Die drei Frauen waren zwischen 2002 und 2004 im US-Staat Ohio verschwunden. In ihren Tagebüchern haben sie laut Staatsanwaltschaft über ihr jahrelanges Martyrium geschrieben.

Cleveland. Kurz vor der Verhängung des Urteils gegen den Frauenentführer von Cleveland sind neue Einzelheiten über die jahrelange Leidenszeit seiner drei Opfer ans Licht gekommen. Wie am Mittwoch (Ortszeit) veröffentlichte Gerichtsunterlagen zeigen, wertete die Anklage Tagebücher der jungen Frauen aus. Darin schilderten die Entführten zahllose Vergewaltigungen und Prügelorgien ihres Peinigers Ariel Castro, aber auch ihre Sehnsucht nach Freiheit und Rückkehr in ihre Familien.

Castro hatte sich vergangene Woche schuldig bekannt, was seinen Opfern eine Befragung vor Gericht ersparte. Die Staatsanwaltschaft verzichtete im Gegenzug auf die Forderung nach der Todesstrafe, allerdings ist ihm lebenslange Haft sicher. Vor der für Donnerstag geplanten formellen Urteilsverkündung war eine Anhörung angesetzt, bei der eine Aussage des 53-jährigen früheren Busfahrers erwartet wurde. Laut einem Bericht von CNN wollte sich auch eines seiner Opfer, die 32-jährige Michelle Knight, in einer Videobotschaft oder persönlich an das Gericht wenden.

Castro hatte Knight, Amanda Berry und Gina DeJesus in der Zeit von 2002 bis 2004 entführt und in seinem Haus in einem Arbeiterbezirk der US-Großstadt Cleveland im Bundesstaat Ohio eingesperrt. Ihr Martyrium endete erst im Mai, als Berry mit ihrer in der Gefangenschaft geborenen Tochter mit Hilfe eines Nachbarn fliehen konnte und die Polizei alarmierte.

In den ersten Jahren ihrer Gefangenschaft seien die Frauen an den Fußgelenken angekettet gewesen, schilderte die Staatsanwaltschaft auf Grundlage der Tagebucheinträge. Ihre Notdurft mussten sie in nur unregelmäßig entleerten Plastikschüsseln entrichten, wie aus den Gerichtsunterlagen hervorgeht. Knight war in den elf Jahren vier Mal schwanger. Castro beendete zumindest eine Schwangerschaft, indem er die Frau zunächst tagelang hungern ließ und ihr dann auf den Bauch sprang und hinein trat. Berry konnte ein Kind austragen und brachte am Weihnachtstag 2006 ihre Tochter in einem Planschbecken zur Welt.

Nachdem Castro seine Opfer in einen Zustand der „Unterwürfigkeit“ gebracht hatte, habe er ihnen die Ketten abgenommen, und die drei hätten sich austauschen und anfreunden können, schilderte die Staatsanwaltschaft. Auch mit Psychoterror machte er die jungen Frauen gefügig. Er erzählte ihnen von Frauen, die es niemals in die Freiheit geschafft hätten, sowie von seinem Drang, sich „Ersatz“ zu beschaffen. Die Anklageschrift gegen Castro umfasst 977 Einzelvergehen.

Doch konnten auch die Tagebücher nicht alle Fragen zu dem Verbrechen klären. So habe Castro angegeben, „allen eine Fluchtmöglichkeit gegeben zu haben“, weil er die Tür von Berrys Zimmer nicht abgeschlossen habe. Er bat das Gericht auch, seine Tochter sehen zu dürfen, was der Richter als „unangemessen“ zurückwies. Das größte Rätsel für die Polizei bleibt aber, warum weder die Nachbarn noch die Kinder und die Freundin Castros etwas von der Gefangennahme mitbekamen.