte ein Polizei-Sprecher.

Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer, der aus Ingolstadt stammt, hat nach Informationen des „Donaukurier“ bei der Zeitung angerufen. Er habe betont, es gebe keinerlei politischen Druck auf die Einsatzkräfte und keine Eile wegen der für den Nachmittag geplanten CSU-Wahlkampfveranstaltung mit Bundeskanzlerin Angela Merkel. Das Wohl der Geiseln habe absoluten Vorrang.

Das Alte Rathaus in Ingolstadt steht im Norden des Rathausplatzes und geht in seinem Kern auf das 14. Jahrhundert zurück. Ursprünglich bestand es aus vier Gebäuden, 1984 wurden umfangreiche Renovierungsarbeiten durchgeführt. 1960 baute die Stadt das Neue Rathaus an der Ostseite des Rathausplatzes und gliederte dorthin zahlreiche Verwaltungsräume aus. Das Alte Rathaus ist aber weiterhin Sitz des Ingolstädter Oberbürgermeisters und der Touristeninformation.

(dpa/AFP)